Stuttgart Surge – Restart mit neuen Ansätzen

Die Stuttgart Surge sind eines der Gründungsmitglieder der 2020 neu aus der Taufe gehobenen European League of Football (ELF), einer europaweiten Liga, die die Sportart American Football in Europa noch populärer machen soll. Nach einer durchwachsenen Premierensaison, die man auf dem letzten Tabellenplatz beendete, verlief 2022 für die Surge nicht einfacher. Die Franchise verlor alle Spiele und war meilenweit vom Toplevel der Liga entfernt. Um in der neuen Saison, die am 2. Juni mit einem Auswärtsspiel bei den Paris Musketeers beginnt, konkurrenzfähig zu sein, drehten General Manager Suni Musa und sein Team in der Offseason alles „auf links“. Wir haben uns mit Musa und dem neuen Headcoach Jordan Neuman getroffen, um mehr über die „neue Surge“ zu erfahren.

Autor:Lara Auchter

21. März 2023
Fotos: Svenja Sabatini
„Wir wollen auf jeden Fall besser und stabiler werden, im Office sowie auf dem Spielfeld“, so die Worte vom Geschäftsführer und General Manager Suni Musa. Die Franchise musste die Fehler der Vorsaisons ausbügeln und für die bald beginnende Saison eine komplett neue Basis aufbauen. Viele Mitarbeiter waren zuletzt in Positionen eingesetzt worden, die nicht ihren Fähigkeiten entsprachen – einer der Gründe für das Scheitern in der Saison 2022. „Wir haben nun danach geschaut, dass wir die Leute nach ihren Stärken aufstellen und in die richtigen Positionen im Backoffice bringen“, so Musa zur SPORT.S-Redaktion. Sämtliche Positionen standen auf dem Prüfstand und man hat nun eine Basis geschaffen, auf der man aufbauen kann. „Wir haben gegenüber der Konkurrenz einiges aufzuholen. Eigentlich haben wir zwei Jahre Rückstand und die Liga bleibt um uns herum natürlich nicht stehen“, fügt der gebürtige Ludwigsburger hinzu. Nun ist es das große Ziel, die bestmögliche Leistung zu bringen, damit auch der sportliche Bereich wieder Erfolge aufweisen kann.
General Manager Suni Musa

Neues Trainerteam, Neuer Quarterback

Für diese sportlichen Erfolge soll das neue Trainerteam um Headcoach Jordan Neuman sorgen. Der gebürtige Texaner kommt vom amtierenden Meister der German Football League (GFL), den Schwäbisch Hall Unicorns, für die er jahrelang selbst spielte. Er brachte auch gleich seinen erfolgreichen Quarterback mit: Reilly Hennessy kommt als amtierender MVP (wertvollster Spieler) des German Bowl zur Surge.

Regionales Konzept

Doch die zwei potentiell wichtigsten neuen Bausteine des Teams waren nicht die einzigen Neuzugänge der Franchise. Schon im Spätjahr wurden neue Spieler verpflichtet. Dabei setzen die Stuttgart Surge vor allem auf heimische Akteure: „Wir haben heute mehr regionale Spieler als je zuvor. Das war natürlich immer der Plan, aber in der Vergangenheit wurde auch in diesem Bereich viel falsch gemacht“, berichtet Suni Musa. Die Mannschaft soll weiterhin aus den besten Spielern der Region bestehen, ob junge Talente oder zurückgeholte, erfahrene Spieler, die ursprünglich aus Stuttgart und Umgebung stammen. Auch der neue Headcoach hat eine klare Vision, wie sein Team zusammengestellt sein soll: „Wir wollen erst die besten Spieler aus ganz Stuttgart, dann aus Deutschland, danach aus Europa und zu allerletzt aus Nordamerika.“

 

Schulkooperationen Das regionale Konzept der Stuttgart Surge wird nicht nur auf dem Spielfeld umgesetzt. Zusammen mit dem Kultusministerium Baden-Württemberg besteht seit Dezember 2022 die Kooperation „Lernen mit Rückenwind“ – ein Förderprogramm, bei dem Schülerinnen und Schüler dabei unterstützt werden, Lernrückstände, die durch die Pandemie entstanden sind, aufzuholen. Durch das Projekt erhofft sich Jordan Neuman für die Kinder nicht nur das Lernen der englischen Sprache oder der amerikanischen Kultur, er möchte sie auch für American Football begeistern. „Die Kids sehen uns als Vorbilder. Sie finden die Sportler cool und wollen eventuell auch in einem Team spielen. Wir vermitteln sie dann an einen Football-Verein in ihrer Nähe. Wenn sie dabei bleiben und sogar Profi werden, ist das eine WinWin-Situation für beide Seiten“, so der Headcoach, der das Schulprojekt federführend leitet.

Nachwuchsarbeit

Die Surge sind jedoch eine reine Profimannschaft, die zur American Football Club Stuttgart GmbH gehört. Den Franchises, die an der ELF teilnehmen, ist es nicht erlaubt am Spielbetrieb des AFVD (American Football Verband Deutschland) teilzunehmen. Deshalb dürfen keine eigenen Jugendmannschaften aufgebaut werden und am Spielbetrieb teilnehmen. Der AFVD hatte diese Regelung einst als Gegenmaßnahme zur Gründung der ungeliebten ELF eingeführt, damit die vermeintliche Konkurrenzliga den Vereinen nicht ihre Nachwuchsspieler streitig macht. Inzwischen sitzt man aber wieder an einem Tisch, um an Lösungen zu arbeiten, die beide Parteien zufriedenstellen und den Football in Deuschland und ganz Europa weiterbringt, weiß Surge-Geschäftsführer Musa.
Es gehe darum, die gesamte Region zu stärken, ergänzt er: „Wir bauen unser System so auf, dass wir die Vereine in der Gegend unterstützen und ihnen helfen sich weiterzuentwickeln, ihre Jugendmannschaften zu stärken und das Interesse in der Region zu wecken. Dadurch wollen wir natürlich dann auch mehr Zulauf für unsere Heimspiele generieren.“

Aus diesem Grund hat das Schulprojekt für die Surge einen hohen Stellenwert. Man stärkt die Jugendarbeit in den Vereinen der Region, indem man die Kinder vom Sport begeistert. „Es ist ein lohnenswertes Projekt, das den Footballsport in Baden-Württemberg revolutionieren wird, den Football aber auch in die breite Öffentlichkeit trägt. Wenn das an den Schulen funktioniert und als Vorbild genommen wird, dann kann man das Konzept in jeder Stadt etablieren“, erklärt Suni Musa.

Auch veranstalten die Surge verschiedene Trainingscamps, unter anderem ein Jugendcamp mit dem Stuttgarter NFL-Profi Jakob Johnson im April. „Zu diesem Camp kommen Kinder aus ganz Deutschland und trainieren einen Tag mit uns. Unser Team ist zusammen mit allen Coaches auch vor Ort“, so Musa.

Genau diese Regionalität und die enge Zusammenarbeit mit den Vereinen und den Schulen macht die Franchise so besonders wie ihren Sport. Im American Football findet jedes Kind seinen Platz im Team, unabhängig von Körperbau, Größe und Fähigkeiten. Jeder Spieler wird gebraucht und wertgeschätzt.

„Für mich ist das der allergrößte Vorteil von American Football – niemand wird aufgrund seiner körperlichen Voraussetzungen ausgeschlossen“, erläutert Jordan Neuman. „Egal ob sie groß, klein, breit oder schlaksig sind, bei uns ist jeder ein wichtiger Bestandteil des Teams, auch weil jede Position im Football einen anderen Körperbau verlangt, und das ist richtig cool. Bei uns genießen sogar diejenigen Kinder einen hohen Stellenwert, die im Sportunterricht normalerweise als Letzte ins Team gewählt werden“, schwärmt der Coach von seinem Sport.

„Wir geben den Kindern, die ihr ganzes Leben als unsportlich betitelt wurden, eine Option, die sie vorher nicht hatten“, ergänzt Musa, „Wir vermitteln genau diesen Kindern etwas, das sie im Zusammenhang mit Sport bisher nicht kennen: Teamgefühl, Gemeinschaft, Freude und Spaß“. Man könne Kinder schnell begeistern. Sie zu halten und ihre weitere Karriere zu fördern, sei jedoch die wirkliche Schwierigkeit. „Durch unser Schulprojekt wollen wir das ändern“, betont der General Manager.

Headcoach: Jordan Neuman

Finanzierung & Wachstum

Die Fortschritte des American Football im Fernsehbereich und in der allgemeinen Professionalität in Deutschland sind spürbar. Das große Ziel ist es nun, die European League als Fernseh- und Showliga zu etablieren und stabil aufzubauen.

Suni Musa ist seit langer Zeit in der Eventbranche tätig und hat, bevor er 2022 seinen Posten als Geschäftsführer der Stuttgart Surge antrat, die Halftime-Shows sowie die vor dem Anpfiff jedes Spiels stattfindende Power Party organisiert. Dieser Eventbereich ist ein wichtiger Teil der Einnahmequellen, über die sich die Franchise finanziert. Die Einnahmen werden hauptsächlich über fünf Bereiche generiert: Ticketing, Merchandising, Sponsoring, der Revenue-Share der Liga (Fernsehgelder und Werbeeinnahmen der ELF, die durch alle Teams aufgeteilt werden) und das Eventmarketing.

„American Football in Stuttgart hat ein riesiges Potenzial und wir versuchen noch einiges an Wachstum hinzulegen. Gerade sieht es ganz gut aus, aber wie bei jedem Startup-Unternehmen kann nicht alles direkt von Anfang an funktionieren“, führt Suni Musa aus. „Wir haben in der Vergangenheit Fehler gemacht, das ist auch nicht schönzureden. Aber wir versuchen uns zu verbessern und haben schon enorme Fortschritte gemacht, sodass es hoffentlich positiv in die Zukunft gehen kann.“