Tizian Lauria & Eric Maihöfer: Sindelfinger Duo triumphiert bei der U23-EM

Ein wuchtiger, nahezu perfekter Stoß auf 19,80 m. Ein Urschrei. Freudensprünge durch das Leppävaara Stadium von Espoo. Dann war erstmal die Luft raus, denn Tizian Lauria (l.) wusste, dass er gerade Großes geleistet hatte. Der 20-jährige Filderstädter hatte die Kugel weiter gestoßen als jemals zuvor. So weit, dass ihm dieser eine Stoß den Titel des U23-Europameisters eingebracht hat. Leidtragender in diesem Moment: sein Kumpel Eric Maihöfer (r.), der zu diesem Zeitpunkt in Führung gelegen hatte.

Fotos: Iris Drobny (4)

Doch auch der gebürtige Schwäbisch Gmünder (22) hatte am Ende des Wettkampfs Grund zu feiern, denn er gewann mit 19,44 m die Silbermedaille. Ende August setzten die beiden dann noch einen Erfolg drauf: Bei den Polizei-Europameisterschaften in Prag holte diesmal Eric Maihöfer den Titel – mit genau einem Zentimeter Vorsprung vor Tizian Lauria. Wir haben uns mit dem Duo vom VfL Sindelfingen getroffen und zwei richtig gute Typen kennengelernt, von denen wir in den kommenden Jahren noch einiges hören werden. 

Autor: Lara Auchter

18. September 2023

Herzlichen Glückwunsch an euch beide zu dem tollen Erfolg. Wie hattet ihr euch für die U23 Europameisterschaften qualifiziert?

Eric Maihöfer: Wir haben die Norm von 18,60 m schon ziemlich früh in der Saison gestoßen. Das war gut, weil wir so natürlich entspannt in die weitere Saison gehen und uns voll auf Espoo konzentrieren konnten.

Seid ihr mit den Erwartungen in die EM gegangen, eine Medaille zu gewinnen?

Tizian Lauria: Wir haben uns schon während der Saison und im Trainingsbetrieb auf eine Medaille vorbereitet. Unser Trainer Arthur Hoppe hat uns auch verständlich gemacht, dass dies möglich ist, und er hat uns so eingestellt, dass wir während den Europameisterschaften unsere beste Leistung zeigen können.

Eric Maihöfer: Uns war aber trotzdem bewusst, dass wir starke Konkurrenz haben und auch Sportler dabei sind, die schon über 20 Meter gestoßen haben. Letztendlich waren wir beide an dem Tag aber topfit und haben abgeliefert und persönliche Bestleistung bzw. Saisonbestleistung gestoßen. Das war auch die erfolgreichste Meisterschaft für unseren Coach, denn Platz eins und zwei bei einer EM hatte er in seiner Trainerkarriere bis jetzt auch noch nicht.

Redaktionsgespräch mit Eric Maihöfer (links), Tizian Lauria (2. von l.) und Yannis Fischer in der Molly-Schuaffele-Halle am Olympiastützunkt Stuttgart.

Gerade du, Tizian, hast bei deinem Stoß den Emotionen freien Lauf gelassen. Merkt man, sobald die Kugel aus der Hand fliegt, dass es ein weiter Versuch wird?

Tizian Lauria: Ja, für mich gab es wirklich kein Halten mehr, das war schon sehr emotional und ich war auch wirklich platt danach (lacht). Aber ich würde sagen, wir bekommen durch tägliches Training mit der Kugel in den verschiedensten Positionen schon ein gewisses Feingefühl und wissen dann auch, wenn wir einen Stoß besonders gut treffen.

Du sagst du warst platt nach deinem Sieges-Stoß. Wie schafft man es, sich nochmal aufzuraffen und die weiteren Versuche durchzuziehen? Der Wettkampf war ja noch nicht vorüber…

Tizian Lauria: Das war schon schwierig und in der Vergangenheit hätte ich das vermutlich nicht geschafft. Meine persönliche Bestweite habe ich im vierten Versuch gestoßen, nachdem ich zuvor auf Platz fünf lag und wusste, dass es noch besser gehen muss. Da habe ich mir schon persönlich Druck gemacht. Obwohl der Akku leer war, konnte ich mich dann nochmal aufraffen und habe im Fünften einen richtig weiten Stoß rausgehauen, der aber leider ungültig war. Ich konnte bis zum Ende des Wettkampfs meine Emotionen im Griff halten, weil natürlich auch im letzten Versuch vielleicht nochmal ein Gegner einen raushaut, der weiter geht.

Arbeitet ihr mit einem Mentalcoach zusammen, um mit solchen Drucksituationen umgehen zu können und euch nicht in den Emotionen zu verlieren, wenn der Wettkampf noch nicht vorbei ist?

Eric Maihöfer: Klar, wir arbeiten beide mit Mentaltrainern zusammen. Ich würde das auch wirklich jedem empfehlen, weil man die beste körperliche Leistung nur dann abrufen kann, wenn man auch mental am stärksten ist. Gerade nach einem so emotionalen Hoch den Fokus neu setzen zu können, um nochmal konzentriert in den Ring zu gehen, ist sehr wichtig. Oder sich in schlechten Situationen neu motivieren zu können und die negativen Gedanken rauszunehmen. All das trägt zu deiner Leistung an diesem Tag bei.

Eric Maihöfer beim Leichtathletik-Meeting des VfB Stuttgart im Stadion Festwiese.  Foto: Thomas Kircher

Wie war der Wettkampf für dich, Eric? Es waren schon deine zweiten U23-Europameisterschaften und du hast letztendlich deine Saisonbestleistung gestoßen…

Eric Maihöfer: Genau, 2021 bin ich Fünfter geworden und mein Ziel war es natürlich schon, besser zu sein als damals und wenn möglich eine Medaille zu gewinnen. Ich hatte die Saison über im Freien aber so meine Probleme, deshalb haben wir vor der EM eine kleine Wettkampfpause eingelegt, um nochmal neu zu fokussieren. Das war gut, weil ich kurz danach bei den Deutschen Meisterschaften meine bis dato beste Saisonleistung gestoßen habe. Das hat mir schon sehr viel Aufwind für Espoo gegeben.

In meinem dritten Versuch habe ich dort dann die 19,44 m gestoßen und ich wusste, dass diese Weite sogar für eine Medaille reichen könnte. Aber da kann man natürlich nie sicher sein, vor allem nicht bei so starker Konkurrenz, und so habe ich versucht weiterhin Gas zu geben. Tizian hat dann ja noch einen rausgehauen, aber meine Weite hat letztendlich für Silber gereicht und damit bin ich sehr glücklich.

Das muss schon ein besonderes Erlebnis gewesen sein, zwei Trainingspartner, Vereinskollegen, Freunde gemeinsam auf dem Podest…

Tizian Lauria: Auf jeden Fall. Unsere ganzen Familien waren vor Ort und es war somit noch spezieller, den Erfolg mit allen zu teilen. Als die Nationalhymne lief, wurden wir auch sehr emotional, vor allem weil sie eben für uns beide gespielt wurde. Das war schon ein besonderes Ereignis und echt super cool, dass es für Eric und mich so gut gelaufen ist. Wir hatten im Vorfeld natürlich darüber gesprochen und uns eine Medaille gewünscht. Dass es aber so ein positives Ende nimmt und wir uns diesen Traum tatsächlich erfüllen können, damit hatte niemand gerechnet. Das sind Momente für die Ewigkeit.

Eric Maihöfer: Vor allem herrschte auch eine super Stimmung im Stadion, das jeden Tag zur Abendsession ausverkauft war. Gerade beim Kugelstoß-Finale war die Stimmung extrem gut, wir hatten die Athletentribüne hinter uns und waren umrahmt von Zuschauern. Kugelstoßen war am Ende des Abends dann auch der einzige Wettkampf, der noch lief, und so ist das Publikum bei jedem Stoß voll mitgegangen. Es war echt sehr schön, nach den Pandemie-Jahren wieder ein volles Stadion zu erleben.

Ihr seid beide bei der Polizei. War das schon immer ein Plan von euch, als Leistungssportler zur Polizei zu gehen?

Eric Maihöfer: In Deutschland gibt es nicht so viele Möglichkeiten, neben einer Karriere als Leistungssportler auch noch Geld zu verdienen. Aber es war auch, losgelöst vom Sport, schon immer mein Traum Polizist zu werden. Ich bin bei der Bundespolizei, und mache dort von September bis Weihnachten in Kienbaum meine Ausbildung. Diese wird von normal zweieinhalb auf vier Jahre gestreckt. Die Hälfte des Jahres bin ich komplett freigestellt und kann mich auf meinen Sport konzentrieren. Auch während der Praxiszeit haben wir vormittags Unterricht und Lehrgänge und am Nachmittag genügend Zeit fürs Training. Und wir können nach unserer aktiven Karriere als Polizisten arbeiten und müssen uns keine Gedanken darüber machen, wie wir nach dem Leistungssport Geld verdienen können.

Tizian Lauria: Auch bei mir war es ähnlich, ich wollte als Kind auch schon Polizist werden, habe das auch immer in die Freundesbücher geschrieben (lacht). Ich bin bei der Landespolizei Baden-Württemberg und mache seit Juli 2022 ein Studium. Wir haben auch verschiedene Fördermöglichkeiten und alles ist individuell auf den Sportler angepasst. So kann ich mein Studium strecken, meine Klausuren schieben oder Freistellungen bekommen. Der Vorteil bei der Polizei ist, dass wir ganz normal ausgebildet werden, sodass wir später gut unserem Job als Polizist nachgehen können, aber auch weiterhin die Möglichkeit haben, unseren Sport professionell zu betreiben.

Wie seid ihr zum Kugelstoßen gekommen?

Tizian Lauria: Dadurch, dass ich eine Frühgeburt war, haben die Ärzte gemeint, ich könnte nie richtig Sport machen. Meine Eltern haben sich davon aber nicht abschrecken lassen, und es war ihnen wichtig, dass ich Sport treibe. Ich habe beim Kinderturnen angefangen und auch jahrelang geturnt, bis ich keine Lust mehr hatte und mein Körper auch irgendwie nicht mehr zu dem Sport passte. Dort habe ich aber sehr viel gelernt, gerade was das Körpergefühl und die Drehungen angeht. Danach habe ich mit meinem Vater Leichtathletik gemacht, weil er früher Mehrkämpfer war. Das Erste, was er damals im Auto gefunden hatte, war eine Kugel. Seither bin ich Kugelstoßer (lacht).

Eric Maihöfer: Mein Vater war früher auch sehr erfolgreicher Mehrkämpfer und auch meine Schwester ist Leichtathletin. Es hat eigentlich ganz klassisch in der Kinderleichtathletik angefangen und ich habe viele Jahre Mehrkampf gemacht. Ich war damals schon ein paar Mal die Woche am Olympiastützpunkt Stuttgart zum Kugelstoßtraining bei Peter Salzer. Als sich dann meine Trainingsgruppe in Schwäbisch Gmünd aufgelöst hatte, bekam ich die Möglichkeit, komplett nach Stuttgart zu kommen.

 

Was ist in den kommenden Jahren ein Ziel, auf das ihr hinarbeitet?

Tizian Lauria: Nächstes Jahr sind die Europameisterschaften der Aktiven in Rom, und es ist von uns beiden ein großes Ziel, dort teilnehmen zu können. Wir haben auf jeden Fall das Potenzial, dass wir uns auch im Erwachsenenbereich für internationale Meisterschaften qualifizieren. Das Kugelstoßevent soll dort eventuell sogar im Kolosseum stattfinden, und das wäre dann schon eine krasse Kulisse, die man nur einmal in der Karriere erlebt.

Wie ist der Qualifikations-Prozess für internationale Wettbewerbe in Deutschland?

Tizian Lauria: Normalerweise gibt es einen Nominierungszeitraum, während dem man die vorgegebene Norm stoßen muss. Der Weltverband setzt die Normen aber inzwischen so hoch an, dass sich weniger als 50 Prozent über die Norm qualifizieren und dafür mehr über die Rangliste. Somit muss man bei vielen Wettbewerben teilnehmen und konstante Leistungen zeigen, um in der Rangliste möglichst gut platziert zu sein. Aber man muss trotzdem auch bei den Deutschen Meisterschaften abliefern. Die Nominierung setzt sich dann nämlich aus der Platzierung, deinen Punkten und der erbrachten Leistung, wie z.B. einer gestoßenen Norm, zusammen.