Inken Pallas: Skisprung-Expertin aus Stuttgart

Inken Pallas im Sportschau-Interview mit Skispringer Andreas Wellinger. Foto: privat

Inken Pallas gehört zu den bekanntesten Sportjournalistinnen im Wintersportbereich. Seit langen Jahren begleitet der selbst ernannte „Sportfreak“ Athleten hautnah und erzählt im Auftrag von ARD/SWR deren Geschichten. Im Interview spricht die Wahl-Stuttgarterin über ihre Anfänge, als sie von ihrer Heimatstadt Mettmann in die Sportwelt hinauszog, über besondere Momente vor allem im Skispringen sowie über die Herausforderungen, die der moderne Sportjournalismus mit sich bringt.

Autor:Lara Auchter

31. März 2025
Inken, wie wird man Sportreporterin beim Fernsehen? Oder anders gefragt: Wie bist du zum Sportjournalismus gekommen?

Inken Pallas: Ich bin über das Radio eingestiegen. Früher habe ich SWF3 gehört und fand es spannend, wie dort Hintergrundgeschichten erzählt wurden. Dann habe ich nach meinem Journalismus-Studium in Berlin bei meinem Volontariat beim SWR die Sendung „Sport unter der Lupe“ entdeckt – da ging es genau um das, was mich interessiert: Die Geschichten hinter den Sportlern, nicht nur Ergebnisse und Zahlen. Ich wollte verstehen, wer diese Menschen sind, was sie antreibt und wie sie mit Erfolgen und Rückschlägen umgehen. Seitdem hat mich die Sportberichterstattung nicht mehr losgelassen.

Man kennt dich besonders vom Wintersport. Was fasziniert dich daran besonders?

Inken Pallas: Wintersport ist so unglaublich emotional. Viele Athleten kommen aus kleinen Dörfern, wo der Sport alles ist. Diese persönliche Bindung macht es so intensiv. Und dann sind da die unberechenbaren Faktoren: Das Wetter, der Wind, das Material. Skispringen ist ein perfektes Beispiel – ein minimaler Windstoß kann den ganzen Wettkampf verändern. Und dann gibt es diese magischen Momente, wenn ein Athlet über sich hinauswächst.

Inken Pallas ist nicht nur an den Skisprungschanzen zu finden, sondern auch beim Motocross, auf der Pferderennbahn und beim Volleyball. Foto: Jens Körner

Erinnerst du dich an besondere Erlebnisse oder Interviews, besonders im Skisprung?

Inken Pallas: Oh, da gibt es viele! Einer der beeindruckendsten Momente war sicher Andreas Wellingers Olympiasieg 2018. Er war nach dem ersten Durchgang nur Siebter – und dann holt er Gold! Ich habe ihn danach interviewt, und es war einfach unglaublich, wie er selbst noch völlig fassungslos war. Auch das Gespräch mit Sven Hannawald über seinen Burnout war ein sehr intensives Erlebnis. Er hat mir damals offen erzählt, wie schwer es für ihn war, öffentlich über seine Krankheit zu sprechen. Aber genau das sind die Geschichten, die wichtig sind – weil sie zeigen, dass auch Spitzensportler keine Maschinen, sondern Menschen mit Herausforderungen sind.

Welche Herausforderungen gibt es im Sportjournalismus?

Inken Pallas: Nach Niederlagen Interviews zu führen, ist oft schwer. Sportler sind emotional, und dann muss man die richtigen Fragen stellen. Manchmal reicht es, einfach zuzuhören. Besonders bei Olympia gibt es strenge Zeitlimits – wenn ein Athlet einmal durch die Mixed Zone ist, hat man keine zweite Chance auf ein Interview. Das macht es oft stressig. Außerdem hat sich die Medienlandschaft stark verändert. Früher hatte man Zeit für ausführliche Beiträge, heute muss alles schnell gehen. Social Media übt einen enormen Druck auf Journalisten und Sportler aus. Inhalte müssen sofort verfügbar sein – manchmal auf Kosten der Qualität. Man sieht das oft daran, dass viele Berichte einfach Instagram-Posts als Quelle verwenden, ohne nochmal nachzufragen.

Wie ist dein Verhältnis zu den Sportlern?

Inken Pallas: Ich versuche, eine professionelle Distanz zu wahren, aber mit manchen Athleten verbindet mich eine lange Geschichte. Karl Geiger zum Beispiel kenne ich seit Jahren. Wir haben einmal über seine Familie und seinen Heimatort gesprochen, und plötzlich war er nicht mehr nur der Skispringer Karl Geiger, sondern ein ganz normaler Mensch mit Träumen und Sorgen. Solche Momente sind mir besonders wichtig.

Oft kommt es im Wettkampf nicht so, wie man es erwartet, und auch die Berichterstattung muss sich den äußeren Umständen anpassen. Hast du auch schon eine solche Situation erlebt?

Inken Pallas: Definitiv! Bei der Premiere des Skiflug-Spektakels „RAW AIR“ hatte der Wind am Finaltag alles durcheinandergewirbelt. Die Serie fand an vier verschiedenen Standorten in Norwegen statt und mein „Spezie“ Andreas Wellinger mischte vorne mit. Bereits an zwei vorigen Stationen wurden wegen starkem Wind die Wettbewerbe abgebrochen. „Welle“ lag in der Gesamtwertung vor dem allerletzten Sprung ganz vorne, doch im Finale ließ ihn die Jury in einer ganz miesen Windphase runter. Er musste den Sprung abbrechen und eine Notlandung hinlegen – das war Frust pur, auch bei uns Journalisten. Das war ein unfaires „Wir-wollen-schnell-alles-fertig-bekommen“ der Jury, und die Sportler mussten es ausbaden.

Wenn du einen Wunsch für den Sportjournalismus der Zukunft hättest – was wäre das?

Inken Pallas: Mehr Zeit für echte Geschichten! Ich verstehe, dass alles schneller werden muss, aber Sport lebt von Emotionen und Charakteren. Wir müssen den Sportlern den Raum geben, sich zu äußern, statt sie in 30-Sekunden-Statements zu pressen. Das sind Menschen mit unglaublichen Lebenswegen – und die verdienen es, richtig erzählt zu werden.

Inken Pallas bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang. Foto: Ronald Brandl