Helen Kevric – EYOF Medaillen zum Abschluss der Juniorenzeit
Sie ist Europameisterin, Vizeweltmeisterin und 13-fache Medaillengewinnerin beim prestigeträchtigen European Youth Olympic Festival (EYOF) – Helen Kevric legte eine Juniorenkarriere hin wie keine Zweite. Nun geht es für die 15-Jährige in den Seniorenbereich, wo sie gleich in ihrem ersten Jahr an ihre Erfolge anknüpfen möchte. Wir haben uns mit dem Ausnahmetalent des MTV Stuttgart getroffen und über ihre vergangenen Erfolge, die Balance zwischen Training und Schule sowie ihre weiteren Ziele gesprochen.
Foto: Filippo Tomasi
Autor: Lara Auchter
Helen Kevric mit ihren Medaillen im Kunst-Turn-Forum Stuttgart.
Foto: Donna Scherlinzky
Helen, 2022 und 2023 waren sehr erfolgreiche Jahre für dich, in denen du große Titel eingefahren hast…
Helen Kevric: Die letzten Jahre waren auf jeden Fall sehr schön, da ich bei den größten Wettkämpfen im Jugendbereich erfolgreich war. Die Medaillen beim EYOF sowie bei der Junioren-EM und -WM waren schon die großen Highlights meiner bisherigen Karriere. Vor allem der Mehrkampftitel bei der Heim-EM in München 2022, als erste Deutsche Juniorin überhaupt, war besonders schön.
Beim EYOF warst du auch zweimal Fahnenträgerin des deutschen Teams. Wie kam das zustande und was bedeutet es dir?
Helen Kevric: 2022 beim European Olympic Youth Festival in der Slowakei habe ich bei der Abschlusszeremonie die deutsche Fahne getragen, da ich dort die erfolgreichste Athletin war. In Slowenien beim EYOF 2023 durfte ich sie gleich bei der Eröffnungszeremonie tragen. Das war schon sehr cool und eine große Ehre, ganz vorne in das große Stadion einzulaufen.
Durch die Erfolge steigt nun auch der Erwartungsdruck. Wie geht man als Teenager damit um?
Helen Kevric: Ein bisschen Druck ist natürlich immer da, aber den mache ich mir auch viel selbst. Deshalb bekomme ich es ganz gut hin, damit fertigzuwerden und den Druck in gute Leistungen umzuwandeln. Vor großen Wettkämpfen bin ich natürlich nervös, aber das ist normal.
Du hast dich bei der EM 2022 und vor ein paar Monaten bei der Junioren-WM verletzt und konntest nicht dein normales Programm turnen. Wie hast du dich dabei gefühlt?
Helen Kevric: Wenn man sich bei Großevents verletzt, ist das natürlich blöd, vor allem wenn man so gut in Form ist und auf jedem Gerät Medaillenchancen hat. Bei der Junioren-WM konnte ich zumindest noch den Stufenbarren turnen und dort eine Silbermedaille gewinnen. Das war immerhin ein kleiner Trost. Ich habe versucht, das schnell abzuhaken und war froh, dass es nichts Schlimmes war.
Du nennst den Boden als dein Lieblingsgerät, bist aber am erfolgreichsten am Stufenbarren. Welches Gerät liegt dir am besten?
Helen Kevric: Also ich würde schon sagen, dass mir alle Geräte liegen und ich überall gleich gut bin (lacht). Aber meine stärksten Geräte zur Zeit sind denke ich der Stufenbarren und der Sprung. Trotzdem macht mir der Boden am meisten Spaß, da man dort einfach durch die Tanz-Elemente auch seine Kreativität ausleben darf.
Mit Marlene Gotthardt hast du eine Konkurrentin im eigenen Team. Ihr kennt euch schon lange und seid gute Freundinnen. Funktioniert diese Freundschaft auch in der Halle?
Helen Kevric: Marlene und ich kennen uns schon seit wir ganz klein sind und wir stammen ursprünglich auch aus dem gleichen Heimatverein, dem TV Nellingen. Wir unterstützen uns immer gegenseitig, und auch bei Wettkämpfen verstehen wir uns super. Es ist schön, nicht immer allein bei den Wettkämpfen unterwegs zu sein, sondern eine Freundin und Teamkollegin dabei zu haben, die einen motiviert und mit der man sich gut versteht.
Du turnst auch für den MTV Stuttgart in der 1. Bundesliga. Welchen Stellenwert hat die Liga für dich und wie ist es, mit den „erwachsenen“ Stars des Deutschen Turner-Bundes im Team zu sein?
Helen Kevric: Die Bundesliga ist ein sehr guter Ausgleich zu internationalen Wettkämpfen. Dort kann man einfach mit dem Team Spaß haben, und das ist etwas ganz Besonderes. Wir versuchen auch immer unseren Titel zu verteidigen. Dies gemeinsam mit den „Großen“ zu tun, ist richtig cool, zumal man natürlich viel lernt und im Training auch Tipps bekommt, die sich aus der Sicht der Turnerin meist von denen vom Trainer unterscheiden. Diese verschiedenen Perspektiven sind immer sehr hilfreich.
Du trainierst über 30 Stunden die Woche. Wie bekommst du Training, Wettkämpfe und Schule unter einen Hut?
Helen Kevric: Als ich mit neun Jahren zum ersten Mal zum Kunst-Turn-Forum kam, war das schon eine Umstellung, auch für meine Eltern. Zuvor musste ich nur wenige Meter zur Turnhalle laufen. Jetzt brauche ich jemanden, der mich zum KTF fährt, dann zur Schule bringt, dort wieder abholt und nochmal nach Stuttgart fährt. Natürlich ist das alles ziemlich anstrengend. Wenn man morgens um kurz nach sechs Uhr aufsteht, vor und nach der Schule trainiert, abends noch Hausaufgaben machen muss und am Wochenende lernt, kann es schon sein, dass ich manchmal keine wirkliche Lust habe. Aber ich kann damit gut umgehen und war schon immer sehr diszipliniert und organisiert.
Beim EYOF 2023 in Maribor gewann Helen Kevric vier Gold- und drei Silbermedaillen.
Foto: Donna Scherlinzky
Was sagen deine Lehrer, Freunde und Klassenkameraden zu deinen Erfolgen?
Helen Kevric: Die unterstützen mich alle sehr und finden es total cool, was ich mache. Meine ganzen Lehrer, Klassenkameraden und auch die Schulleitung waren sogar beim DTB-Pokal dieses Jahr in der Halle dabei. Wenn ich wegen dem Training auch oft später in den Unterricht komme, freuen sich alle, dass ich da bin, und halten mich mit dem Unterrichtsstoff auf dem Laufenden.
2024 wird ein großes Jahr für dich. Es ist dein erstes Jahr bei den Senioren und es stehen sofort die Olympischen Spiele auf dem Plan. Was hast du dir für nächstes Jahr vorgenommen?
Helen Kevric: Also das Ziel ist natürlich eine Teilnahme an den Olympischen Spielen. Ich freue mich auf jeden Fall, nächstes Jahr bei den Seniorinnen starten zu dürfen, und ich versuche, direkt in meinen ersten Wettkämpfen gute und konstante Leistungen zu zeigen, damit ich überhaupt eine Chance habe. Ich werde mein Bestes geben und lasse den Rest auf mich zukommen. Der erste Schritt ist jetzt erstmal, das Schwierigkeitslevel an den einzelnen Geräten zu erhöhen. Damit möchte ich im Januar fertig sein, sodass mein voller Fokus auf der Wettkampfvorbereitung für die DM und auch hoffentlich für die Europameisterschaften Anfang Mai in Neapel liegt.