Conny Schaich – Segelflug-Weltmeisterin vom SC Stuttgart

Conny Schaich ist die beste Segelfliegerin der Welt. Sie ist nicht nur Weltmeisterin bei den Frauen, sondern wurde 2022 auch geschlechter- und klassenübergreifend mit dem Titel „Pilot of the Year“ ausgezeichnet. Wir haben uns mit der gebürtigen Stuttgarterin, die mit ihrem Mann Thomas in Nürtingen lebt und für den Sportflieger-Club Stuttgart startet, ausführlich über die faszinierende Sportart Segelfliegen unterhalten und haben dabei auch das erfahren, was uns schon lange brennend interessiert hat: Was macht ein Segelflieger eigentlich, wenn er in der Luft mal „muss“? 😉

Autor: Lara Auchter

21. Juni 2023

Foto: Georgia Schofield

Wie startet ein junges Mädchen eine Karriere, in der es irgendwann Weltmeisterin wird? Sprich, wie war dein Einstieg ins Segelfliegen?

Conny Schaich: Mein Vater war über 30 Jahre Vorsitzender im Verein. Als Kinder waren wir aber weniger auf dem Flugplatz, weil meine Mama nicht begeistert davon war, mit den anderen Frauen am Boden zu sitzen und auf meinen Vater zu warten, sondern lieber selber aktiv sein wollte. Wir sind viel auf der Alb gewandert. Hin und wieder durfte ich mit meinem Vater mitfliegen, da wurde es mir am Anfang aber immer schlecht, so dass mich das Segelfliegen lange nicht wirklich gereizt hat. Mit 17 Jahren habe ich dann aber doch angefangen, als ich feststellte, dass es tatsächlich noch mehr Jugendliche in meinem Alter gibt, die Segelfliegen. In der Gruppe mit Gleichaltrigen habe ich mich sofort wohlgefühlt. So hat sich das dann alles entwickelt.

Conny Schaich beim Landeflug. Fotos: privat (2)

Später kamen dann die ersten Wettbewerbe. Hast du dort teilgenommen aus Spaß an der Fliegerei oder hattest du von Anfang an Ambitionen und Ziele, die du erreichen wolltest?

Conny Schaich: Natürlich habe ich daran aus Spaß am Segelfliegen teilgenommen. Letztendlich ist es im Wettbewerb nicht anders, als wenn man so zum Spaß fliegt, nur dass irgendwo in der Luft mal eine Start- und Ziellinie ist. Aber in der Luft ist man im Wettbewerb nicht allein unterwegs. Hier fliegen viele Gleichgesinnte zusammen und gleichzeitig gegeneinander die von der Wettbewerbsleitung vorgegebenen Wendepunkte an. Den besten Weg dorthin muss jeder selber finden, also die besten Steigwerte und die Verbindungswege mit dem wenigsten Sinken. Am Abend nach der Landung wird mit den anderen Pilotinnen und Piloten darüber diskutiert, wie die Bedingungen waren und wie es für jeden gelaufen ist. Es gibt eine tolle Gemeinschaft, weil eben jeder tut, was er liebt – Segelfliegen. Wenn ich sonst auf eigene Faust von daheim (Flugplatz Hahnweide) aus starte, bin ich alleine am Himmel…

Hast du schon früh gemerkt, dass du besser bist als andere?

Conny Schaich: In meinen ersten Wettkämpfen waren Neulinge und erfahrene Piloten am Start und ich habe mich immer so im Mittelfeld platziert, also vor den Hobbyfliegern und inmitten der „alten Hasen“. Mein Fluglehrer hat damals schon gemeint, dass ich ein gewisses Talent habe. Ich entscheide in der Luft schon immer sehr intuitiv und nach Gefühl, und bis jetzt hat es so gut wie immer funktioniert. Aber ich hatte auch schon immer Interesse an Meteorologie und den Strömungsvorgängen in der Luft, das hat mir auch viel geholfen. Ich habe ja dann auch Luft- und Raumfahrttechnik studiert…

Wie lange dauern Wettkämpfe im Segelfliegen?

Conny Schaich: Also ein normaler Wettkampf dauert immer eine Woche, deutsche Meisterschaften acht bis zehn Tage und Weltmeisterschaften um die zwei Wochen. Die Wettkämpfe sind immer mehrtägig, damit man so viele Flugtage bekommt wie möglich. Es ist natürlich wetterbedingt nie gewährleistet, ob man an einem Tag tatsächlich fliegen kann. Aber bei diesen Wettbewerben hat man oft keine andere Möglichkeit, als quasi unter Minimalbedingungen zu fliegen – also notfalls auch unter Bedingungen, bei denen man davor niemals gesagt hätte, ich hol meinen Flieger raus und flieg los.

Wie hält man es eigentlich mehrere Stunden in einem Segelflieger aus? Man kann ja nicht mal kurz aufstehen und sich die Beine vertreten, etwas trinken oder zur Toilette gehen…

Conny Schaich: Also wenn man aufs Klo muss, muss man sich natürlich was ausdenken. Die Männer haben es da einfach, die pinkeln halt in eine Tüte. Aber für uns Frauen gibt es auch Möglichkeiten. Man kann auch ganz einfach die Windel nehmen. Beim Trinken benutzen wir eine Trinkflasche und man behilft sich quasi mit allem, was einfach mit einer Hand und ohne Ablenkung zu bedienen ist. Man hält es natürlich keine sechs Stunden aus, ohne etwas zu trinken oder aufs Klo zu gehen. Aber jede Pilotin und jeder Pilot muss das Problem für sich lösen. Jeder legt sich ein eigenes System zurecht.

Und wie geht man mit der Erschöpfung um? Sechs Stunden im Flieger machen einen bestimmt auch müde…

Conny Schaich: Natürlich wird man auch mal müde, aber mit der Erfahrung und dem Training hält man die Spannung länger. Beim Überlandfliegen ist man sehr beschäftigt und bleibt durch Adrenalin wach und aufmerksam. Wenn man doch mal einen Tiefpunkt hat, trinkt man einen Schluck und atmet tief durch, mehr kann man letztendlich im Flieger nicht dagegen machen.

Seid ihr Piloten untereinander in Kontakt, um zum Beispiel bei Wettbewerben Kollisionen zu vermeiden?

Conny Schaich: Wir haben ein Kollisionswarnsystem speziell für Segelflieger. Dort ist ein GPS-Empfänger drin, somit werden die Koordinaten von allen Segelfliegern im Empfangsradius von ein paar Kilometern empfangen und es wird ausgerechnet, ob dieser Flieger auf einen zukommt oder wegfliegt. Sollte die Gefahr einer Kollision drohen und man sieht sein Gegenüber z.B. im Gegenlicht nicht, fängt es rechtzeitig bei beiden an zu piepsen. Dann gilt es zu hoffen, dass man rechtzeitig ausweichen kann (lacht).

Beim Segelfliegen sind Männer und Frauen in getrennten Wettbewerben unterwegs, obwohl das Geschlecht bzw. die körperlichen Unterschiede kein Faktor bei eurem Sport sind. Weshalb gibt es beide Kategorien?

Conny Schaich: Nur rund zehn Prozent der Segelflieger sind Frauen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Frau für die Deutschen Meisterschaften oder internationale Wettbewerbe qualifiziert, ist also sehr gering. Es ist aber auch historisch bedingt. In den 1970er-Jahren haben sich die Frauen zusammengeschlossen und sind gegeneinander angetreten, da sie in der Männerdomäne Segelfliegen nie zur Kenntnis genommen wurden. Auch wollten sie dadurch neue Freundschaften schließen und unter Gleichgesinnten sein. Das war eben nicht möglich, wenn man als einzige Frau bei einem Wettbewerb teilgenommen hat. So sind dann Frauentreffen entstanden, die mit Kaffeetrinken angefangen und sich dann zu Segelflugwettbewerben entwickelt haben. Auch ist der psychische Druck, sich unter Männern beweisen zu müssen und sich womöglich dumme Sprüche anzuhören, wenn man mal nicht gut abliefert, bei einer reinen Frauenmeisterschaft nicht da.

Du bist durch deine Weltmeistertitel ziemlich in den Fokus gerückt. Ist die öffentliche Aufmerksamkeit für das Segelfliegen durch dich nun stärker geworden?

Conny Schaich: Nein, leider nur punktuell nach dem Titelgewinn. Komischerweise hat sich während den Weltmeisterschaften selber kaum jemand von der Presse für das Event interessiert. Erst als ich auch noch als „Pilot of the Year“ ausgezeichnet wurde, kam die Berichterstattung. Diese Ehrung wird seit ein paar Jahren an den punktetechnisch besten Weltmeister eines Jahres verliehen, egal ob Mann oder Frau. Ich wurde quasi als „Weltmeister der Weltmeister“ ausgezeichnet, und das ist schon eine große Ehre. Dies war aber Monate nach der WM und ich fand es eher enttäuschend, wie wenig das Turnier und der Sport selber zuvor zur Kenntnis genommen wurden.

Wenn jemand Segelfliegen lernen möchte, welche Voraussetzungen muss er mitbringen und wo kann er sich melden?

Conny Schaich: Ich freue mich als Fluglehrerin natürlich sehr über neue Flugschülerinnen und Flugschüler. Das Mindestalter für den Flugschein ist 13 Jahre, man kann aber auch mit über 40 noch problemlos das Fliegen lernen und kann es je nach Gesundheit bis über 70 genießen. Anmelden kann man sich über www.sportfliegerclub-stuttgart.de