Zum ersten Mal seit geraumer Zeit mussten die Handballer des HC Oppenweiler/Backnang in den Schlusssekunden hart um den Sieg kämpfen. Der 33:32-Erfolg beim abstiegsgefährdeten SV 04 Plauen-Oberlosa bot Spannung pur, weil der Drittliga-Spitzenreiter nach einer deutlichen Führung den Faden verlor. Vielleicht ist es allerdings eine Qualität, solche engen Spiele trotzdem nach Hause zu bringen.

Von Alexander Hornauer

In den Schlusssekunden hielt es die Zuschauer in der Kurt-Helbig-Sporthalle nicht mehr auf ihren Sitzen. Es kam auf den letzten Torwurf an. Der slowenische Rückraumspieler Matevž Kunst versuchte es. Der Ball flog links am HCOB-Tor vorbei. Der 20. Sieg in Serie für den Spitzenreiter war in diesem Moment sicher. Es war – das belegen die Zahlen – eine knappe Angelegenheit, und emotional sowieso. Bei den HCOB-Handballern und ihren Fans war neben Freude auch Erleichterung zu spüren. Die Sachsen hatten dem Spitzenreiter alles abverlangt.

Bei den Anhängern von Oberlosa mischte sich Frust in den Stolz über die gute Leistung. Der Aufsteiger, zuletzt mit neuer Hoffnung im Abstiegskampf und Sieger in Pfullingen, hatte nach Einschätzung vieler Zuschauer seine beste Partie in heimischer Halle gespielt. Die Chance auf die Überraschung war da. Doch nach der Niederlage folgte die Nachricht vom Sieg der SG Pforzheim/Eutingen, Plauens Hauptwettbewerber im Abstiegskampf. Dieser hat nun sieben Punkte Vorsprung. Das ist bei acht ausstehenden Spielen viel, und die Gefahr eines Abstiegs in die Regionalliga Mitteldeutschland ist für den Aufsteiger groß.

Hätten die Sportler aus der Spitzenstadt öfter gespielt wie gegen den Spitzenreiter, stünden sie nun aussichtsreicher im Rennen um den Ligaverbleib. In der Anfangsphase agierten sie zielstrebig und nutzten es geschickt, dass die HCOB-Handballer nicht konzentriert in die Partie gingen. Technische Fehler, Fehlwürfe und Gegentreffer mit zu wenig Gegenwehr wechselten sich ab. Bald lagen die Gäste mit 6:11 im Hintertreffen.

Dann kippte die Partie. Das Team von Trainer Stephan Just gewann Sicherheit durch Ballgewinne, die es in Kontertore ummünzte. Die rechte Angriffsseite mit Jan Forstbauer und Außen Tim Goßner agierte treffsicher. Torwart Levin Stasch war mit guten Paraden zur Stelle. Innerhalb von Minuten verschoben sich die Kräfteverhältnisse. Der HCOB stellte beim 14:14 nach 22 Minuten den Gleichstand her und warf noch in der ersten Halbzeit eine 20:16-Führung heraus – eine sehr starke Phase.

Als die Murrtaler gleich nach Wiederanpfiff drei weitere Treffer nachlegten, wäre das in vielen Begegnungen der vergangenen Wochen die Vorentscheidung gewesen. Doch in Plauen versäumten es die Murrtaler, in einen effektiven Verwaltungsmodus überzugehen. Innerhalb kürzester Zeit ließen sie sich den Vorsprung entreißen. Sie gaben Bälle unkonzentriert aus der Hand und vergaben gute Torchancen.

Oberlosa bewies Kampfgeist, machte in dieser Phase vieles richtig und zauberte einen 10:2-Lauf aufs Parkett – mit der Konsequenz, dass der HCOB nach drei Vierteln des Spiels plötzlich im Hintertreffen lag. Nun war es eine offene Begegnung und in der Halle wurde es zunehmend laut. Die Einheimischen witterten den großen Coup.
Der HC Oppenweiler/Backnang schaffte es allerdings, den Lauf der Einheimischen zu stoppen. Angetrieben von Rückraumspieler Timm Buck holte sich der Spitzenreiter die Führung zurück und gestaltete die Partie wieder von vorne. Das war emotional wichtig. Mehrmals setzte sich der HCOB auf zwei Tore ab, doch eine Drei-Tore-Führung wollte nicht mehr gelingen.

Der SV 04 Plauen-Oberliga blieb dran, und es wurde hektisch. Oberlosas Jakub Kolomaznik sah für ein hartes Einsteigen gegen Elias Newel die rote Karte. Da die Schiedsrichter in derselben Aktion auch ein Stürmerfoul gesehen hatten, gab es Ballbesitz für den SV 04. Das stellte beide Seiten nicht zufrieden. Sekunden später entschieden die Schiedsrichter bei einem Zweikampf auf Schauspielerei gegen Matevž Kunst. Er musste für zwei Minuten vom Feld. Bei einigen Fans der Gastgeber war der Puls nun auf 180. Der HCOB nutzte die 6:4-Überzahl zum 32:30 durch den siebenmaligen Torschützen Tim Goßner.

Entschieden war die Begegnung noch nicht. Auch nicht nach dem 33:31 durch Nick Fröhlich zu Beginn der Schlussminute. Die Gastgeber kamen durch Matevž Kunst umgehend auf ein Tor heran. Dann hatten sie mit dem letzten Angriff die Chance zum Ausgleich. Wieder nahm der achtfache Torschütze Anlauf, aber die Abwehr ließ keine wirklich gute Chance zu. Sein Verzweiflungswurf flog – siehe oben – vorbei. In der gerade noch so lauten Halle war es mucksmäuschenstill. Bitter für Oberlosa, das zum vierten Mal in dieser Saison mit einem Tor Differenz verloren hat. Aus HCOB-Sicht gilt vielleicht: Wer solche Spiele gewinnt, steht am Ende auch oben.

Stimmen zum Spiel
HCOB-Trainer Stephan Just: „Ich habe vor Oberlosa gewarnt, und das ist eingetreten. Wir hatten sehr gute Phasen, aber zu wenige.“
SV-Trainer Ladislav Brykner: „Das war ein tolles Spiel, Lob an meine Mannschaft. Wir müssen das für die nächsten Spiele mitnehmen. Heute ist es aber bitter.“

Rund ums Spiel
Zwei Mannschaften aus der Südstaffel der Dritten Liga erreichen die Aufstiegsrunde zur zweiten Bundesliga. Der HCOB als Tabellenführer (40:2 Punkte) steht nur noch wenige Siege von der rechnerisch sicheren Qualifikation entfernt. Die vor dem Spieltag auf den Rängen drei und vier platzierten Teams, HBW Balingen-Weilstetten II und SV Salamander Kornwestheim, blieben am Wochenende punktlos. Damit haben die Murrtaler – nach Minuspunkten gerechnet – einen Vorsprung von 15 Zählern. Neun Begegnungen sind noch zu absolvieren.