Violetta & Tomas Fainšil: Vizeweltmeister und Weltranglisten-Erste

Violetta und Tomas Fainšil sind eines der besten Tanzpaare der Welt. Im Juli holte das deutsch-litauische Paar, das in der Bundesliga für den TSC Astoria Stuttgart startet, bei der Standard-Weltmeisterschaft in China Silber – ein Erfolg, der die beiden vorübergehend zu Führenden der Weltrangliste machte. Eigentlich wollten Violetta (26) und Tomas (28) dann im August bei den German Open Championships (GOC) in Stuttgart antreten, doch verletzte sich Tomas kurz zuvor im Training. Damit hatte sich auch unser geplantes persönliches Treffen in der Liederhalle erledigt. Stattdessen haben wir uns mit den sympathischen Vizeweltmeistern online getroffen, um mehr über ihren Werdegang als Tanz- und Lebenspartner, ihre sportlichen Ziele und den Profi-Tanzsport generell zu erfahren.

Autor: Ralf Scherlinzky

18. September 2023

Violetta und Tomas, ihr seid aufgrund von Tomas‘ Verletzung gerade zum Zuschauen verdammt. Was ist passiert und in welcher Ecke der Welt erwischen wir euch gerade?

Tomas Fainšil: Ich habe mich im Training am Fuß verletzt. Das ist nichts Schlimmes und wir wollten trotzdem in Stuttgart tanzen, aber letztendlich hat mein Arzt davon abgeraten, weil es sich sonst hätte verschlimmern können.

Violetta Fainšil: Wir sind gerade tatsächlich zuhause in Kaunas, Litauen, in unserer Wohnung. Es ist ganz ungewohnt, dass wir mal länger als drei, vier Tage hier sind. Normalerweise reisen wir ständig in der ganzen Welt herum und kommen nur zwischendurch kurz heim, um die Wäsche zu waschen und die Post zu checken.

Ihr tanzt seit 2017 für Deutschland und geht in der Bundesliga für den TSC Astoria Stuttgart aufs Parkett. Ist Stuttgart inzwischen eure zweite Heimat geworden?

Violetta Fainšil: Ja und nein. Wir sind sehr oft in Stuttgart und Pforzheim und fühlen uns hier auch unheimlich wohl. Unsere Eltern wohnen aber in der Region Köln-Bonn, weshalb wir meist dorthin fahren, wenn wir in Deutschland sind.

 

Violetta und Tomas Fainšil bei dem Weltmeisterschaften.

Fotos: Reinhard Egli, dance-map.com

Wie kommt es dann, dass ihr für den TSV Astoria Stuttgart tanzt?

Tomas Fainšil: Unsere Tanzlehrer haben uns damals vorgeschlagen, dass wir Violettas deutsche Wurzeln nutzen und statt für Litauen künftig für Deutschland starten könnten. Wir haben uns erkundigt, woher in Deutschland die besten Tänzer kommen und welches der beste Club ist, und da fiel die Wahl recht schnell auf den TSC Astoria – zumal wir Stuttgart auch schon von den German Open Championships kannten.

Wenn du schon die GOC erwähnst: Welchen Stellenwert hat das Event für euch als Profis, die auf der ganzen Welt Turniere tanzen?

Violetta Fainšil: Die GOC sind einfach seit langen Jahren das prestigeträchtigste Tanzturnier der Welt. Hier haben schon unsere Tanzlehrer in jungen Jahren getanzt. Wir haben hier als Kinder unsere ersten internationalen Erfahrungen gesammelt, und wenn wir mal Kinder haben, werden diese mit Sicherheit auch hier dabei sein. Die GOC sind ein Fixpunkt im Welt-Jahreskalender. Hier trifft sich seit 35 Jahren die gesamte Tanzszene. Bei Weltmeisterschaften und Grand Slams treten zwar die weltweit besten Paare an, aber dort sind lange nicht alle Paare am Start. Das ist in Stuttgart anders. Hier sind wirklich alle dabei – nur wir haben diesmal gefehlt (lacht).

Wie alt wart ihr, als ihr zum ersten mal bei den GOC dabei wart?

Tomas Fainšil: Ich war ca. 13 Jahre alt und Violetta war 10. Ich erinnere mich, dass das damals ein ziemlicher Kulturschock war. Da waren plötzlich so unglaublich viele Leute! Allein in der Jugend waren 300, 400 Paare am Start und vor lauter Staunen hatte ich bei meinem ersten GOC alles vergessen, was ich gelernt hatte, und war weit davon entfernt, auch nur in Richtung Halbfinale oder gar Finale zu kommen. Aber dennoch war das für mich eine sehr wertvolle Erfahrung. Ich konnte die Besten der Welt live tanzen sehen und habe mich noch mehr in den Tanzsport verliebt.

Violetta Fainšil: Allein die Tatsache, dass man als Kind beim gleichen Event wie die Weltmeister getanzt hat, war ein unglaubliches Erlebnis. Unsere Wettkämpfe waren vormittags um 11 Uhr und wir sind dann bis nachts im Saal gesessen und haben die Darbietungen der Profis regelrecht aufgesaugt.

Violetta und Tomas Fainšil sind nicht nur auf der Tanzfläche ein Paar.  (Foto: privat)

Ihr tanzt seit 2015 zusammen und seid inzwischen auch verheiratet. Was war zuerst da, das Tanzpaar oder das Ehepaar?

Violetta Fainšil: Tatsächlich das Tanzpaar. Tomas war damals auf der Suche nach einer neuen Partnerin. Ich wohnte noch in Moskau und hatte dort einen Partner, weshalb ich Tomas erstmal abgesagt habe. Ein paar Wochen später gab es dann aber Probleme mit meinem Partner, also bin ich doch noch Tomas‘ Ruf gefolgt und nach Litauen umgezogen – obwohl wir uns bis dahin nur über Facebook gekannt hatten. Wir haben unsere Passion für den Tanzsport geteilt und sind sehr schnell beste Freunde geworden. Im Training haben wir uns zwar auch ordentlich gefetzt, da wir beide Perfektionisten sind, aber abseits der Tanzfläche haben wir einfach super harmoniert. Irgendwann sind wir zusammengezogen und vor ein paar Wochen hatten wir jetzt unseren zweiten Hochzeitstag (lacht). Das war einfach Schicksal, dass es so kam.

Was ist euer Erfolgsgeheimnis? Was hebt euch von anderen Paaren ab und macht euch so erfolgreich?

Tomas Fainšil: Wir waren tatsächlich schon von Beginn an zusammen recht erfolgreich und ich denke, das liegt einfach daran, dass wir beide gleich besessen von unserem Sport sind.

Violetta Fainšil: Ein Grund ist auch, dass wir nie einen anderen Lebensplan hatten als Weltmeister zu werden. Die Schule war bei uns beiden meist nur nebenher gelaufen und ich war nicht mal bei meiner Abschlussfeier, weil ich lieber zum Trainingscamp gefahren bin. Mit Freunden weggehen, Geburtstage feiern oder mit der Familie in den Urlaub gehen – das alles hat mich nie interessiert. Ich wollte meine Zeit schon immer zu 100 Prozent ins Tanzen stecken.

Tomas Fainšil: Da hatten wir recht schnell festgestellt, dass wir hier absolut gleich ticken. Andere Paare in unserem Alter haben sich ein Privatleben aufgebaut, haben Freundin oder Freund, studieren, wollen vielleicht Kinder. Wir verbringen dagegen unser Privatleben auf der Tanzfläche. Das ist unser Hobby, das ist unser Leben. Dass wir nicht nur als Zweckgemeinschaft zusammenarbeiten, sondern unsere Passion als Lebenspartner teilen können, ist für uns das Größte. Das ist vermutlich auch das, was uns so erfolgeich macht.

Violetta Fainšil: Als wir auch privat ein Paar wurden, haben viele den Finger gehoben und uns davor gewarnt, dass sich bei einer persönlichen Trennung auch das Tanzpaar Violetta und Tomas trennen würde. Das haben wir abgeschüttelt, denn wir waren schon lange vorher beste Freunde und sind es immer noch. Wir sind Seelenverwandte und das ist es, was uns so stark macht. Das nimmt bei unseren Auftritten auch die Jury wohlwollend wahr.

Ihr habt vom Weltmeistertitel als Ziel gesprochen. 2022 wart ihr Dritte, 2023 jetzt Vizeweltmeister. Was wird 2024 kommen?

Tomas Fainšil: Du weißt nie, was passieren wird. Aber klar, der nächste logische Schritt wäre der WM-Titel. Darauf arbeiten wir hin.

Beim GOC haben wir beobachtet, dass sich die Paare auf der Tanzfläche oft gegenseitig im Weg stehen und teils auch regelrecht aus dem Weg checken. Habt ihr jeweils ein festes Programm oder improvisiert ihr auch, um solchen Situationen aus dem Weg zu gehen?

Violetta Fainšil: Bei der Improvisation trennt sich beim Tanzen die Spreu vom Weizen. Je höher dein Level ist, umso mehr improvisierst du auch situationsbedingt und kehrst danach dann wieder zu deinem Programm zurück. Den guten Paaren merkt man die Improvisation nicht an. Solche Situationen kommen aber hauptsächlich in den ersten Runden vor, wenn unterschiedlich starke Paare aufeinandertreffen. Dort müssen wir mit unserem Weltranglistenranking aber gottseidank nicht mehr antreten. Wir steigen erst später ein.

Was unterscheidet für die Jury ein gutes von einem weniger guten Paar. Oder anders gefragt: Worauf wird bei der Benotung geachtet?

Tomas Fainšil: Also generell wird bewertet, wie gut man sich zur Musik bewegt, wie man die Choreographie präsentiert, wie technisch sauber getanzt wird und wie man als Paar harmoniert. Die Jury achtet aber auch darauf, wie unsere Kleider aussehen, wie die Haare zurecht gemacht sind. Tanzen ist eine Mischung von Sport und Kunst – deshalb fließt auch das Aussehen in die Bewertung ein.

Wie schafft ihr es, so perfekt gestylt zu sein?

Violetta Fainšil: Wir haben uns das Styling von klein auf selbst beigebracht – erst mit der Anleitung von Modezeitschriften, später dann anhand von Youtube-Videos. Inzwischen geht die Tendenz dahin, dass man das schon in jungen Jahren von Haar- und Makeup-Stylisten machen lässt, aber die erfahrenen Tänzerinnen und Tänzer stylen sich selbst. Ich habe inzwischen zwar einen Sponsor für mein Hairstyling, mein Makeup und die Designs für meine Kleider mache ich aber selbst. Tomas lässt dagegen niemanden an seine Haare ran. Er stylt sich immer komplett allein.

A propos Sponsoren: Wie finanziert ihr euren Lebensunterhalt und die bestimmt immensen Reisekosten?

Tomas Fainšil: Es gibt verschiedene Einnahmequellen, die zusammen ein großes Ganzes ergeben. Wir haben Sponsoren, die uns zwar kein Geld geben, die uns aber mit Kleidern, Schuhen etc. versorgen, so dass wir dafür keine Ausgaben haben. Dann geben wir zuhause Tanzunterricht für Kinder, bekommen Preisgelder bei Turnieren und Antrittsgagen für Shows, Vorführungen bei Kongressen etc. Davon lässt es sich gut leben.

Wie lange kann man Hochleistungs-Tanzsport betreiben?

Violetta Fainšil: Da gibt es kein Limit. Am Leistungsfähigsten dürfte man mit ca. 30 Jahren sein, aber es gibt auch Paare, die nach einer Babypause mit Mitte 30 wieder fast genauso stark zurückkehren oder wieder bei den Seniors durchstarten, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Aber davon sind wir noch weit entfernt. Wir werden unsere Karriere noch viele Jahre in vollen Zügen genießen…