Karate-DM in Ludwigsburg – Heimspiel für die Karateka der Region
Die Deutschen Meisterschaften der Leistungsklasse und der Parasportler in der Rundsporthalle in Ludwigsburg war für die Karateka der Region Stuttgart ein echtes Heimspiel. Bei dem Stichwort „Karate“ dürften dem Kampfsport-unerprobten Leser gleich die Bilder von Jackie Chan, Bruce Lee, Karate Kid und zerschlagenen Ziegelsteinen durch den Kopf gehen. Dass diese Filmvorstellungen ungefähr so viel mit dem „echten“ Karate zu tun haben, wie mit Ballett tanzen, das wissen wohl die wenigsten.
Autor:Lena Staiger
Anna Miggou im Anzug des deutschen Nationalteams
Foto: privat
Im modernen Sportkarate treten die Athlet:innen in zwei unterschiedlichen Disziplinen, der Kata und dem Kumite an.
In der Disziplin Kata steht der oder die Sportler:in alleine auf der Wettkampfmatte, der sogenannten „Tatami“. Dabei wird eine festgelegte Bewegungsabfolge von Karatetechniken gezeigt, die den Kampf gegen einen imaginären Gegner darstellt. Die Katas wurden von den alten japanischen Meistern entwickelt und festgelegt und werden heute von den Sportler:innen auf dem Wettkampf gezeigt. Die Bewertung erfolgt über Kampfrichter, die verschiedene Kriterien wie die technische und athletische Ausführung mittels Punkten bewerten. Abzüge gibt es beispielsweise für falsch ausgeführte Techniken oder den Verlust des Gleichgewichts. Eine Kata dauert je nach Schwierigkeitsgrad und Komplexität zwei bis ca. dreieinhalb Minuten und in jeder Runde muss eine neue Kata gezeigt werden.
Im Kumite treten zwei Athlet:innen in verschiedenen Gewichtsklassen im direkten Zweikampf gegeneinander an. Diese tragen dabei einige Schützer und kämpfen mit Halbkontakt. Das bedeutet, in der Erwachsenenklasse sind Treffer durch Fausttechniken oder Tritte zum Bauch oder Kopf erlaubt, diese dürfen aber keine Trefferwirkung und Verletzung beim Gegner hervorrufen. Verwarnungen oder Disqualifikationen gibt es beispielsweise für unerlaubte und gefährliche Techniken wie Arm- und Beinhebel oder Schläge auf Gelenke und Hals, zu harten Kontakt oder auch das Simulieren einer Verletzung, um eine Verwarnung des Gegners zu erwirken. Schläge zum Bauch oder Kopf geben einen Punkt, Tritte zum Bauch geben zwei Punkte und Würfe oder Tritte zum Kopf bringen dem oder der Kämpfer:in drei Punkte ein. Der Kampf endet nach drei Minuten oder wenn einer der Karateka mit acht Punkten Vorsprung in Führung liegt.
Foto: Jason Pfingsttag
Mit knapp über 300 Startern waren die Titelkämpfe in Ludwigsburg im April ein Jahreshighlight bei den Sportler:innen. Durch das hochkarätige Starterfeld, unter anderem mit zwei Olympiateilnehmer:innen, wurden den Zuschauer:innen vor Ort spannende Kämpfe und enge Entscheidungen geboten. Der Landesverband Baden-Württemberg platzierte sich dabei mit insgesamt 16 Medaillen, davon fünf im Para-Karate, vor den anderen Bundesländern auf Platz eins des Medaillenspiegels. Dass der Heimvorteil nicht zu unterschätzen war, zeigte der MTV Ludwigsburg unter der Leitung von Landestrainer Köksal Cakir besonders eindrucksvoll und schnitt mit zwei ersten Plätzen, einem zweiten und fünf dritten Plätzen als erfolgreichster Verein des Turniers ab.
SPORT.S-Redakteurin Lena Staiger, selbst Deutsche Meisterin 2021 in der Disziplin Kata, hat vor Ort mit zwei erfolgreichen Athlet:innen der Region über ihre bisherige Karriere und die Erfahrungen bei den Deutschen Meisterschaften in Ludwigsburg gesprochen.
Fabian Straub vom SV Böblingen-Karate 127 ist Mitglied des Perspektivkaders (ehemaliger B-Kader) des Deutschen Karateverbandes und stand zum ersten Mal im nationalen Finale der Disziplin Kata Leistungsklasse. Erst hier musste sich der 22-Jährige gegen den Titelverteidiger aus Berlin geschlagen geben.
Ebenfalls im Perspektivkader, aber in der Disziplin Kumite, ist Anna Miggou vom MTV 1846 Ludwigsburg. Die 24-jährige Maulbronnerin konnte sich nach einer knappen Niederlage im Halbfinale noch den dritten Platz in der Kategorie bis 61 kg über die Trostrunde sichern.
Wann habt ihr angefangen, Karate zu trainieren?
Fabian Straub: Ich habe 2005 im Alter von fünf Jahren angefangen und bin 2008 auf meinem ersten Wettkampf gestartet.
Anna Miggou: Ich habe ebenfalls mit fünf Jahren begonnen. Mein erster Wettkampf war dann ungefähr 2006, 2007, also als ich ca. acht Jahre alt war.
Ihr macht beide unterschiedliche Disziplinen. Was begeistert euch besonders an Kata bzw. am Kumite?
Anna Miggou: Ich finde, Kumite ist eine unglaublich flexible Disziplin. Es ist toll, gegen so viele unterschiedliche Athletinnen zu kämpfen und mir für jeden Kampf eine neue Strategie zu überlegen.
Fabian Straub: Die Kata ist da ein bisschen anders. Hier gefällt mir besonders, dass man so sehr ins Detail gehen muss und jede Technik ganz genau zerlegt und analysiert. Man überlegt sich immer, was man technisch ändern oder verbessern, oder an welchen Stellschrauben man drehen kann, damit das Gesamtbild der Kata besser wird. Das Gefühl, wenn es dann technisch stimmt und alles passt, ist unbezahlbar.
Was waren bisher eure größten Erfolge und mit welcher Zielsetzung seid ihr auf der Deutschen Meisterschaft angetreten?
Anna Miggou: Ich konnte tatsächlich bereits einige internationale Erfahrung sammeln. Nach zwei EM-Titeln und zwei dritten Plätzen im Einzel wurde ich auch im Kumite-Team Europameisterin. Als elf-malige Deutsche Meisterin bin ich natürlich mit dem Ziel angetreten, den Titel erneut zu gewinnen. Dieses Jahr war die Konkurrenz sehr stark und zum Siegen braucht man immer auch ein bisschen Glück. Das hat dieses Mal leider gefehlt. Enttäuscht bin ich trotzdem nicht, denn ich habe mein Bestes gegeben.
Fabian Straub: Bei den Erfolgen kann ich noch nicht ganz mit Anna mithalten (lacht). Ich wurde in der Junioren- und U21-Klasse Deutscher Vizemeister und habe bei der U21 und der DM Leistungsklasse letztes Jahr den dritten Platz geholt. Außerdem wurde ich auf dem Shotokan-Europacup Vierter mit meinem Kata-Team. Mein größter Erfolg war jetzt aber der Vizetitel hier in Ludwigsburg. Damit habe ich mein Ziel für diesen Wettkampf auch erreicht. Nach dem dritten Platz letztes Jahr wollte ich auf jeden Fall wieder auf dem Treppchen landen. Nachdem ich dann ein bisschen Glück mit der Auslosung hatte, stand für mich fest, dass ich es auf jeden Fall bis ins Finale schaffen möchte.
Als du es dann geschafft hast, wie war das für dich? Und war die Enttäuschung über die Niederlage mit 0,8 Punkten Rückstand gegen den amtierenden Deutschen Meister groß?
Fabian Straub: Als klar war, dass ich es tatsächlich ins Finale geschafft habe, habe ich meinen Trainer Thomas Kühn angeschaut und dann wurde es mal kurz ziemlich emotional (lacht). Das musste ich erstmal sacken lassen. Dafür habe ich mich eine Viertelstunde hingesetzt, Musik gehört und etwas gegessen. Danach ging es aber auch gleich mit dem Aufwärmen und Vorbereiten für das Finale los. Ich habe gemerkt, dass ich schon recht kaputt war, aber das Adrenalin hat mich dann wieder gepusht. Mit meiner Leistung in meinem ersten großen Finale bin ich absolut zufrieden und bin deswegen auch nicht enttäuscht über das Ergebnis. Ich habe damit gerechnet, dass mein Gegner aktuell noch stärker ist und ich weiß schon, an was ich bis zur nächsten DM arbeiten möchte.
Wie war das Gefühl für euch, vor heimischer Kulisse zu kämpfen?
Anna Miggou: Da ich in letzter Zeit auf vielen internationalen Turnieren rund um den Globus gestartet bin, war es ein sehr schönes Gefühl zu wissen, dass Freunde und Familie zum Zuschauen und Anfeuern da sind. Das war schon ganz anders als sonst und auch etwas Besonderes für mich.
Fabian Straub: Die Kinder, die ich in Sindelfingen trainiere, waren da und haben lautstark nach jeder Kata gejubelt, das war schon sehr süß. Eigentlich dachte ich, dass es keinen großen Unterschied macht, ob der Wettkampf „vor der Haustüre“ oder auswärts ist, aber ich habe mich dann doch noch wohler gefühlt als sonst. Die heimische Atmosphäre hat mir irgendwie den Druck genommen.
Wie geht es jetzt für euch weiter, was sind die nächsten Ziele?
Anna Miggou: Mein nächster großer Wettkampf ist die EM in der Türkei Ende Mai. Dafür trainiere ich gerade zweimal pro Tag, eine Einheit Fitness und eine Einheit Karate. Mein Ziel ist es, eine Medaille zu holen, und dafür werde ich alles geben.
Fabian Straub: Aktuell plane ich zusammen mit meinem Athletikcoach und meinem Trainer die nächsten Schritte. Dann stehen im Juli die European University Games in Polen auf dem Programm.
Top-10 Platzierungen von Sportler:innen der Region Stuttgart
Kata Einzel Herren Fabian Straub |
2. Platz | SV Böblingen-Karate 127 |
Kata Geistige Behinderung Herren Albert Singer Michael Lesic |
1. Platz 2. Platz |
KC Vaihingen Enz |
Kata Psychische Behinderung Herren Achim Haubennestel |
1. Platz | MTV Ludwigsburg Para Karate |
Kumite Einzel Damen -55 kg Elif Aygün |
9. Platz | MTV 1846 e.V. Ludwigsburg |
Kumite Einzel Damen -61 kg Anna Miggou Lilly Günther |
3. Platz 9. Platz |
MTV 1846 e.V. Ludwigsburg |
Kumite Einzel Herren -60 kg Jan André Henschel Nedjar Fouaz |
5. Platz 5. Platz |
Goju-Ryu-Karate Maulbronn Shotokan Esslingen |
Kumite Einzel Herren -67 kg Tim Steiner Nicolai Volkmer |
1. Platz 7. Platz |
MTV 1846 e.V. Ludwigsburg |
Kumite Einzel Herren -75 kg Felix Peschau |
3. Platz | MTV 1846 e.V. Ludwigsburg |
Kumite Einzel Herren -84 kg Lauryl Azoo Adjibi Laurent Etemi |
3. Platz 3. Platz |
MTV 1846 e.V. Ludwigsburg Shotokan Esslingen |
Kumite Einzel Herren +84 kg Svjatoslav Prokop Felix Duttenhofer Nikolai Sekot Konstantinos Papastergios |
1. Platz 2. Platz 3. Platz 3. Platz |
MTV 1846 e.V. Ludwigsburg |