Yannis Fischer: Para-Weltmeister 2023 im Kugelstoßen
Bisher stand Yannis Fischer meist im Schatten von Niko Kappel. Auch bei den Paralympics-Weltmeisterschaften im Juli 2023 in Paris waren die Augen der Öffentlichkeit eigentlich mehr auf seinen Trainings- und Vereinskollegen vom VfB Stuttgart gerichtet.
Dies änderte sich jedoch von einem Moment auf den anderen. Der 21-Jährige stieß die vier Kilogramm schwere Kugel 11,43 Meter weit und stellte damit nicht nur den deutschen und den WM-Rekord für die paraylmpische Startklasse F40 (kleinwüchsige Athleten unter 130 cm Körpergröße) auf, sondern holte überraschend auch die Goldmedaille.
Beim Gespräch mit der SPORT.S-Redaktion berichtet der gebürtige Singener von seinen Erlebnissen in Paris, seinem Weg in die Leichtathletik und seinen beruflichen Plänen.
Autor: Lara Auchter
Yannis Fischer beim 1. Internationalen Leichtathletikmeeting des VfB Stuttgart.
Fotos: Thomas Kircher (2)
Yannis, die Weltmeisterschaften dieses Jahr waren nach der EM 2021, bei der du Bronze geholt hast, sowie den Paralympics in Tokio das dritte Großevent in deiner noch jungen Karriere. Wie war Paris für dich?
Yannis Fischer: Es war unglaublich. Ich hätte auch niemals damit gerechnet, dass ich den Titel holen kann oder meine persönliche Bestleistung um 23 cm verbessere. Es war ein sehr starkes Feld und als ich Weltmeister wurde, war ich natürlich zuerst überrascht. Diese Emotionen und Gefühle waren aber großartig. Und den Moment auf dem Treppchen, als die Nationalhymne für mich gespielt wurde, werde ich nie vergessen. Auch dass meine Familie und Freunde da waren, war sehr besonders. Die Stimmung war auch echt super, vor allem im Vergleich zu den Paralympics in Tokio 2021, als keiner im Stadion war und wir nur von ein paar Athleten angefeuert wurden. Das war schon traurig damals. Deshalb war es jetzt umso schöner.
Du warst auch Fahnenträger der deutschen Athleten bei der Eröffnungszeremonie. Wie kam es zu dieser Ehre?
Yannis Fischer: Das war eigentlich ein spontanes Ding. Ich bin als einer der ersten Athleten angereist, weil mein Wettkampf auch ziemlich am Anfang stattfand, und als ich dann da war, wurde mir einfach gesagt, du trägst jetzt die Fahne (lacht). Es war mir natürlich eine große Ehre und hat mir auch nochmal einen extra Motivationsschub für den Wettkampf gegeben.
Foto: Iris Drobny
Bei vielen Paralympischen Wettbewerben starten mehrere Klassen im gleichen Feld und man weiß am Ende noch nicht direkt, wer gewonnen hat. Wie war das bei diesen Weltmeisterschaften?
Yannis Fischer: Bei kleineren Meetings oder der DM ist es tatsächlich so, dass je nach Startklasse die Weite in Punkte umgerechnet wird und man so natürlich nicht gleich weiß, auf welchem Platz man liegt. Bei Großevents wie internationalen Meisterschaften kommt das Starterfeld aber aus einer einzigen Klasse. Dort zählt dann auch wirklich die reine Weite und man kennt sofort das Ergebnis.
Das war ja nicht dein erster WM-Titel, denn du durftest dich auch schon mal „Fußballweltmeister“ nennen. Wie kam das zustande?
Yannis Fischer: Es gibt die World Dwarf Games – das ist eine Meisterschaft, bei der Kleinwüchsige teilnehmen und sich untereinander auf Augenhöhe messen können. 2017 waren die Games in Kanada, und dort ist auch zum ersten Mal eine richtige Fußballmannschaft an den Start gegangen. Dort konnte sich jeder einfach anmelden, man brauchte keine bestimmten Voraussetzungen oder musste eine bestimmte Leistung erbracht haben. Und so habe ich dort mitgemacht und wir haben auf Anhieb die Goldmedaille gewonnen. Theoretisch war ich also „Fußballweltmeister“ unter den Kleinwüchsigen (lacht).
Wie bist du dann zur Leichtathletik gekommen? Hast du schon immer verschiedene Sportarten betrieben?
Yannis Fischer: Ja, ich habe schon als Kind sehr viel Sport gemacht. Direkt nach den World Dwarf Games waren wir auf einer Sportlerehrung und ich wurde von einem Trainer angesprochen und gefragt, ob ich nicht mal Diskuswerfen und Kugelstoßen ausprobieren möchte. Ich bin dann zu einem Probetraining gefahren und es hat mir sehr gut gefallen und ich bin dabeigeblieben.
Du kommst ursprünglich aus der Nähe von Singen. Wie bist du in Stuttgart und beim VfB gelandet?
Yannis Fischer: Das war 2019 nach den Süddeutschen Meisterschaften. Dort habe ich Niko Kappel und seinen Trainer Peter Salzer kennengelernt. Sie meinten, ich solle mal beim Training vorbeischauen. Es war natürlich bekannt, dass in Stuttgart gute Arbeit geleistet wird, und Peter mit Niko, einem weiteren Kleinwüchsigen, schon große Erfolge feierte. Ich bin dann einmal im Monat zum Training nach Stuttgart gefahren. Mit der Zeit wurde es immer mehr und seit zwei Jahren bin ich fest am Olympiastützpunkt Stuttgart.
Siehst du dich, durch deinen Erfolg im Para-Sport und auch deinem zurückliegenden Erfolg bei den World Dwarf Games, als eine Art Botschafter und Aushängeschild der Kleinwüchsigen-Community?
Yannis Fischer: Ja, schon ein bisschen. Anfang August fanden die World Dwarf Games in Köln statt und ich durfte auch dabei sein und die Athleten kennenlernen. Das hat mich sehr gefreut und ich bin stolz darauf, eine Art Vorbild im Spitzensport zu sein.
Hast du dich durch deinen WM-Titel direkt für die Paralympics im kommenden Jahr qualifiziert? Wie läuft dort der Quali-Prozess?
Yannis Fischer: Also offiziell bin ich noch nicht qualifiziert. Bei der Weltmeisterschaft kann jedes Land Quotenplätze sammeln. Dieses Jahr gab es welche für eine Platzierung unter den ersten fünf. Wir haben 12 Quotenplätze bekommen, was für eine Nation wie Deutschland im paralympischen Leichtathletik-Team noch sehr wenige sind.
Nächstes Jahr bei der WM im Mai haben wir nochmal die Chance. Dort bekommt man aber nur Paralympics-Startplätze, wenn man sich unter den ersten zwei platziert. Somit bin ich offiziell noch nicht qualifiziert, aber durch meinen Titel ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich nächstes Jahr in Paris starten werde.
Mit Para-Leichtathletik wird es vermutlich schwierig werden, als Profi deinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Wie sehen deine beruflichen Grundlagen und Pläne aus?
Yannis Fischer: Ich habe die letzten zwei Jahre, seit meinem Wechsel zum VfB, am Olympiastützpunkt Stuttgart einen Bundesfreiwilligendienst gemacht und konnte auch hier wohnen. Letztes Jahr habe ich an der Hochschule für Technik in Stuttgart ein Informatikstudium angefangen und bin jetzt im dritten Semester. Das braucht natürlich alles ein bisschen mehr Organisation, aber ich kann das Studium strecken und meine Klausuren so schieben, dass ich mich bei wichtigen Wettkämpfen voll auf meinen Sport konzentrieren kann. Das Studium ist mir aber trotzdem wichtig, weil man einfach auch für nach dem Sport ein zweites Standbein braucht.