Lea Luithle: Vierwöchige Grönland-Expedition

Drei Jahre lang hatte sich der Expeditionskader des Deutschen Alpenvereins (DAV) auf seine Abschluss-Expedition nach Grönland vorbereitet. Am 11. Juli 2023 ging es für die sechs jungen Kletterinnen dann zusammen mit ihrer Trainerin und einer Ärztin los. Mit dabei: die aus Besigheim-Ottmarsheim stammende Lea Luithle (24) von der DAV Sektion Ludwigsburg. Inzwischen liegt die Expedition schon wieder einige Wochen zurück. Im Gespräch mit unserer Redaktion begibt sich Lea Luithle gedanklich nochmal nach Grönland und berichtet vom Abenteuer ihres Lebens.

Autor:Lara Auchter

13. Dezember 2023

Tänzchen auf dem Gipfel – die Erstbesteigung ist geschafft.    Foto: Dörte Pietron

Lea, wie bist du zum Klettern gekommen und wie hast du es in den Kader geschafft?

Lea Luithle: Ich war schon immer viel draußen unterwegs und das Klettern hat mich fasziniert. Mit 16 habe ich aufgehört, Fußball zu spielen und habe mit dem Klettern begonnen. Das hat sich dann Schritt für Schritt entwickelt. Ich habe in Norwegen Outdoor Leadership studiert und konnte dadurch viele praktische Erfahrungen in der Natur sammeln. Gleichzeitig hatte ich viel Zeit fürs Alpinklettern und Bergsteigen. Ich habe den Frauen-Expedkader schon länger verfolgt und fand das Konzept sehr spannend. Sich zusammen in einem Mädelsteam unter der Leitung einer der besten Alpinistinnen Deutschlands weiterentwickeln zu dürfen, war schon ein Traum von mir. Als die Auswahl für den neuen Kader bevorstand, habe ich mich einfach beworben und wurde tatsächlich Teil des Teams.

 

Wie läuft so eine Sichtung für den DAV Expeditionskader ab?

Lea Luithle: Nach der Bewerbung werden alle, die es in die Vorauswahl geschafft haben, zur Sichtung eingeladen. Für uns ging es mit ungefähr 15 Frauen für eine Woche nach Oberbayern. Dort sind wir jeden Tag in Zweier- oder Dreierteams, begleitet von Bergführer:innen, verschiedene Touren in Fels, Schnee oder Eis geklettert. Die Gruppen wurden jeden Tag durchgewechselt, um möglichst viele Konstellationen abzudecken. Ein wichtiges Kriterium neben dem Können beim Klettern war auch der Teamgeist. Darauf hat unsere Trainerin Dörte Pietron von Anfang an viel Wert gelegt.

Lea Luithle (3. von links) und ihr Team übernachten in der Steilwand auf Portaledges. Foto: Dörte Pietron

Und dann hat die dreijährige Vorbereitung auf die große Expedition begonnen – mit dem Ziel, das Gelernte fernab der Zivilisation in unbetretenem und unbeklettertem Gelände anzuwenden. Was habt ihr in diesen Jahren alles gemacht?

Lea Luithle: Wir hatten verschiedene Lehrgänge, bei denen wir alle Disziplinen des Bergsteigens durchgegangen sind. So waren wir z.B. Alpinklettern, Eisklettern und Technoklettern, hatten Lehrgänge zu Bergrettung, Erste Hilfe und Lawine, haben Erstbegehungen gemacht und Rissklettern in großen Wänden geübt. Gleichzeitig haben wir uns immer besser eingespielt und kennengelernt. Es war cool, die Entwicklung in der Gruppe zu sehen, wie wir bei jedem Treffen mehr zusammengewachsen sind und als Team schwierige Situationen meistern konnten. Wir hatten alle unterschiedliche Stärken, die wir einbringen konnten.

 

Dann ging es im Juli endlich los. Wie war eure Ankunft in Grönland?

Lea Luithle: Wir sind auf dem Mini-Flughafen in Kulusuk auf einer kurzen Schotterbahn mitten im nirgendwo angekommen. Von dort ging es mit dem Motorboot zwischen Eisschollen hindurch nach Tasiilaq, wo wir noch die letzten Vorbereitungen getroffen haben. Wir mussten ja auch noch unser ganzes Essen einkaufen und für vier Wochen rationieren. Das hat letztendlich auch perfekt gepasst.

Was gab es dann alles zu essen?

Lea Luithle: Zum Frühstück hatten wir Müsli oder Haferflocken, ab und zu auch Grießbrei mit Fruchtsoße. Mittags gab es entweder Asianudeln, Suppe, Pumpernickel oder nur Müsliriegel, wenn wir gerade klettern waren. Das Abendessen bestand meist aus Trockengerichten aus der Tüte, abwechselnd mit Fertiggerichten wie Nudeln, Reis, Quinoa oder Kartoffelbrei. Wir hatten Campingkochtöpfe, einen Benzinkocher, sowie ein paar kleine, leichte Gaskocher dabei, die wir vor allem benutzt haben, wenn wir unterwegs waren und in der Wand geschlafen haben.

 

Wie war es dann, als ihr im Basislager angekommen wart – seid ihr direkt am nächsten Tag losgeklettert?

Lea Luithle: Angekommen im Fjord, mussten wir erstmal unser ganzes Gepäck zehn Kilometer weit zum Basislager tragen. Da haben wir erst das Nötigste mitgenommen und später immer wieder Nachschub geholt – insgesamt 800 Kilogramm hin und zurück. Danach haben wir erst den Fels durch einige bestehende Routen erkundet, bevor wir uns an die Erstbegehung gewagt haben. Dazwischen haben wir immer wieder Ruhetage eingeschoben, teilweise auch gezwungenermaßen wegen schlechtem Wetter.

 

Was war dein persönliches Highlight?

Lea Luithle: Ganz klar die Erstbegehung – das war einfach richtig aufregend. Im Achterteam haben wir durchrotiert und uns Stück für Stück hochgearbeitet. Wir haben fünf Tage gebraucht, bis die Route zum Gipfel fertig war. Danach sind wir nochmal zu fünft von unten rein und haben sie in zwei Tagen frei geklettert. Es war echt besonders, alle zusammen an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten und an einem Strang zu ziehen.

Ihr wart ja dann wirklich „On top of the world“…

Lea Luithle: Ja, das haut einen schon um. Auf dem Gipfel haben wir unseren Gefühlen freien Lauf gelassen und gemeinsam getanzt. Die Welt kommt einem so klein vor, und alles scheint plötzlich total unbedeutend, wenn man von einer so atemberaubenden Landschaft umgeben ist.

 

Wenn man dort oben steht und die Gletscher sieht, denkt man da an den Klimawandel und daran, dass dieser Ausblick bald nicht mehr so aussehen wird?

Lea Luithle: Auf jeden Fall. In Norwegen waren wir auch oft auf den Gletschern und haben gesehen, wie ein Jahr später schon mehrere Meter weggeschmolzen waren. Das ist schon erschreckend. In Grönland ist zum Beispiel das Schmelzen der Eisschollen ein Problem, denn dadurch haben die Eisbären weniger Lebensraum und weichen immer mehr aufs Land aus.

 

Seid ihr Eisbären oder anderen Tieren begegnet?

Lea Luithle: Nein, Gott sei Dank nicht (lacht). Wir haben im Vorfeld das Schießen geübt und haben auch Bärenwache gehalten. Der einzige, der immer wieder mal vorbeischaute, war ein Fuchs, der ziemlich hartnäckig war und unsere Zelte angeknabbert hat. Und wir haben viele Wale gesehen, gerade auf der Hin- und Rückfahrt mit dem Boot. Das war richtig schön und auch ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist.

 

Lea Luithle   Foto: Luisa Deubzer

Wie hast du dich gefühlt, als du wieder in der Zivilisation warst?

Lea Luithle: Ich habe schon ein bisschen gebraucht, um mich wieder an die vielen Menschen und den Lärm zu gewöhnen. Wir hatten vier Wochen lang kein Handy und nichts um uns herum als die pure Natur. Wir haben in unserem eigenen Universum gelebt, das plötzlich wieder weg war. Inzwischen habe ich ein Biologie-Studium in Innsbruck begonnen, träume aber noch oft von Grönland.

 

Die ZDF-Sportreportage über die Grönland-Expedition mit Lea Luithle (4 Episoden), findet ihr hier: https://www.zdf.de/sport/sportstudio-reportage/videos/extremsport-klettern-expeditionskader-groenland-doku-100.html