Julia Hennig: Rettungsschwimmerin für Deutschland

Rettungsschwimmen? Damit assoziieren die meisten die Arbeit von Lebensrettern an Stränden oder in Schwimmbädern. Doch hinter dem Rettungsschwimmen verbirgt sich auch eine hoch anspruchsvolle Sportart mit internationalen Wettbewerben, die physische Stärke und mentale Ausdauer erfordert. Julia Hennig, Mitglied der deutschen Nationalmannschaft im Rettungsschwimmen und Teil des DLRG Bietigheim-Bissingen, ist eine der besten ihres Fachs. Zwischen Training, Jura-Studium und Wettkämpfen hat es die 27-Jährige geschafft, sich in dieser Nischensportart ganz nach oben zu kämpfen. Im Interview spricht sie über ihren besonderen Sport, ihre größten Erfolge und den Balanceakt zwischen dem Leistungssport und ihrer Karriere als Juristin.

Autor:Lara Auchter

11. Dezember 2024
Julia, Rettungsschwimmen ist für viele eine recht unbekannte Sportart. Kannst du uns erklären, was sich dahinter verbirgt?

Julia Hennig: Rettungsschwimmen ist tatsächlich relativ unbekannt, vor allem, weil es keine olympische Disziplin ist. Wir hoffen, dass sich das 2032 in Brisbane vielleicht ändert. Im Rettungsschwimmen unterscheidet man zwischen Pool- und Ocean-Disziplinen. Bei Pool-Wettkämpfen werden Schwimmtechniken mit Rettungsaufgaben kombiniert, während bei den Ocean-Disziplinen Elemente wie Strandläufe, Rettungsbretter oder Kajaks hinzukommen. Bei großen internationalen Wettkämpfen wie Welt- oder Europameisterschaften sammeln die Athleten Punkte in beiden Kategorien, und am Ende wird ein Gesamtsieger ermittelt.

Du hast die beiden Disziplinen angesprochen. Was macht gerade die Pool-Disziplin so besonders?

Julia Hennig: Das Besondere ist, dass wir nicht einfach nur auf Zeit schwimmen, sondern dabei verschiedene Rettungsaufgaben meistern. Eine typische Strecke ist zum Beispiel die 200-Meter-Hindernisstrecke, bei der man unter Netzen hindurch taucht, die eine Welle simulieren sollen. Es gibt auch die Puppen-Disziplinen, bei denen man eine Rettungspuppe aus dem Wasser zieht und ins Ziel schleppt. Besonders anspruchsvoll ist die sogenannte „Super-Lifesaver“-Strecke, bei der geschwommen, getaucht, eine Puppe gerettet und dann mit Flossen und einem Gurtrettungsgerät noch ein weiteres Stück geschwommen wird.

Julia Hennig in Action – bei einer der schwierigen Pool-Disziplinen. 

Foto: Daniel-André Reinelt/DLRG

Das klingt nach einem enormen Kraftakt. Wie oft trainierst du dafür?

Julia Hennig: In intensiven Phasen wie vor einer Weltmeisterschaft bin ich achtmal pro Woche im Wasser und mache dazu zweimal Krafttraining. Das bedeutet, dass ich vier Tage in der Woche zweimal trainiere. Nach meinem Saisonhöhepunkt, der Interclub-WM in Australien, habe ich etwas reduziert und trainiere jetzt „nur“ noch sechsmal pro Woche im Wasser. Eine Einheit dauert etwa zwei Stunden, also ist das schon ein erheblicher Zeitaufwand.

Wie bist du zum Rettungsschwimmen gekommen?

Julia Hennig: Das war eher Zufall. Meine Mutter wollte, dass ich sicher schwimmen lerne, in unserem lokalen Schwimmverein gab es zu dieser Zeit aber keine Gruppe, die mich hätte aufnehmen können. Also hat sie mich bei der DLRG angemeldet. Dort bin ich geblieben und habe mich mit der Zeit in den verschiedenen Gruppen nach oben gearbeitet. Mit acht oder neun Jahren habe ich dann meinen ersten Wettkampf bestritten, und das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich nie mehr damit aufgehört habe.

Inzwischen gehörst du zur Nationalmannschaft. Was sind deine bisher größten Erfolge?

Julia Hennig: Ich bin seit 2015 Mitglied des Bundeskaders und war bei mehreren Europa- und Weltmeisterschaften dabei. In diesem Jahr erreichte ich bei der WM drei Top-Ten-Ergebnisse und schwamm sogar Württembergische Rekorde. Auch bei der diesjährigen EM habe ich eine gute Leistung gezeigt und fünf Medaillen geholt, darunter drei goldene. Jetzt hoffe ich, dass ich es ins Team für die World Games 2025 schaffe – das wäre das Größte, was man in unserem Sport erreichen kann.

Wie lässt sich dein Trainingspensum mit deinem Job vereinbaren?

Julia Hennig: Das ist nicht immer einfach. Ich habe Jura studiert, mein Referendariat gemacht und werde ab Januar in einer Kanzlei in Frankfurt im Bereich Sportrecht arbeiten. Das wird eine neue Herausforderung, aber ich bin es gewohnt, mich gut zu organisieren.

Du trittst für die DLRG Bietigheim an, kommst aber nicht von hier…

Julia Hennig: Genau, ich bin seit dieser Saison dort, nachdem ich viele Jahre in Würzburg geschwommen bin. Ursprünglich komme ich aus Dietenhofen, einem kleinen Ort in der Nähe von Ansbach. Dort habe ich mit dem Rettungsschwimmen angefangen und lange in meinem Heimatverein trainiert. Nach dem Abitur bin ich zum Studium nach Würzburg gezogen und habe dort weiter trainiert. Der Wechsel nach Bietigheim kam zustande, weil ich bei den großen Wettkämpfen oft allein unterwegs war und Teil eines stärkeren Teams sein wollte, gerade für Staffelwettkämpfe. Die DLRG Ortsgruppe Bietigheim-Bissingen bietet außerdem hervorragende Trainingsbedingungen, besonders im Sommer. Es war die richtige Entscheidung, denn vor Wettkämpfen können wir dort gezielt Staffelwechsel und andere Feinheiten trainieren.

Was motiviert dich, diesen intensiven Alltag zwischen Sport und Beruf weiterzuführen?

Julia Hennig: Es ist die Leidenschaft für den Sport. Rettungsschwimmen ist eine Nischensportart, aber ich liebe die Herausforderung und die Abwechslung. Und natürlich die Gemeinschaft – das gemeinsame Ziel und die Möglichkeit, bei großen Wettkämpfen dabei zu sein. Ich möchte diese Zeit so lange wie möglich genießen und das Beste daraus machen.