Helen Briem: Nr. 5 der Amateurgolf-Weltrangliste

Mit ihren 18 Jahren hat Helen Briem schon sehr viel erreicht: Sie gewann als Mitglied von Team Europa den Junior Solheim Cup und den Junior Ryder Cup, holte sowohl mit der deutschen Nationalmannschaft als auch im Einzel den Sieg bei den European Young Masters und dem European Nations Cup. 2022 gewann sie mit Deutschland bei den Amateur-Weltmeisterschaften die Bronzemedaille und war sogar Erste der Einzelwertung.

Durch ihre vielen Erfolge belegt die junge Golferin aktuell in der Weltrangliste der Amateure den fünften Platz. Wir haben uns mit der Nürtingerin und ihrem Vater Jochen bei ihrem Heimatverein, dem Stuttgarter Golf-Club Solitude getroffen, und gelernt, was es eigentlich bedeutet, Golferin zu sein. 

Autor:Lara Auchter

25. März 2024

Foto: Stefan Blümer/DGV

Fragt man Helen Briem nach ihren Vorbildern, kommen schnell die Namen von Skiläuferin Mikaela Shiffrin oder der ehemaligen Biathletin Laura Dahlmeier ins Spiel. Eigentlich ziemlich ungewöhnliche Vorbilder für eine 18-jährige Golferin…

„Sportlerinnen wie Mikaela Shiffrin und Laura Dahlmeier haben durch harte Arbeit und viel Training in jungen Jahren schon die größten Erfolge gefeiert“, begründet Helen Briem die Wahl ihrer Vorbilder und stellt dabei hauptsächlich deren Einstellung zum Sport, sowie ihre Disziplin und mentale Stärke heraus. „Mikaela Shiffrin ist unangefochten die beste Skifahrerin aller Zeiten, egal ob bei den Männern oder Frauen. Sie leistet Jahr für Jahr Unglaubliches, und das, obwohl sie niemandem mehr etwas beweisen muss. Zusätzlich ist sie auf dem Boden geblieben und geht immer fair mit ihren Gegnerinnen um. Das bewundere ich sehr.“

Foto: Ryder Cup

Große Erfolge in jungen Jahren konnte auch Helen Briem schon feiern. Unzählige Titel auf der Amateur Golf Tour hat die 18-Jährige bereits gewonnen, darunter prestigeträchtige Turniere wie den Solheim oder den Ryder Cup. Doch diese bilden nur den Anfang, denn der Weg soll für die Schülerin noch weiter nach oben gehen. „Ich werde Mitte oder Ende dieses Jahres Profi, das ist dann nochmal eine ganz andere Liga und wird mir viel mehr Türen öffnen“, gibt Helen Briem preis.

„Helen hätte schon im letzten Jahr Profi werden können“, betont ihr Vater Jochen. Warum also erst in diesem Jahr diesen Schritt wagen? „Das Amateur-Level in Europa ist sehr hoch und Helen hat schon des Öfteren bewiesen, dass sie bei Profiturnieren mithalten kann. Als Amateur darf man jedoch sowohl Amateur-, als auch Profiturniere spielen und wir wollten ihr einfach die Türe zu den Amateurturnieren nicht zusperren“, fügt der frühere Handballer hinzu.

Als Amateur verdient man mit dem Golfen keinen Cent. Bei Amateurturnieren wird kein Preisgeld vergeben, und selbst wenn man bei einem Profiturnier antritt, darf man die gewonnenen Prämien nicht annehmen. Keine leichte Situation, wenn man die hohen Reisekosten im Golfsport bedenkt. „Die meisten Turniere finden natürlich nicht in Mitteleuropa statt. Regelmäßige Reisen in die USA, nach Asien oder Südeuropa kosten jedes Jahr immens viel Geld“, weiß Jochen Briem. Ausgaben, die man durchaus nachvollziehen kann, wenn man bedenkt, dass das Vater-Tochter-Gespann die Hälfte des Jahres gemeinsam unterwegs ist und Helen allein 2023 über 20 Turniere in aller Welt gespielt hat.

Wie man trotz alledem noch Zeit für die Schule hat? Die 18-Jährige berichtet: „Ich mache eine Schulstreckung und konnte dadurch die Oberstufe am Gymnasium von zwei auf drei Jahre ziehen. Meine gewählten Kurse sind dabei so verteilt, dass ich nur circa 25 Wochenstunden Unterricht habe. Ich bin der Schule sehr dankbar, dass das alles so super funktioniert und es diese Möglichkeit gibt. Denn so musste ich nicht auf eine Sportschule wechseln und konnte in Nürtingen bleiben.“

Es habe keinen richtigen Zeitpunkt gegeben, bei dem Helen entschied, dass sie den Weg in den Profisport gehen würde, sagt Jochen Briem. „Es war eher ein schleichender Prozess. Sie hat immer wieder die nächste Stufe erklommen und irgendwann ein Leistungslevel erreicht, bei dem die anderen nicht mehr mithalten konnten. Erst in den letzten Jahren hat sich herauskristallisiert, dass sie den Weg einschlägt, auf dem wir uns heute befinden.“

Auch ein außergewöhnliches Golftalent war am Anfang nicht unbedingt erkennbar. „Ich habe als kleines Kind mit dem Golfen angefangen, weil meine Eltern auch Golf gespielt haben und ich immer mit auf dem Platz dabei war. Irgendwann wollte ich es auch probieren und es ist unser Familiensport geworden“, schildert Helen Briem.

Um im Golfsport erfolgreich zu sein, benötigt man eine enorme Athletik – ein Fakt, der über die von der Gesellschaft oft als „Rentnersport“ abgestempelte Sportart oft nicht bekannt ist. „Man braucht eine enorme Stabilität im Oberkörper und im Rumpf. Um den Ball so zu treffen wie man möchte, benötigt man ein stabiles Gerüst und einen guten Stand, von den Zehen bis hin zum Kopf. Wenn bei der Ausholbewegung oder dem Schlag nur eine Winzigkeit nicht passt, macht das im Golfsport gleich mehrere Meter aus. Deshalb sind die Athletik und der Körperbau eines Spielers auschlaggebend“, klärt Helen Briem auf, die drei- bis viermal pro Woche im Fitnessstudio Athletiktraining macht.

Doch auch ihre Körpergröße von 190 cm kommt ihr beim Golfen zugute, wie sie unterstreicht. „Durch meine Größe habe ich einen enormen Vorteil gegenüber kleineren Golferinnen. Ich kann durch meine langen Arme weiter ausholen und den Ball somit automatisch länger schlagen. Deshalb muss ich mich beim Training mehr auf die Stabilität meines Körpers fokussieren. Kleinere Athletinnen dagegen machen mehr Muskeltraining, um die Kraft aufzubauen die ich durch meine Größe schon von Haus aus habe.“

Schon Golflegende Jack Nicklaus sagte einst: „Das Golfspiel ist zu 90 Prozent mental und zu 10 Prozent körperlich.“

Deshalb braucht es neben einer exzellenten körperlichen Fitness auch eine besondere mentale Stärke. Ein guter Golfer verlässt sich auf seine Erfahrung. Je öfter man diesen einen Schlag perfekt gespielt hat, desto höher ist die Chance, dass es auch im Wettbewerb funktioniert. „Die größte mentale Hürde ist das Selbstvertrauen. Wenn man im Training oder bei der Platzbesichtigung einen Schlag verhaut, ist unterbewusst das Vertrauen weg, und obwohl man den Schlag zuvor zigfach gut getroffen hat, kann sich dieser eine Fehler auf dein komplettes Spiel auswirken“, verdeutlicht Jochen Briem.

Auch Helen weiß um die Wichtigkeit der mentalen Stärke im Golfsport: „Bei einem Turnier fängt man am ersten Loch an und hört beim 18. auf. Man ist den ganzen Tag in einer Konzentrationsphase und muss punktgenau bereit für die Leistung sein. Ich muss Ruhe bewahren und mich auf meine körperlichen Fähigkeiten verlassen können. Den Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Schlag macht vor allem das Mindset aus. Wenn ich positiv bleibe und mir selbst vertraue, nach einem schlechteren Schlag nicht gleich aufgebe, sondern andere Lösungen finde, dann werde ich auch ein gutes Turnier spielen.“

Jochen Briem vergleicht die Situation dabei mit dem Biathlon: „Im Biathlon bringst du über die meiste Zeit eine körperliche Höchstleistung aus Ausdauer und Kraft. Beim Schießen musst du aber dann den Puls herunterfahren, ruhig bleiben und dich für diese wenigen Sekunden zutiefst konzentrieren.“

Vermutlich ist auch deshalb die Biathlon-Olympiasiegerin Laura Dahlmeier ein Vorbild für Helen. Sie hat die Kombination aus körperlicher Höchstleistung und mentaler Stärke in jungen Jahren perfekt zusammengebracht und große Erfolge gefeiert – ein Ziel auf das auch die junge Golferin hinarbeitet.

Sobald sie ihre Profilizenz unterschrieben hat, darf Helen Briem nicht nur an den bekannten professionellen Golfturnieren teilnehmen und hoffentlich jede Menge Preisgeld einsammeln, sondern hat auch die Chance, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren und dort die Momente zu erleben, von denen fast jeder Sportler träumt.

„Ich möchte mich erstmal in der Europäischen Profitour LET etablieren, bevor ich dann irgendwann mal die US-amerikanische LPGA angehe. Die Olympischen Spiele 2028 sind definitiv ein Ziel, das ich erreichen kann, wenn ich mich Schritt für Schritt weiter verbessere und mit Spaß und Disziplin dranbleibe“, verkündet Helen selbstbewusst.

Und auch wir in der SPORT.S-Redaktion sind uns sicher, dass Helen in Zukunft ganz oben stehen wird und die größten sportlichen Erfolge feiern kann – wie schon ihre Vorbilder Mikaela Shiffrin und Laura Dahlmeier vor ihr.