Helen Briem aus der Bundesliga-Mannschaft des Stuttgarter Golf-Club Solitude hat den größten Titel ihrer bisherigen, noch jungen Karriere errungen. Bei der R&A Girls Amateur Championship marschierte die gerade 18 Jahre alt gewordene Athletin zunächst souverän durch die Zählspielqualifikation und gewann danach alle Matches. Mit dem Sieg hat sich Helen Briem für den Ping Junior Solheim Cup 2023 qualifiziert, so dass noch ein ganz großes Highlight in diesem Jahr auf die Athletin des SGCS Solitude wartet.
Auftakt
Am ersten Tag des seit 1919 ausgetragenen Turniers in Großbritannien lieferte die Stuttgarterin eine Galavorstellung und zeigte, wie reif ihre Spielanlage schon ist. Helen Briem schaffte es, im Ganton GC allen Gefahren aus dem Weg zu gehen und blieb als einzige der 144 angetretenen Mädchen bogeyfrei. Trotzdem durfte die 17-Jährige auf der Front Nine drei Birdies notieren und brachte auf Loch 13 ihr viertes Birdie unter. Mit 70 Schlägen, vier unter Par, hatte der Bundesadler nur einen Schlag Rückstand auf die beiden Führenden. Entsprechend aufgeräumt war Helen Briem nach ihrem letzten Putt: „Ich habe heute sehr defensiv gespielt. Mir war es wichtig, hohe Nummern zu vermeiden und daher habe ich auf dem Platz, der ja nicht gerade breit ist, versucht, mir über viele Fairway- und Grüntreffer Chancen zu erarbeiten. Ich bin dabei meist eher Mitte Grün gegangen, um nicht der Verlockung zu erliegen, die teilweise schon schweren Pins zu attackieren. Das ist mir auch recht gut gelungen.“
Auch am zweiten Tag lief es für die Jugend-Nationalspielerin bestens. Die Nürtingerin spielt auch in Fulford fast fehlerfrei und kam mit einer 73 (-1) von dem Platz, auf dem Bernhard Langer einst seinen legendären Schlag im Baum kniend aus einer Astgabel auf das Grün machte.
Von Platz sechs ging es in die Matchplays. Erste Gegnerin war Carla de Troia aus Frankreich. Die Französin geriet vom Start weg ins Hintertreffen und fand gegen die zwingende Spielweise der Solituderin kein Mittel, um effektiv dagegen zu halten.
Nach elf gespielten Löchern lag die 18-jährige Deutsche mit 7auf in Führung. „Ich habe dann aber noch etwas probiert und getestet, da wir ja nur eine Proberunde hatten und heute der Wind aus einer komplett anderen Richtung kam. Es war mir wichtig, nochmal die Löcher 13 und 14 zu spielen. An der 14 hab ich dann aber Schluss gemacht. Ich bin auf jeden Fall zufrieden. Ich habe ziemlich gut gespielt, das hat Spaß gemacht. Am Anfang habe ich ähnlich wie im Zählspiel gespielt, aber gegen Ende habe ich versucht zu sehen, was passiert, wenn ich aggressiver spiele“, erklärte die Nummer zehn im World Amateur Golf Ranking.
Zwei Siege am Tag
Am vierten Wettkampftag galt es, zwei Matches zu bestreiten. Am Morgen ging es gegen die Inderin Nishna Patel um den Einzug ins Achtelfinale. Mit 5&3 setzte sich Helen Briem sicher durch und zog glatt ins Achtelfinale ein, wo es ein innerdeutsches Duell gegen die Münchenerin Marie-Agnes Fischer gab. Auch dieses Match endete mit einem klaren 5&4-Sieg für die Schwäbin. Helen Briem war am Abend sehr positiv gestimmt, nachdem sie zweimal auf der Back Nine unwiderstehlich durchgezogen hatte. In beiden Matches ging Loch 1 gegen Birdies nach Chip In verloren. Gegen Nishna Patel lag die Stuttgarterin nach fünf Löchern fünf unter Par, hatte aber nur drei Löcher gewonnen. Ab Loch 9 half dann aber eine Serie von fünf Lochgewinnen, die Fronten zu klären. „Die Front Nine war schon sehr taff, vor allem mental. Wobei man auch sagen muss, dass der auffrischende Wind heute schon wirklich ab und zu echt krass war und auch ein paar sehr schwere Fahnenpositionen dabei waren. Aber auch das habe ich sehr gut gemeistert, zwar mit etwas mehr Fehlern, aber vom Ergebnis trotzdem deutlich unter Par“, war die Solituderin gewohnt selbstkritisch, obwohl nun schon das Viertelfinale erreicht war.
Viertelfinale
Das Viertelfinale hätte es verdient gehabt, das Finale zu sein. Hochklassig und spannend spielten Rocio Tejedo (Spanien) und Helen Briem auf absolutem Top-Niveau. Dabei sah es fast immer sehr gut für die Spielerin aus, die im World Amateur Golf Ranking auf Platz 10 geführt wird, während die spanische Kontrahentin „nur“ auf Platz 31 steht, in diesem Jahr aber Titel für Titel abgeräumt hat, darunter die European Nations Championship und auch die German Girls Open in St. Leon-Rot.
Helen Briem ging in diesem Top-Match früh in Führung und die Spanierin glich aus. Daraufhin ging Briem mit einer Serie von Birdies erneut in Führung, dieses Mal sogar mit 3auf. Doch wieder glich Rocio Tejedo aus. Auf den Löchern 15, 16 und 17 reichte die zweite Birdiesserie des Bundesadlers, um letztlich dieses phantastische Match doch zu gewinnen.
Nach diesem hart erkämpften Sieg war Helen Briem sehr happy: „Das Match gegen Rocio war echt gut. Wir haben beide echt gut gespielt und es waren schwere Bedingungen. Ich lag immer auf und habe auch sehr glatt gespielt. Ich habe sogar noch viele Chancen liegen gelassen, darunter zwei Putts unter zwei Meter Länge. Dafür hab ich an der 16 einen längeren Putt gelocht und an der 17 einen Putt aus eineinhalb Metern zum Birdie versenkt, nachdem Rocio ihren Par Putt aus sieben Metern gelocht hatte. Das war echt sehr ordentlich, was ich da gespielt habe.“
Halbfinale
Im Halbfinale legte Helen Briem gegen Isla McDonald-O’Brien vom Start weg den Turbo ein. Nach fünf Löchern stand es schon 4auf für die Deutsche. Dabei ist die Britin trotz ihrer Position im WAGR in den 800er-Plätzen beileibe kein Fallobst. Im April hatte McDonald-O’Brien die Fairhaven Trophy gewonnen. Die Engländerin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, bis es nach Loch 14 nur noch 1auf für die Spielerin des Stuttgarter GC Solitude stand. Zu diesem Zeitpunkt stand alles wieder auf des Messers Schneide.
Helen Briem zeigte nun aber, warum so viele Spielerinnen so großen Respekt vor ihr haben. Mit einem Eagle auf Loch 15 hieß es wieder 2auf für Briem. Am 16. Loch machte die jüngst 18 Jahre alt gewordene Spielerin einen Doppelbogey, sicherte sich aber auf dem 17. Grün endgültig das Finalticket mit dem zweiten 2&1-Sieg des Tages.
„Im Match gegen Isla lag ich sehr früh hoch in Führung. Dann habe ich ein paar Fehler gemacht, sowohl taktisch als auch schlagtechnisch. Ich habe kaum noch Fairways getroffen und tatsächlich ein paar Bälle verloren. Aber in den entscheidenden Momenten war ich dann wieder präsent und habe dann auch geliefert, wie zum Beispiel mit einem Eagle auf Loch 15. An der 17 hab ich dann ein sehr, sehr gutes und schweres Up-and-down gemacht. Das war sehr, sehr wichtig“, schätzte die Finalistin ihre Leistung sehr analytisch ein.
Finaltag
Erst zum vierten Mal stand eine Deutsche im Finale der „British Girls“. Gewonnen hatte bisher noch keine Spielerin aus Deutschland. Mit Helen Briem ändert sich dies nun. Die Athletin des Junior Team Germany zeigte über die gesamte Woche Tag für Tag fabelhafte Leistungen und drehte im Finale, das auf 36 Löcher angesetzt war, richtig auf.
Nach neun Löchern stand es „erst“ 3auf, nach 18 Löchern schon 9auf. Der erste von überhaupt nur zwei Lochgewinnen gelang der Spanierin Martina Navarro auf Loch 7, als Helen Briem einen Doppelbogey notieren musste. Beim zweiten Lochgewinn für Navarro stand es schon 10auf für das deutsche Ausnahmetalent.
Stilecht mit drei Birdies auf den Löchern 24, 25 und 26 beendete Helen Briem dieses ungleiche Duell und steht fortan als erste Deutsche Siegerin mit einem Rekordergebnis in den Büchern dieser so traditionsreichen Meisterschaft.
Die Siegerin war nach diesem grandiosen Erfolg mehr als zufrieden: „Es war echt cool. Ich lag früh auf und hatte das nötige Selbstvertrauen, vor allem beim Putten. Ich habe innerhalb von zweieinhalb Metern heute alle Putts gelocht und somit auch viele gute Up-and-downs und Zweiputts gemacht. Dadurch hatte Martina nie wirklich eine Chance, weil ich eben heute kaum Fehler gemacht habe. Ich habe auch nur zwei Löcher abgegeben. Das eine war sehr, sehr unglücklich. Das war glaube ich auch der Schlüssel heute. Ich habe ihr kaum das Gefühl gegeben, dass sie eine Chance auf einen Lochgewinn hat. Dann hat sie Fehler gemacht. Das Match mit einem Birdie-Birdie-Birdie-Finish zu beenden, war natürlich schon cool. Wobei die Eagle-Putts auf den Bahnen 6 und 7 noch knapp ausgelippt sind. Es ist trotzdem sehr, sehr cool, das Match so früh zu beenden, zumal dies hier mein letztes Einzelturnier in der Jugend war. Dies dann so zu gewinnen, ist sehr, sehr cool.“
Helen Briem darf sich nun auf Einladungen zur Women’s Amateur Championship, zur US Girls‘ Junior Championship, zur Augusta National Women’s Amateur Championship und als Krönung zum Final Qualifying der AIG Women’s Open freuen.
Vorstand Sport beeindruckt
Marcus Neumann, Vorstand Sport im Deutschen Golf Verband, freute sich über diesen Triumph der Jugend-Nationalspielerin: „Das ist der Höhepunkt ihrer bisherigen, faktisch noch wirklich jungen Laufbahn. Wenn ich an die eine oder andere Turniersituation zurückdenke, in welcher sie schon vor dem Sieg stand und doch den Sack noch nicht zu machen konnte, so fällt mir dazu ein: eine Sportkarriere verläuft nie gradlinig und darf sie eigentlich auch nicht, denn zu viele, zu frühe Erfolge in der Jugend sind meiner Erfahrung nach oftmals am Ende nicht wirklich förderlich. Aber ich würde mich jetzt hier nicht wundern, wenn dieser Erfolg für Helen wie ein Sprungbrett wirkt.“
Ping Junior Solheim Cup
Durch den großen Titel hat sich Helen Briem zum zweiten Mal in Folge für den Ping Junior Solheim Cup qualifiziert. Dieser wird am 18. und 19. September im spanischen La Zagaleta ausgetragen, unmittelbar vor dem Solheim Cup, bei dem sich die besten Profis der USA mit denen aus Europa duellieren.
Helen Briem ist sehr glücklich, das große Saisonziel erreicht zu haben: „Im Junior Solheim Cup zu spielen, ist eine einzigartige Erfahrung. Im Jahr 2021 war ich ein ziemlich junges Mädchen und alles war neu, riesig und überwältigend. Ich bin so froh, dass ich dieses Jahr mit mehr Erfahrung wieder Teil des Teams sein kann. Es wird wieder eine großartige Woche werden.“
Text: Golf-Club Solitude