ADAC Supercross Stuttgart: Motorsport-Spektakel in der Schleyerhalle

15.950 Motorsportfans hatten sich im November an zwei Tagen auf den Weg gemacht, um in der Schleyerhalle das 39. ADAC Supercross Stuttgart live zu erleben. Wo sonst meist laute Livemusik ertönt, knatterten mit einem ohrenbetäubenden Lärm die Zwei- und Viertakter von weit über 50 Supercross-Piloten. Diese gingen auf der vom Belgier Freddy Verherstraeten und dessen Team konzipierten, kurvigen Indoor-Strecke auf Zeitenjagd.

Noch lange bevor die Fans am Freitag in die Halle durften, hat sich die SPORT.S-Redaktion bereits hinter den Kulissen umgeschaut. In unserem Fokus: Paul Bloy. Der 20-jährige Biberacher – Lokalmatador und Publikumsliebling zugleich – qualifizierte sich an beiden Tagen für das Finale, in dem er freitags Neunter und samstags Fünfter wurde. Wir haben Paul Bloy bis zum Qualifikationsrennen durch den Nachmittag begleitet.

Autor:Ralf Scherlinzky

13. Dezember 2023

Spektakuläre Sprünge von Paul Bloy (#252) und seinen Konkurrenten.
Fotos: Iris Drobny

Wir treffen Paul Bloy im Fahrerlager in den Katakomben der Schleyerhalle. Kurz zuvor hat er durch einen starken Auftritt im Vorlauf souverän den Schritt in das Qualifikationsrennen gemeistert. Zu diesem Zeitpunkt gibt es auf der Strecke schon seit mehreren Stunden Supercross-Action pur, ohne dass es außer den wenigen bereits anwesenden Journalisten jemand mitbekommen hat.

Für den Blondschopf, der in einem Kindergarten in Biberach an der Riß momentan sein letztes Ausbildungsjahr als Erzieher absolviert, hat der Tag mit einem gemütlichen Frühstück begonnen. „Da wir in unserem Sprinter auf dem Campingplatz übernachten, musste ich nicht ganz so früh raus“, grinst er und berichtet von einem relativ entspannten Vormittag mit Besuchen bei seinem Sponsor und ein paar weiteren Erledigungen. „Man schaut sich natürlich auch die Strecke an und prüft, wie die Rillen im Boden liegen. Und dann geht es auch schon zum Warmup und zum ersten Zeittraining.“

Mit vier Jahren habe er damals mit dem Motocross begonnen, berichtet uns Paul Bloy, der mit der Zeit immer ambitionierter wurde und jetzt schon phasenweise das Tempo der europäischen Spitzenpiloten mithalten kann. „Da fehlt schon noch ein Stück“, winkt der KTM-Pilot ab. „Jungs wie Maxime Desprey sind einfach unglaublich schnell. Die kannst du auf jedes Motorrad setzen und sie fahren dir davon. Dieses Level ist nur schwer zu erreichen.“

Einer der Gründe dafür: In Deutschland gibt es im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich nur eine einzige Supercross-Trainingsstrecke im thüringischen Mattstedt. „Dorthin habe ich eine Anfahrtszeit von fünf Stunden. Deshalb kann ich während der Ausbildung kaum trainieren gehen und komme pro Saison nur auf ungefähr 15 Trainingsstunden, während die anderen über 100 Stunden trainieren können.“

Das Trainingsdefizit macht der 20-Jährige durch sein großes fahrerisches Talent wett, das er auch beim ADAC Supercross Stuttgart in der Klasse SX2 wieder unter Beweis stellt. Diesem Talent hat es der schnelle Schwabe auch zu verdanken, dass er vom Kosak Racing Team im zweiten Jahr hintereinander einen Startplatz im Fahrerfeld zugesprochen bekommen hat.

Bevor es am Abend beim Qualifikationsrennen zur Sache geht (Paul Bloy: „Da lege ich mich vorher nochmal hin, weil es ja bis spät in die Nacht hinein geht.“), strömen ab 18.30 Uhr unzählige Fans in die Halle. Für sie haben die Veranstalter die Supercross-Fanmeile aufgebaut, auf der es neben zahlreichen gastronomischen Angeboten auch Motocross-Ausrüstung, Zubehör und vieles mehr zu kaufen gibt.

Je näher der Start rückt, desto spürbarer wird das Kribbeln auf den Tribünen – unter anderem auch beim ganz in gelb gekleideten Paul-Bloy-Fanclub, der „seinen“ Paul bei den Rennen lautstark unterstützt. Mit Erfolg, denn der Biberacher qualifiziert sich als Fünfter seiner Gruppe und als Achter insgesamt für das Finale, wo er spät nachts Platz neun belegt.

Am Tag darauf läuft es für den angehenden Erzieher sogar noch besser: Nach Platz sieben in der Qualifikation wird er Fünfter im Finale, wodurch er in der Gesamtwertung von beiden Finalläufen als bestplatzierter deutscher Pilot auf Platz sechs landet.

„Mein Ziel war es, zweimal ins Finale zu kommen – das habe ich auch geschafft. Besonders hat mich dabei gefreut, dass ich mich am Samstag nochmal steigern konnte“, strahlt Paul Bloy nach dem erfolgreichen Wochenende. „Was mich beim Supercross Stuttgart immer wieder begeistert, ist die fantastische Stimmung bei den Fans. Sie waren so laut, dass ich teilweise beim Fahren hören konnte, wie sie mich angefeuert haben. Das war richtig cool und hat mega Spaß gemacht. Für mich war Stuttgart wieder ein absolutes Highlight, und jetzt freue ich mich auf Dortmund.“

Dort wird in der Westfalenhalle am 12. und 13. Januar 2024 das zweite und letzte Wochenende der deutschen ADAC Supercross-Serie stattfinden. Paul Bloy bedauert, dass es in Deutschland nur diese beiden Supercross-Events gibt. Er kompensiert die wenigen Indoor-Rennen jedoch durch Outdoor-Teilnahmen an der deutschen Motocross-Meisterschaft, an der Rennserie ADAC MX Masters sowie an dem einen oder anderen Europameisterschafts-Lauf.

Einen Termin hat er sich bereits ganz dick im Kalender angestrichen – den 8. und 9. November 2024. An diesem Wochenende findet nämlich in der Schleyerhalle das 40. ADAC Supercross Stuttgart statt.

KNIEORTHESEN UND PROTEKTOREN FÜR DIE PILOTEN

Gemeinsam mit Paul Bloy besuchen wir unseren SPORT.S-Werbepartner ORTEMA an dessen Stand in der Fanmeile des ADAC Supercross Stuttgart.

Wo nach Hallenöffnung die Fans Beratung suchen, kommen ab morgens bis in den Nachmittag hinein die Piloten vorbei – wie Paul Bloy, an dessen Knieorthese Kevin Mikus nach den Vorläufen nochmal Hand anlegen muss. Der 35-Jährige ist in der Schleyerhalle zwar offiziell in seiner Rolle als Bereichsleiter Sport Protection bei ORTEMA im Einsatz, im Herzen ist er aber immer noch einer der „Jungs“.

„Ich war früher selbst ein recht erfolgreicher Motocross-Pilot, musste nach einer schweren Verletzung aber leider schon früh aufhören“, erzählt Kevin Mikus, der bereits zum 16. Mal beim ADAC Supercross Stuttgart im Einsatz ist.

Ein Großteil der Piloten, die an diesem Wochenende fahren, kommt bei ihm vorbei. „Wir machen bei ihren Knieorthesen den Service oder passen diese an, wenn sich ein Fahrer körperlich etwas verändert hat oder aus einer Verletzung zurückkommt. Genauso passen wir ihre Rückenprotektoren, Brustpanzer und ihren Nackenschutz an, wenn dort etwas justiert werden muss“, berichtet Kevin Mikus.

Hektisch kann es am ORTEMA-Stand werden, wenn es in einem der Qualirennen einen Sturz gegeben hat: „Wenn einer runterfliegt oder ‚Feindkontakt‘ hat, kann schon mal ein Verschluss abreißen. Da muss es dann schnell gehen, damit er kurz danach im Hoffnungslauf wieder starten kann.“

Auch beim nächsten ADAC Supercross-Lauf in der Dortmunder Westfalenhalle wird Kevin Mikus im Januar wieder mit dabei sein – wie bei vielen anderen Motocross-Rennen in ganz Europa auch. „In Deutschland haben wir meist einen eigenen Stand, zu dem die Fahrer kommen können. Bei WM-Läufen in Italien ist ein Stand aber zu kostenintensiv. Da habe ich meine Werkstatt dann im Auto und betreue die Jungs von dort aus.“