Nationalspielerin Anne Streil – die teure Ehre, für Deutschland spielen zu dürfen

Foto: Angela Kächele

Mitte Mai erreichte uns in der SPORT.S-Redaktion eine Nachricht von Anne Streil. Die 25-Jährige spielt bei den Stuttgart Scorpions American Football, ist seit 2021 Flag Football-Nationalspielerin und schaffte in diesem Jahr nun nach langer Verletzungspause auch den Sprung ins Tackle Football-Nationalteam. „Wir sind vor allem im Damenbereich eine absolute Randsportart und wir Nationalspielerinnen müssen die Kosten für Camps, Reisen, Ausrüstung etc. selbst tragen. Vor allem wenn man wie ich noch in der Ausbildung ist oder studiert, kommt man damit schnell an die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit und muss gut überlegen, ob man es sich leisten kann oder möchte, für Deutschland zu spielen“, schrieb uns die Defense Back Spielerin.

Damit hatte sie uns „getriggered“. Wie kann es sein, dass junge Sportlerinnnen quasi dafür bestraft werden, dass sie ihr Land vertreten? Wir haben uns mit Anne Streil unterhalten, um mehr über ihre Situation und die ihrer Mitspielerinnen zu erfahren. 

Autor: Lara Auchter

21. Juni 2023

Herzlichen Glückwunsch zur Berufung in die Nationalmannschaften im Flag- und Tackle-Football. Was bedeutet die Nominierung für dich?

Anne Streil: Vielen Dank. Auf der einen Seite ist das natürlich eine große Ehre und ich bin stolz darauf, dass ich mich nach meiner schweren Verletzung weiterhin auf diesem hohen Niveau beweisen und für Deutschland spielen darf. Es bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Für die Teilnahme am Auswahlcamp musste ich zuletzt nicht nur Anreise- und Verpflegungskosten selbst tragen, sondern auch noch eine Teilnahmegebühr bezahlen, damit ich mich überhaupt vor den Trainern zeigen durfte. Dann braucht man für die Nationalmannschaft einen schwarzen Helm, ich habe aber vom Verein nur einen weißen. Also musste ich zusätzlich noch für ein paar hundert Euro einen neuen Helm kaufen. Wir Spielerinnen leben für den Football und verbringen unsere ganze Freizeit für unseren Sport. Dass wir aber aufs Jahr gesehen pro Person einen vierstelligen Betrag aufbringen müssen, um unser Land international repräsentieren zu dürfen, ist einfach nicht richtig. Das gibt es vermutlich in keiner anderen Sportart.

Foto: Roman Just

Bekommt ihr vom Verband keinen Zuschuss? Die besten Football-Spielerinnen Deutschlands müssten doch eigentlich in allen Bereichen unterstützt werden…

Anne Streil: Der Verband ist selbst nicht auf Rosen gebettet und sucht Sponsoren. Er muss natürlich auch die Camps, Trainer etc. bezahlen. Wir bekommen zwar Prozente beim Football-Ausrüster, aber das ist kein Mehrwert, da die meisten von uns Spielerinnen auch über unsere Vereine vergünstigt einkaufen können.

Gibt es andere Förderprogramme?

Anne Streil: Ich habe mich informiert, ob ich vom Landesverband AFCV Baden-Württemberg oder sogar von der Stadt Stuttgart etwas finanzielle Unterstützung bekommen kann. Die Stadt würde einen gewissen Prozentsatz finanzieren, das ist aber an Bedingungen gebunden, die ich leider nicht erfüllen kann.

Wie ist Frauen-Football in Deutschland generell aufgebaut?

Anne Streil: Es gibt eigentlich nur zwei richtige Ligen – die 1. und die 2. Bundesliga. In der 1. Bundesliga haben wir nur sechs Teams und ziemlich weite Reisewege. Eigentlich muss der Meister der zweiten Bundesliga aufsteigen. Wenn er das nicht möchte oder es sich nicht leisten kann, bezahlt er eine Geldstrafe. Die meisten Aufsteiger entscheiden sich für Zweiteres, da sie sich eine Saison in der Bundesliga mit längeren Reisewegen und anderen finanziellen Herausforderungen nicht leisten können oder ihnen einfach die Spielerinnen fehlen. In der zweiten Liga spielt man nämlich nur neun gegen neun, in der Bundesliga hingegen ganz normal elf gegen elf.

Was würdest du dir für euch Nationalspielerinnen wünschen?

Anne Streil: Dass wir, wie Sportlerinnen in anderen Sportarten auch, keine zusätzlichen finanziellen Belastungen haben, wenn wir unser Land repräsentieren. Dafür braucht es Sponsoren. Ich wünsche mir, dass der Verband Unternehmen findet, die unsere tolle Sportart unterstützen, damit wir sorgenfrei für Deutschland spielen können.