Hansle Parchment: Jamaikanischer Olympiasieger in Stuttgart

Vor den Olympischen Spielen haben sich Teile der jamaikanischen Leichtathletikmannschaft in Stuttgart auf Paris vorbereitet. Das Vor-Olympische Trainingslager war Teil einer Vereinbarung, die Stuttgart für die kommenden Jahre zum „europäischen Stützpunkt“ des jamaikanischen Teams macht. Während des Aufenthalts der karibischen Gäste wurde zwischen einer Delegation von Landessportverband Baden‐Württemberg und Olympiastützpunkt Stuttgart mit der Jamaica Athletics Administrative Association ein sogenanntes „Memorandum of Understanding“ unterzeichnet, das die Landeshauptstadt für die kommenden Jahre zu deren Basis für die Vorbereitung auf internationale Wettbewerbe in Europa macht.

Künftig soll aber auch ein guter Austausch zwischen den jeweiligen Trainerteams stattfinden, denn während die jamaikanischen Athletinnen und Athleten in den Sprintdisziplinen sehr stark sind, verfügen die Stuttgarter über umfangreiche Erfahrung in den Wurfdisziplinen. Eine WinWin-Situation für beide Sportverbände – was auch Leichtathletikstar Hansle Parchment so sieht. Auch der Hürden-Olympiasieger von Tokio bereitete sich in Stuttgart auf die Spiele vor und berichtet uns im Gespräch über seine Philosophie und die Herangehensweise an seine Wettbewerbe.

Hansle Parchment (Mitte) mit Lara Auchter und Ralf Scherlinzky von der SPORT.S-Redaktion. Foto: SPORT.S
„Normalerweise mache ich mir keine Gedanken über vergangene Wettbewerbe und Zeiten. Es kommt immer allein darauf an, wie man an diesem einen Abend performt. Ich tue, was nötig ist, um meine beste Zeit bei den Olympischen Spielen abzuliefern, und denke normalerweise nicht über meine Leistungen nach, die ich bei früheren Wettbewerben gelaufen bin“, reagiert Hansle Parchment auf die Andeutung, dass er aufgrund seiner im Vorfeld gelaufenen Zeiten nicht zu den Olympia-Favoriten gehöre. „Außerdem bin ich auch in Tokio nicht als Favorit an den Start gegangen und habe dann die beste Leistung der Saison gezeigt und Gold gewonnen. Ich hoffe, dass ich es dieses Mal genauso machen kann, und ich werde mein Bestes geben.“

Doch auch wenn der Olympiasieger von 2021 in Paris als Halbfinal-Dritter ins Finale über die 110 Meter Hürden gestürmt ist – am Ende wurde es nur ein für ihn enttäuschender Rang acht im Finale.

An der Vorbereitung in Stuttgart kann es nicht gelegen haben, dass der 34-Jährige seinen Titel nicht verteidigen konnte, denn Hansle Parchment hatte sich bereits vor der Weltmeisterschaft 2023 in Stuttgart vorbereitet und dann die Silbermedaille gewonnen. „Die Trainingsmöglichkeiten in Stuttgart sind optimal, und durch die perfekte Lage in Europa ist es super, sich hier auf Wettkämpfe vorzubereiten. Ich genieße es, nach einem intensiven Training durch die lebendigen Straßen zu schlendern und die Kultur Stuttgarts zu entdecken. Stuttgart hat eine wunderbare Atmosphäre, die mir hilft, fokussiert und motiviert zu bleiben“, schwärmt der karibische Sprintstar über die Landeshauptstadt.

Inzwischen gehört der Mann aus Saint Thomas längst zu den Routiniers im Feld der Hürdensprinter, weshalb er es auch schaffe, äußere Einflüsse auszublenden. „Ich erinnere mich, dass ich in London 2012 nervöser war als sonst, da ich mit den Emotionen noch nicht umgehen konnte. Jetzt, wo ich die Olympischen Spiele schon mehrfach erlebt habe, kann ich mich besser fokussieren und Dinge, die außerhalb meiner Kontrolle liegen, ausblenden“, so Hansle Parchment.

Deshalb mache es für ihn auch keinen Unterschied, ob das Stadion wie in Tokio 2021 leer ist oder ob eine Stimmung wie 2024 in Paris herrscht: „Es war für mich in Tokio ohne Zuschauer genauso real und hat keinen Unterschied gemacht. Als Athlet bin ich an der Startlinie so fokussiert, dass ich alles andere ausblende, auch das laute Publikum. Selbst als niemand im Stadion war, habe ich dasselbe getan: alles ausgeblendet, mich mental vorbereitet und mich auf das kommende Rennen konzentriert. Erst wenn ich die Ziellinie überquere und das Publikum Alarm macht, bekomme ich etwas davon mit.“

„Erfahrung“, philosophiert der Olympiasieger von 2021 weiter, „hilft dir dabei, andere Dinge beiseite zu schieben und daran zu denken, richtig zu trainieren, sich richtig auszuruhen, sich richtig zu dehnen und sich richtig zu ernähren. Und ich denke, wenn du in deiner Sportkarriere Höhen und Tiefen durchgemacht hast, gelingt es dir, diese Dinge ein bisschen besser zu machen, als wenn du viel jünger wärst und nur Spaß gehabt hättest. Ich habe natürlich immer noch Spaß, bin aber definitiv fokussierter.“
Wir freuen uns schon auf Hansles nächsten Besuch in Stuttgart.