Hitzige Eishockey-Derbys: Wie nehmen die Spieler die Rivalität wahr?

Bietigheim Steelers, Stuttgart Rebels, Heilbronner Falken – zum ersten Mal überhaupt treffen in dieser Saison in der Eishockey Oberliga Süd alle drei Lokalrivalen aufeinander. Da in der 13 Mannschaften umfassenden Liga jeder viermal gegen jeden spielt, dürfen die drei Teams jeweils gleich acht Derbys bestreiten, sehr zur Freude ihrer Schatzmeister. Derbys sind das Salz in der Suppe für jeden Eishockeyfan. Sie elektrisieren, machen die Hallen voll, sorgen wochenlang für Gesprächsstoff und mitunter fliegen auch gerne mal die Fäuste. Vor allem, wenn sich Steelers und Falken auf dem Eis gegenüberstehen, herrscht bei den Sicherheitskräften allerhöchste Alarmstufe. Nach langen Jahren in den Amateurligen sind seit 2023 auch die Stuttgart Rebels wieder im Profi-Eishockey heimisch geworden, und auch hier keimt inzwischen von Seiten der Ultras in Richtung Bietigheim und Heilbronn eine Stimmung auf, die oft nicht mehr viel mit Freundschaft zu tun hat. Doch wie nehmen eigentlich die Akteure auf dem Eis die Derbys und die aufgeheizte Atmosphäre drumherum wahr? Um dies zu erfahren, haben wir uns in der Bietigheimer EgeTrans Arena mit den Spielern Robin Just (37, Heilbronner Falken), Tim Schüle (34, Bietigheim Steelers) und Jannik Herm (33, Stuttgart Rebels) getroffen.

Autor:Ralf Scherlinzky

11. Dezember 2024

Fotos: Thomas Kircher

Die Fans fiebern wochenlang auf Derbys hin. Wie ist das bei euch Spielern? Lasst ihr euch mit anstecken oder ist so ein Derby auf dem Eis ein Spiel wie jedes andere?

Tim Schüle: Natürlich merkt man, dass ein Derby etwas Besonderes und für viele das Nonplusultra ist. Das war diese Saison vor allem bei unseren bisherigen Spielen mit Bietigheim gegen Heilbronn zu spüren, da die Fans ja aufgrund der unterschiedlichen Ligenzugehörigkeit ein paar Jahre lang kein Derby mehr hatten und die Stimmung ziemlich aufgeheizt war. Für uns Spieler muss es aber dennoch ein Spiel wie jedes andere sein, weil wir sonst den Fokus verlieren.

Robin Just: Von den Emotionen her ist das schon was anderes. Du spürst die Energie auf den Rängen, vor allem beim Warmmachen. Normalerweise herrscht da Totenstille, weil die Leute noch nicht in der Halle sind. Bei den Derbys sind zu diesem Zeitpunkt aber schon 2.000, 3.000 Fans da, die sich gegenseitig pushen. Da merkst du schon auch, wie es in dir zu brodeln beginnt, und du bist sensibler bei allem, was um dich herum passiert. Aber wir alte Hasen haben natürlich schon zig Derbys mit unterschiedlichen Vereinen gespielt – wir wissen, wie wir mit den Emotionen umzugehen haben. Die ganz jungen Spieler müssen das teils erst noch lernen.

Unser Fotograf Thomas Kircher hatte es gerade noch geschafft, den Auslöser zu drücken, da war‘s um die ernsten Gesichter von Robin Just, Tim Schüle und Jannik Herm auch schon wieder geschehen…

Während Bietigheim gegen Heilbronn für die Fans beider Lager die „Mutter aller Derbys“ ist, gelten die Spiele gegen die Stuttgart Rebels momentan noch als das „kleine Derby“, auch wenn es zumindest zwischen Stuttgart und Heilbronn in den 1980er-Jahren schon eine große Rivalität gab.

Jannik Herm: Wir haben noch ein paar ältere Fans, die immer wieder mal von damals berichten, aber die meisten von uns waren da ja noch gar nicht geboren. Für Bietigheim und Heilbronn mögen die Spiele gegen uns vielleicht kleine Derbys sein, für uns und unsere Fans sind die Spiele gegen die beiden aber definitiv etwas Großes. Wir haben mit Stuttgart jahrelang gegen Zweibrücken, Hügelsheim und die zweiten Mannschaften von Bietigheim und Heilbronn gespielt. Da ist es für uns ein Glücksfall, dass die beiden aus der DEL2 abgestiegen sind und sie jetzt unsere Gegner sind. Wenn deren Fans mit dem Zug in Scharen auf die Waldau kommen und unsere kleine Halle aus allen Nähten platzt, dann macht das schon extrem viel Spaß.

Tim Schüle: Wir haben das mit „großem“ und „kleinem“ Derby im November mitbekommen. Da haben wir unser Auswärtsspiel in Stuttgart mit 4:1 gewonnen, aber nach dem Schlusspfiff hat sich alles wieder nur um das Derby in Heilbronn gedreht, das 12 Tage später anstand. Da muss man dann auch mal Grenzen ziehen und sich zumindest mal für ein paar Stunden über den aktuellen Sieg freuen können.

Welche Effekte haben eigentlich die Anfeuerungen von außen generell auf euch Spieler? Wie nehmt ihr das auf dem Eis wahr?

Jannik Herm: Wenn du unter Druck bist und das Spiel steht auf der Kippe, dann können lautstarke Anfeuerungen schon den Unterschied machen. Und wenn du als Torhüter ständig ausgepfiffen oder von hinten angeschrien wirst, dann musst du schon mental stark sein, um dich nicht beeinflussen zu lassen. Und es gibt auch Schiedsrichter, die bei grenzwertigen Aktionen ins Wanken kommen, ob sie jetzt Foul pfeifen oder weiterlaufen lassen sollen, wenn die Halle tobt.

Lässt man sich durch Provokationen von außen auch als Feldspieler beeinflussen?

Tim Schüle: Sagen wirs mal so, es ist Teil unseres Jobs, dass wir unsere Emotionen im Griff haben – denn sonst sitzen wir die ganze Zeit nur auf der Strafbank und das Team muss Unterzahl spielen.

Robin Just: Wenn du dich über die gegnerischen Fans, den Schiedsrichter oder deinen Gegenspieler aufregst, konzentrierst du dich nicht mehr auf deine Aufgaben auf dem Eis und machst Fehler. Deshalb können in Derbys gerade die Emotionen den Unterschied machen – in positiver wie in negativer Richtung. Dennoch freue ich mich als Spieler über die ganzen Einflüsse von außen und den riesigen Lärm, den die Fans machen. Wir alle haben die Corona-Saison ohne Zuschauer miterlebt. Das war schon sehr traurig.

Jannik Herm (Stuttgart Rebels)

Tim Schüle (Bietigheim Steelers)

Tim, du hast ja einige Jahre in der DEL gespielt und hattest unter anderem mit der Düsseldorfer EG das rheinische Derby gegen die Kölner Haie. Wie ist dieses Duell mit Steelers gegen Falken zu vergleichen?

Tim Schüle: Vor 18.000 Zuschauern in der Kölner LanXess Arena ist das natürlich schon etwas ganz Besonderes, das ist kaum noch zu toppen. Aber dadurch, dass du in der DEL viele Spieler aus dem Ausland hast, ist die Leidenschaft auf dem Eis nicht so intensiv, da sie nicht mit dieser Rivalität aufgewachsen sind.

Wie ist das eigentlich, wenn man neu zu einem Verein kommt, bei dem es eine große Rivalität mit einem anderen Club gibt – da fühlt man das Derby ja noch nicht wirklich. Wächst man da rein?

Tim Schüle: In jeder Liga gibt es Derbys. Deshalb gibt es im Profi-Eishockey nur ganz wenige, die noch nie ein Derby gespielt haben. Deshalb weiß auch jeder, welch hohe Bedeutung es hat, gegen einen Lokalrivalen zu spielen. Das geht eigentlich schon in den Jugendmannschaften los. Ich stamme ja aus Bietigheim und auch da war das schon ein Hassderby gegen Heilbronn.

Wirklich? Das geht schon im Nachwuchs los?

Jannik Herm: Klar. Man geht als Kind ja zu den Spielen der Großen und schaut zu ihnen auf. Da bekommt man unweigerlich auch die Rivalität mit und überträgt sie auch auf sein eigenes Spiel.
Robin Just: Als kleiner Heilbronner Eishockeyspieler weißt du, wenn es gegen Bietigheim geht, dann geht es um alles. Das ist das Derby, da musst du gewinnen. Das ist alles natürlich eine Dimension kleiner, aber es tut der Sache keinen Abbruch. Ein Derby ist ein Derby.

Wie ist das eigentlich bei euch selbst, wenn ihr gegeneinander spielt? Ihr kennt euch ja nicht erst seit heute…

Robin Just: Wir sind auf dem Eis 60 Minuten lang Gegner, oder „Feinde“, wenn man im Derby-Jargon bleiben möchte. Da wird um jeden Puck und um jeden Zentimeter Eis gefightet. Danach ist es dann aber auch wieder gut. Wie du sagst, kennen wir uns ja schon lange. Meine Frau ist früher zusammen mit Tim zur Schule gegangen, und deshalb kennen wir uns auch privat schon ewig. Und ich habe ja selbst auch sechs Jahre für die Steelers gespielt und wohne in der Nähe von Bietigheim.

Tim Schüle: Außerdem sind Robin und ich 2021 mit den Steelers von der DEL2 in die DEL aufgestiegen. Wenn man einen solchen Meilenstein zusammen erlebt, verbindet das natürlich extrem.
Jannik Herm: Ich habe zwar nie zusammen mit den beiden gespielt, wir kennen und schätzen uns aber von vielen Spielen gegeneinander.

Dann werfen wir mal noch einen kurzen Blick auf die laufende Saison. Die Bietigheim Steelers stehen an der Tabellenspitze. Für euch soll‘s gleich wieder in die DEL2 hochgehen, oder?

Tim Schüle: Natürlich ist das unser Anspruch, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Wenn alle Spieler gesund bleiben, ist die Chance sicherlich da. Aber in den Playoffs geht es ja dann auch noch gegen die Teams aus der Oberliga Nord. Wenn du in der DEL2 Playoffs spielst, triffst du auf Gegner, gegen die du schon viermal gespielt hast und bei denen du weißt, wie sie ticken. Hier triffst du aber auf komplett neue Gegner, und das macht die Oberliga-Playoffs extrem unvorhersehbar.

Robin Just (Heilbronn Falken)

Die Rebels stehen dagegen wie im letzten Jahr am Tabellenende…

Jannik Herm: Wir haben uns gegenüber der letzten Saison trotzdem enorm verbessert, verschenken aber vor allem kurz vor Schluss noch zu viele Punkte. Das ist ein Lernprozess für unser junges Team, zeigt aber auch, wie enorm im letzten Jahr der Sprung von der Regionalliga zur Oberliga war. Es gibt aber auch dieses Jahr keinen Absteiger, insofern können wir weiterhin in Ruhe daran arbeiten, die Strukturen zu verbessern. Und da sind wir auf einem sehr guten Weg.

Gesprächsrunde im Presseraum der EgeTrans Arena.