Klimaschutz im Sport – Kleine Schritte mit großer Wirkung
Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung die Klimaschutzvorgaben verschärft und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Bereits bis 2030 sollen die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Damit wir diese Ziele auch nur annähernd erreichen können, müssen in allen Bereichen entsprechende Maßnahmen ergriffen und umgesetzt werden. Doch wie kann eigentlich der Sport zur Klimaneutralität beitragen? Dieser Frage sind wir nachgegangen und haben uns bei verschiedenen Playern des Stuttgarter Sports umgehört.
Autor:Ralf Scherlinzky
Grafische Übersicht über die klimaneutrale Konzeption des Sportbads NeckarPark (© Stuttgarter Bäder)
Nein, der Stuttgarter Sport gehört natürlich nicht zu den großen Klimakillern der Welt und die Maßnahmen, die er für die Reduzierung seines „CO2-Fußabdrucks“ treffen kann, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Doch gerade in Zeiten der Energieknappheit ist das in der Vergangenheit oft abstrakte Thema quasi von einem Tag auf den anderen ganz konkret geworden, zumal sich Energieeinsparungen inzwischen doch auch merklich positiv auf das eigene Konto auswirken.
„Viele Vereine haben bereits kleinere Maßnahmen umgesetzt, wie zum Beispiel die Umrüstung auf energieeffiziente LED-Beleuchtung, die von verschiedenen Seiten gefördert wird“, weiß Daniela Klein, Leiterin des Amts für Sport und Bewegung der Stadt Stuttgart. „Schwieriger wird es dann meist, wenn es um die energetische Sanierung von Vereinsanlagen geht. Dafür bieten wir den Vereinen die Möglichkeit, eine Beratung in der Energiezentrale in Anspruch zu nehmen. Dort werden Maßnahmenpakete entwickelt, die die Grundlage für das jeweilige Sanierungskonzept legen. Möchte ein Verein eine konkrete Sanierung durchführen, stellt er uns sein Konzept vor und wir schauen gemeinsam, wie wir die Sanierung fördern können.Im Moment liegt der Prozentsatz für energetische Sanierungen bei 40 Prozent. Auch der Württembergische Landessportbund (WLSB) unterstützt entsprechend, so dass der Verein am Ende nur noch etwas weniger als die Hälfte der Kosten selbst tragen muss.“
Lange bevor das Thema Energieknappheit aktuell wurde, hatte der TV Cannstatt mit der nachhaltigen Planung des „Ballparks“ für seine Baseball-Abteilung ein Zeichen gesetzt. Das Stadion, das im Frühjahr 2023 eröffnet werden soll, und seine angeschlossenen Gebäude verzichten für Heizung und Lüftung, dank einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, komplett auf fossile Brennstoffe. Für die Mauern verwendete man recyceltes Baumaterial, wie zum Beispiel gebrochenen Beton und aufbereiteten Bauschutt. Das Gebäude bekommt eine energieeffiziente und wärmespeichernde Holzverkleidung. Dazu hat der TVC eine Zisterne gebaut, in der Regenwasser gesammelt wird, das man für die Bewässerung der Rasenflächen verwendet. Für die Beleuchtung der Räumlichkeiten und das Stadion-Flutlicht werden LEDs verwendet. Dazu nutzt der Verein den Ökostrom der Stadtwerke Stuttgart. „Das alles macht den Ballpark des TV Cannstatt zu einem Vorzeigebeispiel“, so Daniela Klein.
Stadt Stuttgart selbst mit dem im September eröffneten Sportbad NeckarPark (siehe Skizze links). In das Quartier NeckarPark integriert, nutzt das Sportbad die nachhaltige Infrastruktur seiner Umgebung. Dort werden Heizwärme und Warmwasser zum Teil aus dem Abwasserkanal des Quartiers gewonnen, dessen durchschnittliche Temperatur von 12 Grad im Winter deutlich höher ist als die Außentemperatur. Straßen und Wege um das Bad herum wurden mit einem wasserdurchlässigen Spezialbelag gepflastert, damit Regenwasser kontrolliert in der Erde versickert bzw. überschüssiges Wasser in einem Rückhaltebecken gesammelt werden kann.
Das vom Dach abgeleitete Regenwasser wird als Betriebswasser für das Sportbad genutzt. Zudem wurde die Photovoltaikanlage auf dem Dach auf die maximale Ausbaustufe erweitert. Damit wird genügend Energie erzeugt, um sowohl die LED-Beleuchtung im ganzen Bad zu betreiben als auch zu heizen und Warmwasser zu erzeugen. „Das Dach ist außerdem komplett begrünt und bietet vor allem Insekten und Vögeln, für die wir zahlreiche Nistkästen angebracht haben, einen Lebensraum“, berichtet Andrea Schmitz, Leiterin Marketing und Unternehmenskommunikation der Stuttgarter Bäder und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Wir träumen schon davon, dass wir irgendwann den ersten Honig der Bienen, die auf dem Sportbad NeckarPark zuhause sind, ernten können.“
Ballpark und Sportbad zeigen, wie die Nachhaltigkeit von Sportanlagen in der „Endstufe“ aussehen kann. Wesentlich relevanter für Sportvereine sind jedoch diejenigen Maßnahmen, die sie sofort und ohne allzu großen Aufwand umsetzen können, um vorrangig erstmal ihre Energiekosten zu reduzieren.
Dr. Benjamin Haar hat hier einige praktische Tipps parat. „Was bei uns eine enorme Ersparnis gebracht hat, war die Verwendung von Verbrauchszählern. Diese haben wir an die einzelnen Geräte angeschlossen, um zu schauen, wieviel Strom sie tatsächlich verbrauchen. Daraus haben wir beispielsweise gelernt, dass auch in der Nacht, wenn eigentlich gar kein Strom benötigt wird, immer ein Grundverbrauch da war“, so der Geschäftsführer der Sportvereinigung Feuerbach. „Große Stromfresser haben wir gegen stromsparende Geräte ausgetauscht und wir haben vor allem auch Zeitschaltuhren angebracht, um den nächtlichen Verbrauch wegzukriegen. In den Büros verwenden wir Heizkörperthermostate, die wir so einstellen, dass die Heizung nachts auf ein Minimum heruntergefahren und erst kurz vor Beginn der Arbeitszeit wieder geheizt wird.“
Beim Thema Nachhaltigkeit geht man in Feuerbach weit über die herkömmlichen Maßnahmen hinaus: Die Sportvereinigung ist die erste Sportorganisation weltweit, die ein Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) bilanzierendes Unternehmen mit externem Audit ist. „Auch wenn dies demnächst nur für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern verpflichtend sein wird, haben wir uns dennoch entschieden, mit der GWÖ-Zertifizierung einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Alle zwei Jahre findet eine Rezertifizierung statt, so dass wir uns nicht auf dem Erreichten ausruhen können“, so Benjamin Haar.
Dieser Bericht wird anhand einer Matrix erstellt, in deren Rahmen Lieferanten, Eigentümer und Finanzpartner, Mitarbeiter, Kunden und Mitunternehmen, sowie das gesellschaftliche Umfeld auf die Punkte Menschenwürde, Solidarität/Gerechtigkeit, Ökologische Nachhaltigkeit und Transparenz/Mitentscheidung gecheckt werden. „Uns wurde bei der Berichterstellung deutlich, dass wir uns bisher wenig Gedanken darüber gemacht haben, bei wem und was wir einkaufen. Das Thema Lieferanten hatten wir nie hinterfragt. Wir kaufen seither beispielsweise verstärkt bei regionalen Lieferanten statt bei großen Ketten ein, bei denen die Waren durch das ganze Land transportiert werden“, berichtet Benjamin Haar. Gemeinsam mit der Sektion Schwaben des Deutschen Alpenvereins, dem Sportkreis Stuttgart und KATE – Kontaktstelle für Umwelt und Entwicklung e.V. arbeitet die Sportvereinigung derzeit an einem Projekt zur niederschwelligen Einführung eines Klimamanagements im Sportverein. „Wir wollen ein einfaches System entwickeln, mit dessen Hilfe im ersten Step Sportvereine eine möglichst umfassende Klimabilanz aufstellen können“, erklärt Benjamin Haar. Ergänzend werden im Rahmen des Projekts Klimalotsen ausgebildet. Das Schulungsprogramm qualifiziert die Ehrenamtlichen dann auch für die nächsten Schritte, auf der Grundlage der Bilanz ein Klimaprogramm zu erstellen und die herausgearbeiteten Maßnahmen umzusetzen.
Vereine, Organisationen, Initiativen, Schulen, Stiftungen oder Privatpersonen mit Bezug zu Stuttgart nutzen die Stuttgart-Crowd zur Finanzierung ihrer Projekte aus den Bereichen Ökologie, Soziales, Integration oder Inklusion.
Damit ökologisch oder sozial nachhaltige Ideen besser finanziert und umgesetzt werden können, haben die Stadtwerke Stuttgart die Crowdfunding-Plattform „Stuttgart-Crowd“ eingerichtet. Unter www.stadtwerke-stuttgart-crowd.de können Vereine ihre nachhaltigen Projekte anlegen und bewerben. Sinn und Zweck beim Crowdfunding ist es, durch viele kleine Beiträge von Menschen z.B. aus dem Vereinsumfeld große Projekte zu finanzieren. Erst wenn die vorher definierte Zielsumme eines Projekts erreicht ist, kommt es zur Auszahlung – sonst fließt das Geld an die Unterstützer zurück.
Damit möglichst viele Projekte erfolgreich umgesetzt werden können, zahlen die Stadtwerke Stuttgart aus ihrem Fördertopf für jeden Beitrag ab 10 Euro weitere 20 Euro in die Projektkasse ein. „Auf diese Weise konnten in den letzten Monaten einige Stuttgarter Sportvereine ihre sozial und ökologisch nachhaltigen Projekte erfolgreich realisieren“, weiß Stadtwerke-Sprecherin Karoline von Graevenitz.
So haben die Stuttgarter Kickers für die neue, energiesparende LED-Flutlichtanlage auf ihren Trainingsgeländen stolze 50.000 Euro gesammelt. Auch die GolfKultur Stuttgart (rund 5.700 Euro) und der Kraftsportverein Untertürkheim (knapp über 5.000 Euro) konnten die Umrüstung ihrer Flutlichtanlagen auf LED-Beleuchtung über die Stuttgart-Crowd bezuschussen. Mit 3.800 Euro schaffte der
1. Kindersportverein Stuttgart ein E-Lastenrad an, mit dem man nun die vielen Sportgeräte und Alltagsmaterialien von Halle zu Halle transportieren und somit die Umwelt und den Stuttgarter Berufsverkehr entlasten kann.
„Vereine spielen eine große Rolle in der Gemeinschaft und können diesen Part auch im Bereich Nachhaltigkeit einnehmen. Deshalb ermutigen wir die Vereine, auf die Stadt zuzugehen. Viele von ihnen füllen diese Rolle ja bereits bestens aus“, sagt Daniela Klein. „Unser Ziel im Amt für Sport und Bewegung ist es, dass wir mit dem Sport in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz proaktiv agieren und nicht nur darauf warten, dass der Gesetzgeber uns irgendwann vorschreibt, was wir zu tun haben.“