Gehörlosenhandball – Nationalteams suchen Spieler:innen
Autor:Lara Auchter
Auch der Einstieg von Jessica Schön war eher einem Zufall geschuldet. Über einen Instagram-Beitrag der Männer-Nationalmannschaft stieß sie auf die Information, dass eine Frauenmannschaft gegründet werden sollte: „Ich fand das sofort spannend und habe mich gemeldet. Im Oktober hatten wir nun unseren ersten Lehrgang – ein ganz neues Erlebnis.“ Beide spielen normalerweise in hörenden Handballteams, Jessica in der Oberliga, Vincent in der A-Jugend Regionalliga. Dies macht den Wechsel in den Gehörlosenhandball mit seinen speziellen Anforderungen besonders herausfordernd.
Ein zentrales Thema ist die fehlende Möglichkeit zur verbalen Kommunikation auf dem Spielfeld. Im Gehörlosenhandball müssen andere Wege gefunden werden, um sich abzustimmen, Hörhilfen sind nicht gestattet. „Wir arbeiten mit Handzeichen und klar definierten Spielzügen, die wir vorher einstudieren. Das funktioniert im Angriff gut, aber in der Abwehr ist es schwieriger“, erklärt Jan Willner, Co-Trainer der Männer-Nationalmannschaft.
Neues Frauen-Nationalteam
Die Gründung der Gehörlosen-Frauenmannschaft ist noch jung. Die Idee kam 2022 während der Deaflympischen Spiele in Brasilien auf. „Wir haben das Niveau gesehen und uns gedacht, das können wir auch. Es war unfassbar, dass Deutschland bis dahin noch keine Frauenmannschaft hatte“, berichtet Jan Willner.
Mittlerweile konnten ca. 15 Spielerinnen für die Mannschaft gewonnen werden. Jessica war bei ihrem ersten Spiel nicht nur dabei, sie erzielte auch das allererste Tor der Frauen-Nationalmannschaft. Doch der Aufbau der Mannschaft ist mühsam. „Wir haben bislang nur einen Lehrgang gehabt, was das Zusammenspiel erschwert. Hinzu kommen finanzielle Hürden, da die Mannschaft noch nicht im Leistungssportbereich gefördert wird“, weiß die 24-Jährige.
Etabliertes Männer-Team
Die Männer-Nationalmannschaft ist bereits deutlich länger etabliert. Ihr Kader zählt inzwischen 23 Spieler. Doch auch hier gibt es Herausforderungen. Da in Deutschland keine Gehörlosen-Handballvereine existieren, spielen alle Athleten in Hörenden-Mannschaften. Hinzu kommen spezifische Kriterien: Spieler müssen einen Hörverlust von mindestens 55 Dezibel aufweisen, um in der Nationalmannschaft spielen zu dürfen. Dies schränkt die Auswahlmöglichkeiten bei den Herren genauso ein wie bei den Frauen.
Das Herren-Team hat in den letzten Jahren mehr Bekanntheit erlangt, nachdem es bei den Deaflympics, bei der WM 2023 und der EM 2024 jeweils Zweiter geworden ist und erfolgreiche Testspiele gegen hörende Mannschaften bestritt. „Unser bestes Spiel war gegen ein Team aus der Oberliga Hessen Nord, das wir knapp schlagen konnten – das war ein Meilenstein“, erzählt der Co-Trainer.
Gehörlosenhandball ist weit mehr als ein Wettbewerb. Er gibt den Spielerinnen und Spielern eine Gemeinschaft und die Möglichkeit, sich trotz der Herausforderungen des Hörverlusts im Sport zu verwirklichen. „Es ist ein besonderes Gefühl, Teil dieser Mannschaft zu sein“, sagt Jessica Schön. Vincent Uben fügt hinzu: „Wir wollen zeigen, was wir können, und andere inspirieren, sich uns anzuschließen.“
Die Nationalmannschaften suchen weiterhin nach Spielerinnen und Spielern, die in Vereinen aktiv sind und die Herausforderung des Gehörlosenhandballs annehmen möchten. Ebenso hoffen sie auf mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung, sei es durch Sponsoren oder durch eine engere Zusammenarbeit mit dem Deutschen Handball-Bund.
Ausführliche Informationen zum Gehörlosenhandball in Deutschland gibt es unter www.dgsv-handball.de bzw. auf Instagram bei @dgsv_handball.