Kim Bui: Wahlkampf in Paris – Neues Mitglied der IOC-Athletenkommission
Nach dem Ende ihrer aktiven Sportlerinnenkarriere hat die „Karriere danach“ für Kim Bui gewaltig an Fahrt aufgenommen. Die ehemalige Turnerin ist seither als selbständige Autorin, Speakerin, Coach, Moderatorin und Turnexpertin bundesweit gefragter Gast bei verschiedensten Events. Jetzt kommt für die Stuttgarterin noch eine weitere Aufgabe hinzu: In Paris wurde sie in die Athletenkommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gewählt. Trotz ihres straffen Zeitplans hat die 35-Jährige die Zeit gefunden, um uns von ihrer Wahl und ihrem neuen „Job“ zu berichten – an einem Sonntagmorgen im Zug von Frankfurt nach Dresden sitzend 🙂
Autor:Ralf Scherlinzky
Gratulation zur Wahl in die Athletenkommission des IOC, Kim. Wie kommst du zu der Ehre?
Kim Bui: Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hatte mich 2023 gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die Interessen der Athleten im IOC zu vertreten. Ich habe zwar aus meiner aktiven Zeit gewusst, dass es die Kommission gibt, hatte aber nie direkte Berührungspunkte. Deshalb konnte ich mir zuerst nicht viel darunter vorstellen, weshalb ich mehrmals mit der ehemaligen Fechterin Britta Heidemann telefoniert habe, die das Amt vorher innehatte. Britta hat mir erstmal erklärt, dass ich nicht die Vertreterin Deutschlands, sondern für Athletinnen und Athleten aus der ganzen Welt zuständig wäre. Ich habe lange überlegt, ob ich die Verantwortung wirklich übernehmen möchte, denn es ist ja zum einen ein Ehrenamt, und zum anderen verpflichte ich mich gleich für acht Jahre. Am Ende habe ich voller Überzeugung ja zur Kandidatur gesagt.
Wie hat sich dann der Weg von der Kandidatur bis zur Wahl gestaltet?
Kim Bui: Das war ein sehr anstrengendes Jahr von der offiziellen Kandidatur am 31. August 2023 bis zu meiner Wahl am 8. August 2024. Nur zu kandidieren, hätte mir nicht gereicht. Ich wollte natürlich auch gewählt werden und habe mich entsprechend ins Zeug gelegt. Ich habe schon in den letzten Monaten bei verschiedenen Veranstaltungen Präsenz gezeigt, damit man mich zumindest schon mal gesehen hat. Und dann kam natürlich Paris. Ich weiß jetzt, was aktiver Wahlkampf bedeutet.
Inwiefern? Wie hat dein Wahlkampf ausgesehen?
Kim Bui: Nun, es war ja so, dass alle 10.500 teilnehmenden Athletinnen und Athleten stimmberechtigt waren. Und ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, möglichst viele von ihnen anzusprechen, um ihre Stimmen für mich zu gewinnen. Ich hatte mir im Vorfeld überlegt, wo ich am besten mit ihnen Kontakt aufnehmen kann, und habe mich für die Mensa entschieden, da dort jeder zum Essen hingehen musste. Dort bin ich dann jeden Tag 12 bis 14 Stunden gestanden, um für mich zu werben – genauso wie ein paar weitere Kandidaten.
Kim Bui beim Wahlkampf in Paris. Foto: privat
Wie bist du dabei vorgegangen?
Kim Bui: Ich habe wirklich jeden angesprochen, der an mir vorbeigegangen ist, habe ihn gefragt, ob er schon gewählt hat und habe ihm meine Profilseite im Wahlhandbuch unter die Nase gehalten. Ich bin ja eigentlich ein sehr kommunikativer Mensch, aber es ist mir in den ersten drei Tagen tatsächlich extrem schwergefallen und hat viel Überwindung gekostet, Tausende von Menschen anzusprechen und jedem das gleiche zu erzählen, um möglichst viele davon zu überzeugen, mir ihre Stimme zu geben. Aber ich wusste, wofür ich es mache, und am Ende war meine Mission ja dann auch erfolgreich.
Hast du dann überhaupt etwas von den Wettkämpfen mitbekommen?
Kim Bui: Leider nicht viel. Ich war zum Teil beim Turnen, einmal im großen Stadion bei den Leichtathleten und einmal beim Beachvolleyball. Aber jedesmal hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich wusste, dass meine Mitbewerber parallel weiter Werbung für sich machen, während ich untätig bin.
Am Ende hattest du bei deinem Wahlkampf alles richtig gemacht…
Kim Bui: Ja, und das Ergebnis war für mich eine absolute Überraschung. Ich hatte tatsächlich mit 1.721 Stimmen das zweitbeste Ergebnis aller Kandidaten und war die Einzige der fünf, sechs Leute, die im Olympischen Dorf Wahlkampf betrieben haben, die gewählt wurde. Als das Ergebnis verkündet wurde, bin ich nur noch in Tränen ausgebrochen – da ist der ganze Stress auf einmal abgefallen.
Und wie sehen dann jetzt deine Aufgaben aus?
Kim Bui: Ich habe jetzt den ersten Monat von insgesamt acht Jahren hinter mir und bin noch dabei, mich zu sortieren – denn ich bin nicht nur in der 23-köpfigen Athletenkommission, sondern auch Mitglied des IOC und des DOSB-Präsidiums. Auf www.olympics.com/athlete365 sieht man recht gut, was wir für die Athleten tun können. Konkrete Aufgaben werden erst noch kommen, wenn die ersten Meetings stattgefunden haben. Ich freue mich in jedem Fall darauf.