Kai „The Tunnel“ Gotthardt – Von Esslingen zur WM in den „Ally Pally“

Autor:Lara Auchter
Jahr für Jahr sitzen weltweit Millionen von Menschen um die Weihnachtszeit herum zuhause und verfolgen gebannt die Dart-Weltmeisterschaft im TV oder Livestream. Im legendären Londoner Alexandria Palace, der eigentlich eher unter seinem Spitznamen „Ally Pally“ bekannt ist, geht es auch vom 15. Dezember 2024 bis 3. Januar 2025 wieder um eine halbe Million britische Pfund Preisgeld. Einer der 96 Teilnehmer, die Titelverteidiger Luke Humphries die Krone streitig machen wollen, ist Kai „The Tunnel“ Gotthardt. Der 27-Jährige hat sich mit seinem Sieg in der Super League erstmals für die Weltmeisterschaft qualifiziert und erfüllt sich damit einen lange gehegten Traum. Im Interview mit SPORT.S spricht der Esslinger über seinen Einstieg in den Dartsport, die Herausforderungen des Profidaseins und seine Erwartungen an die WM, in die er am 16. Dezember gegen den Schotten Alan Soutar startet.
Kai, wie fühlt es sich an, sich erstmals für die Weltmeisterschaft qualifiziert zu haben?
Kai Gotthardt: Es ist ein unglaubliches Gefühl. So richtig realisiert habe ich es immer noch nicht. Ich denke, das kommt erst vor Ort. Aber ich freue mich riesig darauf und lasse mich überraschen, wie es wird. Ich habe schon einige Turniere gespielt, aber die WM ist natürlich etwas ganz Besonderes.
Der „Ally Pally“ ist legendär und jedes Jahr Gastgeber der besten Spieler der Welt. Was macht diesen Ort so besonders?
Kai Gotthardt: Ich war noch nie dort, aber alle erzählen immer von der einzigartigen Atmosphäre. Er ist relativ klein, aber sehr laut – die Stimmung soll unglaublich sein. Ich hatte mir immer gesagt, dass ich erst hingehe, wenn ich selbst spiele. Zuschauen war für mich nie so wichtig. Und jetzt geht dieser Wunsch in Erfüllung.
Wie hast du den entscheidenden Moment in der Super League erlebt, als du dich qualifiziert hast?
Kai Gotthardt: Der letzte Wurf war pure Konzentration. Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, dass ich gewinnen könnte, wenn ich treffe. Als der Pfeil drin war, ist auf einen Schlag der ganze Druck abgefallen. Das war ein Moment, den ich nie vergessen werde.

Kai Gotthardt bei der PDC Europe Super League in Hildesheim. Fotos: Felix Höfer/PDC Europe
Wie bist du überhaupt zum Dartsport gekommen?
Kai Gotthardt: Mein Vater hat früher gespielt, und ich bin als Kind oft mitgegangen. Irgendwann habe ich angefangen, zu Hause zu trainieren, jeden Tag ein bisschen mehr. Als ich älter wurde, hat mein Vater mich zu den Deutschen Meisterschaften der Junioren begleitet. Später war ich sogar bei der Junioren-Weltmeisterschaft dabei. Auch wenn ich damals in der ersten Runde ausgeschieden bin, war das der Startschuss für meinen Weg.
Wie sieht dein Training heute aus?
Kai Gotthardt: Ich trainiere täglich zwei bis vier Stunden an der Dartscheibe. Meistens spiele ich allein, manchmal nutze ich ein Online-Programm namens Scolia, mit dem ich gegen andere antreten kann. Zusätzlich arbeite ich mit einem Mentaltrainer zusammen, der mir hilft, in Drucksituationen ruhig zu bleiben. Körperliches Training ist im Dartsport nicht zwingend erforderlich, aber die mentale Stärke ist entscheidend. Außerdem spiele ich so viele Turniere wie möglich, um im Flow zu bleiben.

Autogramme geben – eine ganz neue Erfahrung
Was war für dich dein bislang größter Erfolg als Profi?
Kai Gotthardt: Dieses Jahr habe ich einige der größten Namen der Szene getroffen, unter anderem Michael van Gerwen und Damon Heta. Gegen van Gerwen habe ich verloren, aber gegen Heta, der Weltranglisten-Zehnter ist, konnte ich gewinnen. Das war ein unglaublicher Moment.
Was hast du dir angesichts dieses Erfolgs für die WM vorgenommen?
Kai Gotthardt: Wenn ich mein Spiel konzentriert spiele, ist alles möglich. Mein erster Gegner Alan Soutar ist 50. der Weltrangliste. Ich werde aktuell auf Rang 135 geführt, bin aber überzeugt, dass ich ihn schlagen und in die zweite Runde einziehen kann. Und dann schaue ich step by step.
Was sind deine langfristigen sportlichen Ziele?
Kai Gotthardt: Ein großer Schritt wäre, die Tour Card zu bekommen, die man sich beim Q-School Event im Januar verdienen kann. Sie öffnet die Türen zu den großen Turnieren und bietet die Möglichkeit, sich langfristig unter den besten Spielern der Welt zu etablieren. Auch hier heißt es für mich: Schritt für Schritt. Erst einmal die WM, dann sehen wir weiter.
Wie sieht es mit der finanziellen Seite des Dartsports aus? Kannst du davon leben?
Kai Gotthardt: Ohne die Tour Card zu haben, ist es schwierig – und diese bekomme ich erst, wenn ich in den Top 64 der Weltrangliste bin, das Halbfinale der WM erreicht oder mich über die Q-School qualifiziert habe. Aber ich habe Sponsoren, die mich unterstützen. Ohne sie wäre es kaum möglich, den Sport professionell zu betreiben. Es gibt zwar noch Luft nach oben, was das Sponsoring angeht, aber ich bin mit den Leuten, die mich begleiten, sehr happy.
Wie siehst du die Popularität des Dartsports in Deutschland?
Kai Gotthardt: Der Sport wird immer beliebter, aber viele konzentrieren sich nur auf die Weltmeisterschaft. Dabei gibt es das ganze Jahr über spannende Turniere, die auch im Fernsehen übertragen werden. Ich hoffe, dass wir den Sport in Deutschland weiter voranbringen können.

WM-Ticket gebucht – der Moment des Triumphs
Was möchtest du den Fans mit auf den Weg geben?
Kai Gotthardt: Dart ist ein Sport, der viel Konzentration, Präzision und mentale Stärke erfordert. Es ist toll zu sehen, wie die Begeisterung in Deutschland wächst. Ich freue mich über jeden, der mitfiebert und uns Spieler unterstützt. Für mich gilt: Alles ist möglich, wenn man an sich glaubt.