Diskuswerfer David Wrobel – Comeback nach langer Leidenszeit

David Wrobel hat zwei schwierige Jahre hinter sich: Er verletzte sich ausgerechnet bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio am bereits operierten Ellbogen. Am Tag darauf verstarb sein langjähriger Trainer und Freund Armin Lemme. Im Oktober 2021 wechselte der 32-jährige Diskuswerfer dann nach acht Jahren beim SC Magdeburg wieder zurück in seine Heimat, zu seinem Herzensclub VfB Stuttgart. Es sollte ein Neuanfang werden, doch der Ellbogen machte weiterhin Probleme. 2022 folgte die dritte OP und der Musberger musste auch diese Saison sausen lassen. Jetzt steht der Sportsoldat in den Startlöchern für sein Comeback. In einem offenen Gespräch mit der SPORT.S-Redaktion blickt er nochmal auf die schwierigste Zeit seines Lebens zurück – u.a. um anderen Sportlern zu zeigen, dass es immer einen Weg zurück geben kann, auch wenn die Lage noch so aussichtslos erscheint. 

Autor:Ralf Scherlinzky

21. März 2023
Nicht mehr lange, dann ist David Wrobel wieder im Einsatz. Foto: KJ Peters
David, aus einer kleinen Ellbogen-OP im Jahr 2020 wurde eine lange Leidenszeit mit drei Operationen und langen Pausen…

David Wrobel: Stimmt, ich hatte sehr lange Probleme mit dem rechten Ellbogen. Das war eine schwierige Zeit für mich. Ich hatte zum Teil überhaupt keine Lust mehr auf den Sport oder auf das Training. Mir hat einfach komplett die Motivation gefehlt und ich habe es eine Zeitlang sogar nicht mal mehr ertragen Sportkleidung anzuziehen.

Wie hast du das überwunden?

David Wrobel: Ich habe mir im März 2022 eine Auszeit genommen und bin in die Berge gefahren, um einfach mal abzuschalten. Das hat mir sehr viel Kraft gegeben. Ich saß auf der Zugspitze, habe ein paar Stunden ins Tal geschaut und darüber nachgedacht, ob es sich überhaupt noch lohnt Leistungssport zu machen. Dort habe ich die Motivation dann doch wieder gefunden, auch weil ich realisiert habe, dass ich mit der nationalen Konkurrenz weiterhin mithalten kann. Ich habe auch wieder Hoffnung geschöpft, was meinen Ellbogen angeht, und habe das Glück, mit Joan Montserrat aus Berlin einen Chiropraktiker gefunden zu haben, der meinen Wurfarm wieder hinbekommen hat. Als dann die Schmerzen und Einschränkungen weg waren, kam die volle Motivation von allein zurück.

Die Olympischen Spiele in Tokio 2021 sollten dein Karriere-Highlight werden – ein Plan, der damals nicht in Erfüllung ging…

David Wrobel: Das kann man laut sagen. Es war mega, in Tokio dabei zu sein und ich war stolz darauf, das deutsche Trikot zu tragen. Aber dann trat in der Qualifikationsrunde erneut der Schmerz im Ellbogen auf und ich konnte nicht das abliefern, was ich mir vorgenommen hatte. Am Ende stand ein enttäuschender 22. Platz zu Buche und ich musste das Finale von der Tribüne aus verfolgen. Drei Wochen später wurde ich zum zweiten Mal am Ellbogen operiert.

Damit war es ja noch nicht getan, denn dann verstarb auch noch dein Trainer Armin Lemme. Wie hast du davon erfahren und wie bist du mit dieser Situation umgegangen?

David Wrobel: Herr Lemme war herzkrank und ist genau in der Nacht verstorben, in der ich aus Tokio zurückgeflogen bin. Ich bin morgens gut gelaunt in Frankfurt aus dem Flieger gestiegen und wollte mir vom Coach einen positiven Rüffel abholen. Dann wurde mir am Telefon gesagt, dass er leider verstorben sei. Das war schon ein großer Schock. Die anschließende Heimfahrt von Frankfurt nach Ulm war die schlimmste meines Lebens. Ich habe ihm sehr viel zu verdanken, und er hat mir viel bedeutet, als Trainer, aber auch als Freund.

Dann folgte der Wechsel vom SC Magdeburg zum VfB Stuttgart.

David Wrobel: Ja, das war im Oktober 2021, genau nach dieser beschriebenen Olympiasaison. In Magdeburg hatten sie die Trainingsgruppe aufgelöst und mir wurde auch kein neuer Vertrag angeboten, obwohl ich seit 2012 wieder der erste Magdeburger Diskuswerfer bei Olympia war. Letztendlich hat mich dann der VfB, mein Herzensclub, mit offenen Armen empfangen und ich habe mit Artur Hoppe einen neuen Trainer gefunden. Der VfB hat hier in den letzten Jahren auch die Wurfdisziplinen ausgebaut und wir haben jetzt ein paar Spitzenwerfer, wie Niko Kappel, Jannis Fischer und eben nun auch mich.

Du hast schon erwähnt, dass der VfB dein Herzensclub ist, du hattest ihn aber 2013 in Richtung Magdeburg verlassen. Wie war es damals zu dem Wechsel gekommen?

David Wrobel: Damals hatte meine Trainerin in Stuttgart aufgehört, um ihre Doktorarbeit in Köln zu schreiben. Somit stand ich plötzlich ohne Trainer da. Dann hatte ich auch ein Angebot aus dem Bobsport, habe mich aber doch für Diskus entschieden und geschaut, wohin ich wechseln kann. Berlin und Wattenscheid waren zwei weitere Optionen, aber letztendlich bin ich in Magdeburg hängengeblieben. Insgesamt war ich dort acht Jahre lang und habe meine Bestleistung im Training mit Herrn Lemme um 7,5 Meter gesteigert. Das war damals also der richtige Schritt.

David Wrobel beim Gespräch mit der SPORT.S-Redaktion in der Molly-Schäufele-Halle am Olympiastützpunkt. Fotos: Iris Drobny (2)
 

 

Du hattest ein Angebot vom Bobsport? Wie kam es dazu?

David Wrobel: Ich wurde im Trainingslager in Kienbaum vom ehemaligen Bob-Weltmeister Thomas Florschütz angesprochen. Er hat mich an der Beinpresse erwischt und dachte sich wohl, ich sei vom Körperbau her der perfekte Anschieber (lacht). Damals war ich erst 22, also ziemlich hin und hergerissen, weil ich eigentlich liebend gern Diskuswerfer war und noch viel in meiner Karriere vor hatte. Ich habe das Anschieben dann auch tatsächlich mal ausprobiert und es hat Spaß gemacht, ich habe meine Zukunft aber noch in der Leichtathletik gesehen.

Zurück in Stuttgart wolltest du dann 2022 wieder angreifen…

David Wrobel: Ja, das wollte ich und ich war auch auf einem guten Weg. Der Ellbogen hat sich wieder gut angefühlt, ich habe die ersten Wettkämpfe bestritten und konnte Anfang Juni mit meiner Saisonbestleistung von 63,56 Metern zeigen, dass ich zurück bin. Bei den Finals in Berlin ging dann Ende Juni aber alles wieder von vorne los. Die Schmerzen im Ellbogen waren zurück und ich musste die Saison beenden. Keine WM in den USA, keine EM in München für mich – dafür die dritte OP. Damals habe ich dann gesagt, wenn wir es jetzt nicht in den Griff bekommen, ist es vorbei. Eine vierte Operation mache ich nicht. Gottseidank hat alles geklappt und ich habe jetzt wieder Spaß und kann die Konkurrenz in diesem Jahr nochmal ein bisschen kitzeln (lacht) – natürlich mit dem Ziel Paris 2024.

Hat dich dein Arbeitgeber Bundeswehr als Sportsoldat während deiner langen Verletzungszeit durchgehend unterstützt oder bestand die Gefahr, dass du sie irgendwann verlassen musst?

David Wrobel: Ich hatte Glück, dass die Bundeswehr mich auch weiterhin unterstützt hat. Mir wurde nach den Deutschen Meisterschaften im Juni ein Sabbatjahr gewährt, in dem ich dennoch die vollen Bezüge bekommen habe. Durch die Tätigkeit bei der Bundeswehr durfte ich auch mehrere Trainingslager in Warendorf machen. Dort sitzt auch die medizinische Abteilung und man kann gleichzeitig seine Reha vor Ort absolvieren. Diese Möglichkeit bekommen nicht viele. Auch trifft man dort andere Sportler, genauso wie verwundete Soldaten und Veteranen, die aus Kriegsgebieten zurückkehren. Man kann sich austauschen, hört andere Leidensgeschichten und ist nicht komplett allein. Das motiviert dann auch nochmal unheimlich. Und wenn man sieht, welche schlimmen Schicksale andere bewältigen müssen, macht einen das demütig und man betrachtet die eigenen Probleme nochmal aus einer ganz anderen Warte.