Stuttgart Reds – Neues „Schmuckstück“ am Schnarrenberg

Hoch über den Stadtteilen Zuffenhausen und Münster entsteht in idyllischer Lage auf dem Stuttgarter Schnarrenberg ein neues Stadion. Nein, wir sprechen hier nicht von einem Fußballstadion, sondern von einer Baseballarena! Die Stuttgart Reds, Baseball-Abteilung des TV Cannstatt, wandeln hier ihr bisheriges Spielfeld in ein deutschlandweit einzigartiges „Schmuckstück“ mit einem durchdachten Konzept um, das sich nicht nur um die Bundesliga-Spiele der Reds dreht, sondern auch weit über den Tellerrand der US-Sportart hinaus blickt. Wir konnten uns kurz vor Beginn der neuen Saison selbst ein Bild vom „TVC Ballpark“ machen und geben hier für unsere Leser wieder, was uns die beiden für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Vorstandsmitglieder Felix Kandt und Iris Drobny gezeigt und berichtet haben.

Herzlichen Dank an euch beide für die Baustellenführung

Autor:Ralf Scherlinzky

31. Mai 2022

Momentan noch Baustelle, schon bald ein Vorzeige-Stadion: der Ballpark auf dem Schnarrenberg

Fotos: Iris Drobny

„Hier bringen wir schon bald 600 Sitze für unsere Fans an“, sagt Felix Kandt und zeigt dabei vom Spielfeld aus auf die große Tribüne. „Alle Plätze werden überdacht sein – und zwar so, dass die Zuschauer ein freies Sichtfeld haben. Es wird also keine störenden Pfosten geben. Zusätzlich spannen wir zum Schutz ein ganz feines, gewölbtes und kaum erkennbares Netz vom Dach nach unten.“ Die Tribüne bildet zwar den Hingucker des neuen Ballparks, doch ist sie nur die sichtbare „Spitze des Eisbergs“. Das an die Tribüne angeschlossene Gebäude ist von oben bis unten nach einem durchdachten Konzept gestaltet, wie Felix Kandt weiß: „Im Eingangsbereich kommt nach der Kasse gleich die ‚Baseball Plaza‘ mit bestuhlter Gastronomie und dem Fanshop. Schon von dort lässt sich das Spielfeld überblicken. Draußen auf der Terrasse folgen dann die Plätze für Rollstuhlfahrer, die nicht nur einen perfekten Blick auf das Spielfeld, sondern auch eine gigantische Aussicht über das ganze Tal bieten. Auf der linken Seite befindet sich der VIP-Raum für unsere Sponsoren, die wir bisher behelfsmäßig in einem Baucontainer betreut haben. Außerdem haben wir mit einem Open-Office-Konzept Büro- und Besprechungsräume für die Geschäftsstelle unseres Hauptvereins TV Cannstatt eingeplant, die von ihren viel zu kleinen Räumen in den Ballpark umziehen wird. Und dann ist da im Untergeschoss neben Kabinen, Besprechungs-, Team- und Regieraum noch die Sporthalle…“

Wir kommen bei unserem Rundgang in eine taghelle, mit einer Glaswand über die komplette Länge versehenen Sporthalle, die nach ihrer Fertigstellung tagsüber von Schulen genutzt werden kann, ehe abends die weiteren Abteilungen des TV Cannstatt einziehen.

„Für unsere Baseballer und Softballerinnen haben wir an der Decke Schlagkäfige angebracht, die wir für das Training bei Regen oder im Winter auf Knopfdruck herunterlassen können“, erklärt Iris Drobny. „Bisher machen wir das in der Badmintonhalle alles von Hand. Auf- und Abbau dauern 20 Minuten und man braucht ordentlich Armschmalz.“

Stolz sind die Stuttgart Reds vor allem auf die nachhaltige Planung des gesamten Ballparks. „Wir haben eine Solaranlage auf dem Dach und brauchen keine fossilen Brennstoffe mehr für die Heizung und Lüftung. Außen bekommt das Gebäude eine energieeffiziente und Wärme speichernde Holzverkleidung. Dieses Konzept war uns von Anfang an sehr wichtig und wir wollen damit eine Vorreiterrolle für andere Sportvereine einnehmen.“

Abgerundet wird der Ballpark mit dem Turm am anderen Ende der Tribüne, in dem Spieloffizielle, Stadionsprecher, DJ und die Mitarbeiter vom Reds TV untergebracht sind. Ein solches Vorzeigeprojekt zu planen ist das eine, die Umsetzung ist aber nochmal eine ganz andere Sache – vor allem in einer von der Pandemie und Rohstoffknappheit geprägten Zeit.

Wie wird das Projekt finanziert? „Der Ballpark ist ein bezuschusstes Vereinsprojekt. Gerade weil in Stuttgart eine extreme Sporthallennot herrscht, konnten wir mit dem Bauprojekt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und bei der Stadtverwaltung eine entsprechende finanzielle Unterstützung beantragen“, berichtet Felix Kandt.

Da die Umsetzung des Bauprojekts zum Beginn der Pandemie bereits angelaufen war, gab es trotz der schwierigen Situation kein Zurück mehr. „In diesem Fall hatten wir schon Glück, denn jetzt damit anzufangen, wäre vermutlich kaum noch möglich“, glaubt Felix Kandt. Durch die aktuelle Rohstoffknappheit seien die geplanten Kosten inzwischen auch um 20 Prozent auf „irgendwas zwischen vier und sechs Millionen“ gestiegen.
Die Fertigstellung des neuen Ballparks ist für 2023 geplant, die bis dahin überdachte Tribüne kann im Idealfall bereits Ende Juni 2022 eingeweiht werden.

„In der Baseball-Szene schaut man inzwischen mit Argusaugen auf die Stuttgart Reds, denn wir werden mit den komplett überdachten Sitzplätzen definitiv Regensburg als schönsten Standort in Deutschland ablösen“, schmunzelt Iris Drobny.

Schon einmal war der Ballpark am Schnarrenberg im Zentrum des europäischen Baseballs gestanden – damals, im Jahr 2010, als man neben Heidenheim und Neuenburg am Rhein Hauptaustragungsort der Europameisterschaft war. Iris Drobny erinnert sich: „Wir hatten extra zur EM unser Flutlicht bekommen und haben damals eine Metalltribüne für 8.000 Zuschauer hingestellt. Das war schon eine Nummer.“ Die Europameisterschaft war es auch, die Felix Kandt zum Baseball gebracht hat. „Ich hatte beim Joggen gesehen, dass dort richtig was los war. Ich war neugierig, habe mir ein paar Spiele angeschaut und bin bei dieser tollen Sportart hängen geblieben. Tja, und jetzt bin ich Teil des Vorstands“, lacht er.

Sportfans, die zum ersten Mal ein Baseballspiel besuchen, haben nicht selten ein großes Fragezeichen im Gesicht stehen. „Für den deutschen Fan ist es tatsächlich ungewöhnlich, dass bei den Spielen keine Zeit runterläuft, die ein festes Spielende vorgibt. Bei den bekannten Sportarten geht es auch stets darum, ein Tor zu treffen oder den Gegner auszuspielen. Im Baseball dagegen nimmt man mit dem Ball den Gegner aus dem Spiel. Das ist schon etwas anderes“, so Iris Drobny.

Deshalb wollen die Reds neues Publikum vorrangig über den Eventcharakter ihrer Heim-Events ansprechen. „Da muss der Funke zum Sport überspringen“, sagt Felix Kandt. „Wenn es dann daran geht, die Regeln zu verstehen, haben wir immer Leute im Stadion, die diese erklären können. Auch der Stadionsprecher erklärt immer mal verschiedene Spielsituationen. In Heidenheim machen sie das super. Dort laufen ‚Baseball Gscheidles‘ mit einer gelben Mütze rum, auf der ‚Frag mich‘ steht und die die Regeln erklären. So etwas in diese Richtung schwebt uns auch für die Reds vor.“

Inzwischen spielen die Stuttgart Reds im zehnten Jahr in der ersten Bundesliga. Pro Saison wird ein sechsstelliger Etat bewegt, der zum großen Teil durch Sponsoren abgedeckt wird. „Das heißt aber nicht, dass wir bei den Reds Profispieler beschäftigen“, hebt Felix Kandt den Zeigefinger. „Unser Bundesligateam besteht zu rund 80 Prozent aus Spielern, die von klein auf bei uns im Verein ausgebildet wurden. Dazu haben wir einige Importspieler aus Südamerika, Spanien und Italien. Aber auch die bekommen kein Geld fürs Spielen. Vielmehr sind sie als Nachwuchstrainer beim Verein angestellt und haben mit unseren Kids allerhand zu tun.“

Unter den 220 Mitgliedern der Baseball-Abteilung des TV Cannstatt befinden sich ungefähr 150 Aktive – darunter rund 100 Kinder und Jugendliche von vier bis 17 Jahren.

Sportlich peilen die Reds in dieser Saison die erneute Teilnahme an den Playoffs der Baseball-Bundesliga an, die im Modus Best-of-five ausgetragen werden. Die Liga besteht aus 15 Mannschaften und ist in zwei Gruppen eingeteilt – die Nord-Gruppe mit sieben und die Süd-Gruppe mit acht Teams. Um die Playoffs zu erreichen, wäre im Süden im Vergleich mit Regensburg, Heidenheim, Haar, Mainz, Tübingen, Mannheim und Ulm Platz vier notwendig. 2021 hatten die Reds Rang drei erreicht, waren aber bereits im Viertelfinale ausgeschieden. „Das Ausscheiden war dramatisch, unglücklich, saublöd“, ärgert sich Felix Kandt noch heute über das entscheidende Spiel gegen die Guggenberger Legionäre aus Regensburg. „Das war ein völlig offenes Spiel, das vier Stunden lang ging und das wir nach drei Extra-Innings dann noch unglücklich verloren haben.“

Erfolgreich sind bei den Reds jedoch nicht nur die Baseballer. Auch die Softball-Frauen spielen in der Bundesliga und konnten sich 2021 nach einer Serie von 14 Siegen in Folge die Süd-Meisterschaft sichern.