Diagnose Kreuzbandriss – 9 Monate später: Wie geht´s den Knien heute?
Autor:Ralf Scherlinzky
Kreuzband-Gesprächsrunde 2023 in der Gaststätte des PSV Stuttgart. Foto: Günter Schmid
In SPORT.S-Ausgabe 6 hatten wir in einer Gesprächsrunde mit den Judoka Lea Schmid und Sarah Mehlau (beide JUDO-TOP-TEAM-BAWÜ), der Handballspielerin Lara Eckhardt (Waiblingen Tigers), dem Eishockeyspieler Max Prommersberger (Bietigheim Steelers), dem Kreuzband-Chirurgen Dr. Philipp Mayer (Orthopädische Klinik Markgröningen), den Physiotherapeuten Martin Großmüller (ORTEMA) und Niklas Kern (Olympiastützpunkt Stuttgart) sowie Judo-Landestrainer Mirko Grosche über das Thema Kreuzbandriss diskutiert. Lea (Kreuzband-OP im Juni 2023), Sarah, Lara (beide OP im Juli 2023) und Max (OP im September 2023) hatten über ihre Verletzungen und die physischen und psychischen Ups and Downs berichtet (Beitrag aus Ausgabe 6 siehe QR-Code). Jetzt, neun Monate später, haben wir nachgefragt, wie Reha und Heilungsprozess verlaufen sind und wie es ihnen heute geht. Leider ist nicht überall alles planmäßig verlaufen…
Sarah Mehlau (21, Judo): Comeback Anfang Juli
„Auf diesen 7. Juli 2024 hatte ich eine gefühlte Ewigkeit lang hingearbeitet. Nach eineinhalbjähriger Verletzungspause habe ich beim European Open in Tallinn (Estland) mein Comeback gegeben und konnte dabei sogar gleich die Bronzemedaille gewinnen. Die Zeit seit meinem Kreuzband-Anriss Ende 2022 und dem vollständigen Abriss und der OP war extrem hart, weshalb ich ungeduldig auf mein Comeback hingefiebert habe. Als ich zur Matte gelaufen bin, habe ich einen Mix aus Aufregung und Vorfreude verspürt und mir wurde mit einer dicken Gänsehaut bewusst, dass dies nun der Moment war, auf den ich eineinhalb Jahre gewartet hatte.
Der erste Kampf lief sehr gut und ich habe kein einziges Mal an mein Knie gedacht. In der zweiten Runde habe ich verloren, durfte aber in der Trostrunde noch zweimal ran und um Bronze kämpfen. Der Wille, unbedingt zu gewinnen, das ganze Mindset von vor der Verletzung – sie waren wieder da und ich konnte mir tatsächlich Platz drei sichern. Danach ist sämtliche Last von mir abgefallen und ich bin in Tränen ausgebrochen. Die Medaille, die vier Kämpfe, das Comeback – das hat mir nach dieser schwierigen Zeit so unheimlich viel bedeutet und ich habe gesehen, dass sich jede Einheit in der Reha, jede Träne, die ich während dieser Zeit vergossen habe, absolut gelohnt haben.“
Sarah Mehlau (links) und Lea Schmid beim Trainingslager in Valencia im August 2024.
Foto: JUDO-TOP-TEAM-BAWÜ/Sportfotos24
Lea Schmid (24, Judo): Comeback Ende April
„Nach einem Jahr Verletzungspause habe ich sowohl national als auch international mit Siegen bei der Deutschen Polizei-Meisterschaft und beim European Cup in Pale erfolgreich mein Comeback gegeben. Mitte Februar 2024 konnte ich wieder voll in das Judotraining einsteigen und schrittweise die Intensität steigern. Im April erfolgte dann die Freigabe der Sportmediziner für die Rückkehr zum Wettkampfsport. Und dann, Ende April, kam endlich wieder der Einstieg in das Wettkampfgeschehen.
Der erste Auftritt fand in der Bundesliga statt. Ich konnte bei meinem Comeback gleich doppelt punkten, und das sogar in einer höheren Gewichtsklasse gegen die Deutsche U21-Meisterin. Weiter ging es bei der Deutschen Polizeimeisterschaft, bei der ich den Titel holen konnte. Der erste internationale Einsatz folgte dann kurz darauf beim European Cup in Pale (Bosnien und Herzegowina). Nach einem Freilos in der ersten Runde und zwei Siegen konnte ich mir im Finale mit einem Haltegriff die Goldmedaille sichern. Bei der Polizei-Europameisterschaft im Juni holte ich zudem mit dem Mixed-Team Silber und beim European Open in Tallinn (Estland) wurde ich Dritte. Dass mein Comeback so erfolgreich ausfallen würde, hatte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt.“
Lara Eckhardt (27, Handball):
Erst das Comeback, dann der erneute Kreuzbandriss
Kreuzband-Reha 2.0 bei Lara Eckhardt. Foto: privat
„Die Reha nach meinem Kreuzbandriss war richtig gut verlaufen. Ich hatte keinerlei Probleme und konnte das ganze Programm planmäßig durchziehen. Nach fünf Monaten habe ich mich schon vor den Spielen zusammen mit dem Team warmgelaufen. Danach bin ich ins Wurftraining eingestiegen und nach sieben Monaten durfte ich wieder beim Mannschaftstraining mit Körperkontakt mitmachen. Das hat alles gut geklappt und ich hatte auch keine Angst um mein Knie. Nur den Überzieher, bei dem es damals passiert war, hatte ich mich noch nicht richtig getraut.
Dann durfte ich am 15. März 2024 endlich mein Comeback feiern, und das ausgerechnet beim Derby gegen Nürtingen. Als ich nach 17, 18 Minuten eingewechselt wurde, haben sich alle für mich gefreut. Und schon nach ein paar Minuten konnte ich mein erstes Tor erzielen. Das war ein ganz besonderer Moment für mich und ich lief mit einem breiten Grinsen im Gesicht durch die Halle. Ich durfte rund eine halbe Stunde spielen und wir haben das Derby mit 21:17 gewonnen. Danach gab es noch drei weitere Spiele, und gerade beim dritten davon lief es wieder so richtig gut. In der Woche darauf hätte ich meine letzten beiden Reha-Termine haben sollen, um quasi die Verletzung vollends abzuschließen.
Doch dann kam das Training am Montag, 15. April 2024. Erst ging es eins gegen eins, dann zwei gegen zwei und nach einer Stunde Vollgas auch noch vier gegen vier. Ich bin über die Mitte gekommen, wollte einen Überzieher machen – und dann habe ich wieder diesen lauten Knall gehört und das Knie ist seitlich weggeknickt. Die gleiche Situation, dasselbe Knie wie im Mai 2023. Und dennoch konnte ich auftreten und das Knie fühlte sich stabil an. Sollte ich diesmal Glück gehabt haben? Am Tag darauf wollte ich zum Arzt gehen und das Ganze sicherheitshalber checken lassen. Doch an diesem nächsten Tag ging gar nichts mehr. Das Knie war steif, ich konnte es weder beugen noch strecken. Erst war noch von einem möglichen Anriss die Rede, beim MRT war dann aber klar, dass es wieder gerissen ist. Die Diagnose war extrem schlimm für mich. Ich glaube, ich musste in meinem ganzen Leben noch nie so heulen wie an diesem Tag, und es macht mich auch jetzt noch fertig, wenn ich davon erzähle.
Was mich anfangs am meisten belastet hat, war das Wissen, was alles auf mich zukommt und wie lange sich die Reha wieder hinziehen wird.
Dank des Kontakts zu Dr. Philipp Mayer aus der SPORT.S-Gesprächsrunde habe ich schnell einen OP-Termin in Markgröningen bekommen. Die OP lief gut und ich habe jetzt schon über vier Monate Reha hinter mir. Dadurch, dass mir diesmal ein Stück der Quadrizepssehne zur Kreuzband-Rekonstruktion entnommen wurde, dauert alles etwas länger als beim letzten Mal. Inzwischen darf ich aber immerhin schon wieder leicht joggen.“
Max Prommersberger (36, Eishockey):
Arthrofibrose und erneute OP statt Comeback für die Steelers
„An Eishockeyspielen ist bei mir leider noch eine ganze Weile nicht zu denken. Irgendwie war mein Knie trotz aller Reha-Maßnahmen nicht besser geworden und ich konnte es auch ein Dreivierteljahr nach der Verletzung noch nicht richtig beugen und strecken. Wir haben nochmal ein MRT gemacht, und dabei wurde festgestellt, dass sich eine Arthrofibrose gebildet hat – eine Gewebeansammlung innerhalb des Gelenks, die die Beugung und Streckung des Knies blockiert. Das kommt bei nur ca. einem Prozent der Kreuzband-Operationen vor, und ich bin einer derjenigen, die hier das große Los gezogen haben.
Also wurde ich im Juli 2024 an der Orthopädischen Klinik Markgröningen erneut operiert. Eine Alternative dazu gab es nicht wirklich, denn mir wurde aufgezeigt, dass es ohne die OP nicht besser werden würde. Das Knie wird nie wieder so werden wie vorher, aber alltags- und sporttauglich sollte es doch bitte schon sein. Da ich eine Familie und Kinder habe und eigentlich auch noch eine Weile Eishockeyspielen möchte, habe ich den Eingriff machen lassen.
Max Prommersberger bei der täglichen Behandlung beim Physiotherapeuten.
Foto: privat
Für mich hat dies bedeutet, dass alles wieder von vorne losgehen musste. Die ganze Kraft und alles, was ich nach der Kreuzband-OP monatelang aufgebaut hatte, war wieder weg und ich musste von vorne anfangen. Das war extrem bitter für mich. Da denkt man, man ist auf dem richtigen Weg, und dann kommt so eine Hiobsbotschaft, die einen wieder um ein paar Monate zurückwirft.
Schwer war es für mich in der letzten Saison auch, den Abstieg meiner Bietigheim Steelers aus der DEL2 in die Oberliga miterleben zu müssen, ohne selbst eingreifen zu können. Bei meinem letzten Pflichtspiel hatten wir noch in der DEL gespielt. Und dann sitzt du da draußen auf der Tribüne und musst tatenlos mit ansehen, wie dein Team nach unten durchgereicht wird. Das war schon bitter.“