Katharina Menz – Judo-Vizeweltmeisterin 2022

Seit Oktober 2022 darf sich Katharina Menz Vizeweltmeisterin nennen. Bei den 35. Judo-Weltmeisterschaften in Usbekistan gewann die aus Backnang stammende 32-Jährige die Silbermedaille in der Gewichtsklasse bis 48 Kilogramm und musste sich nur im Finale der Japanerin Natsumi Tsunoda geschlagen geben. Mit der Medaille ließ die siebenmalige deutsche Meisterin gleichzeitig die Stimmen der Zweifler verstummen, die ihr einen Erfolg auf absolutem Topniveau lange Zeit nicht zugetraut hatten. Im Judoraum des Olympia-Stützpunkts Stuttgart stellte sich die sympathische Judoka den Fragen der SPORT.S-Redaktion zur Weltmeisterschaft, einem möglichen Karriereende und ihrer beruflichen Zukunft.

Autor:Nils Arnold

8. Dezember 2022

Fotos: Iris Drobny

Erst einmal Glückwunsch zum Gewinn der Silbermedaille bei der WM in Usbekistan. War der Gewinn der Medaille dein bisheriges Karrierehighlight?
Katharina Menz: Ja, das würde ich schon sagen. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen und der Gewinn der Bronzemedaille in Tokio mit dem Team waren toll, aber Judo ist eigentlich eher eine Einzelsportart, weshalb mich der Gewinn der Einzelmedaille noch etwas glücklicher stimmt.

Bist du mit dem Ziel in den Wettkampf gegangen, dass du eine Medaille gewinnst?
Katharina Menz: Das Ziel war schon eine Medaille zu gewinnen. Das kommt auch immer darauf an, welches Los man bekommt und wie man an dem Tag drauf ist. Ich bin aber am Wettkampftag selbst mit der Intention Gold zu gewinnen auf die Matte gegangen. In Instagram wurde schon vorher ein Bild der Goldmedaille veröffentlicht. Das habe ich mir dann vor dem Wettkampf noch einmal angeschaut und mir gesagt, dass ich diese Medaille heute mitnehmen werde.

Dann ist es aber „nur“ Silber geworden…
Katharina Menz: Am Anfang war ich tatsächlich etwas traurig, dass ich den Kampf um die Goldmedaille verloren hatte. Nach der Niederlage habe ich etwas gebraucht, um mich über die Silbermedaille zu freuen. Jetzt, mit etwas Abstand betrachtet, freue ich mich riesig über den Erfolg.

Wie läuft ein solcher Wettkampf für euch Athleten eigentlich ab?
Katharina Menz: Eigentlich hätte ich fünf Kämpfe gehabt. Da meine erste Gegnerin aber nicht angetreten ist, hatte ich gleich ein Freilos. Alle Kämpfe finden an einem Tag statt. Am Anfang sind die Pausen zwischen den Kämpfen größer, weil noch mehr Kämpferinnen im Rennen sind. Je weiter man den Turnierbaum nach oben klettert, desto näher liegen sie aneinander. Das Finale wird immer auf einen festen Zeitpunkt gelegt. Je nachdem, wie schnell die anderen Kämpfe vorbei sind, fällt die Dauer der Pause vor dem Finalkampf aus.

​Du besuchst für Wettkämpfe immer wieder Länder, in die man sonst vielleicht nicht reisen würde. Guckst du dir die Städte oder Länder an, oder ist man nur für den Sport da?
Katharina Menz: Das kommt auf das Land an. Wir sind drei Tage vor dem Wiegen in Usbekistan gelandet. Man schaut sich schon ein bisschen die Stadt an, wenn man so viel Zeit hat. Aber wir machen kein großes Sightseeing-Programm, weil man auch davon abends platt ist. Bei manchen Zielen bleibt man noch einen oder zwei Tage länger, um dann ein bisschen etwas vom Land sehen zu können.

Wie bekommt man das hin, auf den Punkt genau vorbereitet zu sein, um bei so einem Event seine bestmögliche Leistung zu bringen?
Katharina Menz: Ich hatte eine super Vorbereitung. Wir hatten viele internationale Trainingscamps mit zahlreichen unterschiedlichen Trainingspartnern aus verschiedenen Nationen. Es hat einfach alles gut gepasst. Wir haben uns darauf konzentriert, die Stärken von vielen Gegnerinnen zu kontern und clever zu agieren.

Passt man sich den Gegnerinnen an oder zieht man einfach sein Ding durch?
Katharina Menz: Man passt sich schon an. Ich habe eine Liste auf meinem Handy, in der ich Informationen zu allen, gegen die ich schon gekämpft habe, festgehalten habe. Vor allem in der Eröffnung und im Griffkampf passt man sich dann den Stärken und Schwächen an und versucht, daraus seine Vorteile zu ziehen, um sein eigenes Ding zu machen. Es ist also so eine Mischung aus beidem.

Was ist dein nächstes Ziel?
Katharina Menz: Die Qualifikation für Olympia.

Da stehen die Chancen nach der WM jetzt gut, oder?
Katharina Menz: Ja. Die Qualifikationsphase geht zwei Jahre, hat im Mai 2022 angefangen und läuft bis kurz vor Olympia. Doch auch wenn ich bei der WM viele Punkte gesammelt habe, brauche ich noch weitere Punkte, um in Paris dabei sein zu können.

Die Qualifikation geht über die Weltrangliste?
Katharina Menz: Ja, genau. Die besten 18 der Welt dürfen an den Spielen teilnehmen. Da aus jeder Nation jedoch nur eine Person in einer Gewichtsklasse starten darf, nehmen auch noch Leute teil, die nicht unter den ersten 18 der Welt stehen, weil es Nationen gibt, die mehrere Sportler unter den Top 18 haben. Es ist also wichtig, die Konkurrenz aus dem eigenen Land hinter sich zu lassen, weil auch ein zweiter Platz in der Weltrangliste nicht ausreicht, wenn auf Platz eins eine weitere Deutsche stehen würde.

Ist nach Paris Schluss oder hängst du nochmal vier Jahre dran?
Katharina Menz: 2024 ist wirklich Schluss (lacht). Ich hatte schon nach Tokio überlegt aufzuhören, habe mich aber noch zu verbunden mit dem Sport und dem Leben, was ich dadurch führen kann, gefühlt, um einen Schlussstrich zu ziehen. Meine Mentaltrainerin hat mir in dieser Zeit sehr geholfen. Der deutsche Judobund hat meine Entscheidung weiterzumachen nicht so unterstützt, wie ich es mir gewünscht hätte. Durch sie habe ich gelernt, das alles nicht so an mich ranzulassen und mich mental davon nicht treffen zu lassen.

Hast du schon einen Plan, was du nach der sportlichen Karriere machen möchtest?
Katharina Menz: Ich arbeite seit März 2022 20 Stunden in der Woche beim Heinrich Kipp Werk in Sulz am Neckar in einem Traineeprogramm, wodurch ich Einblicke in verschiedene Abteilungen und Sparten des Unternehmens bekomme. In dem Bereich könnte ich mir vorstellen, auch nach der sportlichen Karriere zu arbeiten.

Gefällt dir der Job?
Katharina Menz: Ja, es macht sehr viel Spaß. Ich bekomme viele verschiedene Einblicke in das Unternehmen und die Kollegen haben mich wirklich super aufgenommen. Sie interessieren sich total für meine sportlichen Erfolge, fragen immer, wie die Wettkämpfe gelaufen sind und informieren sich mittlerweile schon selber. Es ist echt wichtig, dass die Kollegen damit einverstanden sind und akzeptieren, dass ich immer zu Wettkämpfen und Lehrgängen freigestellt werde und da kein Neid aufkommt.

Was hast du vorher gemacht?
Katharina Menz: Ich bin zunächst in Stuttgart auf die Schule gegangen, habe dann an der FH in Esslingen Mechatronik und Elektrotechnik studiert und daraufhin in Stuttgart meinen Master angefangen. Nebenbei war ich sechs oder sieben Jahre bei Daimler als Werksstudentin tätig.

Klingt so, als ob du schon seit der Jugend einen eng getakteten Kalender hattest..
Katharina Menz: Ja, auf jeden Fall. Da gab es wenig Zeit für Privatleben und Freizeit.

Du bist nicht wie viele andere Sportler bei der Bundeswehr oder der Bundespolizei gewesen und hast deshalb vom Staat kein festes Einkommen erhalten. Wie schwer war oder ist es dann mit der Finanzierung?
Katharina Menz: Es ist schon nicht so einfach. Ich habe zum Glück immer etwas von der Sporthilfe bekommen, habe aber nebenbei immer noch gearbeitet, um genug Geld zu haben. Das „Judo-Top-Team Baden-Württemberg“ hat mir zudem unter die Arme gegriffen und mir den Rücken freigehalten.

Du kommst ursprünglich aus Backnang. Bist du dort noch häufig?
Katharina Menz: Seit der Pandemie leider nur noch sehr selten. Von der Arbeit würde ich dahin aber auch ewig brauchen. Ich trainiere meist in Sindelfingen oder hier am Olympiastützpunkt in Stuttgart. Sindelfingen ist der Außenstützpunkt des OSP für den Judosport und da ist auch unser großes Dojo, wo ich die meisten Judoeinheiten mache. In Stuttgart bin ich ca. zweimal in der Woche vor allem fürs Krafttraining, weil der Kraftraum hier super ist. Dazu kommen noch Technikeinheiten, die ich hier öfter mal mache.

Wie lange trainierst du schon am Olympia-Stützpunkt?
Katharina Menz: Ich bin schon im Jugendalter immer nach Sindelfingen gefahren. Damals noch von der Schule aus. Da war ich 15 oder 16 Jahre alt. 2012 bin ich dann dorthin gezogen. Also wohne ich jetzt schon zehn Jahre in Sindelfingen.

Stützpunkttrainer Mirko Grosche über Katharina Menz

„Ihren Erfolg möglich gemacht haben vor allem ihre Beharrlichkeit, ihr Fleiß, sowie ihre Konsequenz in Training und Wettkampf. Man sollte erwähnen, dass das der größte Erfolg ist, den eine deutsche Judoka in ihrer Gewichtsklasse jemals bei einer WM gefeiert hat.

Viele im Umfeld des deutschen Judobunds haben es ihr nicht zugetraut, einen Erfolg in der Weltspitze zu feiern, und das hat sie immer wieder zu spüren bekommen. Diesen Zweiflern hat Katha nun gezeigt, dass sie auch auf diesem Niveau erfolgreich sein kann. Ich glaube, das hat sie nochmal etwas angespornt.

Wichtig zu nennen ist die mentale Stärke, die sie während des kompletten Wettkampfs gezeigt hat. Sie hat bis zum Finale keinen einzigen Fehler gemacht und ihre komplette Erfahrung genutzt, um die Kämpfe zu gewinnen. Das schafft man nur ganz selten.“