Krystal Rivers – Inspirierender Volleyballstar des MTV
Autor:Donna Scherlinzky
Fotos: Bildermacher Jens Körner
„Vielleicht hast du wegen einer Krankheit, einer Verletzung oder etwas anderem nicht die Möglichkeit eine Hürde zu überspringen. Du kannst aber immer anders an ihr vorbeigelangen und einen Weg finden, dort hinzukommen, wo du im Leben hingehörst. Du darfst einfach nicht aufgeben“ – dies ist die Message, die Krystal Rivers allen mit auf den Weg geben möchte, die es in ihrem Leben auch schon so schwer hatten wie sie selbst. Die Diagonalangreiferin des Volleyball-Bundesligisten Allianz MTV Stuttgart musste schon die eine oder andere Hürde in ihrem Leben überwinden. Aufgegeben hat sie nie. Im Gegenteil, davon wurde sie nur stärker. Krystal Rivers ist eine beeindruckende Persönlichkeit mit einer ruhigen Ausstrahlung.
Das ist sofort bemerkbar, als sie den Raum betritt und mit ihrer ruhigen, dunklen Stimme zu sprechen beginnt. Nichts an ihr lässt erahnen, dass die 28-Jährige gesundheitlich schon einiges mitgemacht hat. Die US-Amerikanerin aus Birmingham, Alabama wurde mit dem Tethered-Spinal-Cord-Syndrom geboren, weswegen ihr als Baby beide Hüftknochen gebrochen werden mussten. Niemand war sicher, ob Krystal jemals würde laufen können, aber die Volleyball-Spielerin hat es geschafft.
Mehr noch: schon bald darauf hat sie den Sport für sich entdeckt. „Die kleine Krystal, die zu der Zeit glaub ich noch jünger als zwei Jahre alt war, hat sich in den Sport verliebt. Und sie hat nie wieder damit aufgehört.“ Lachen füllt den Raum, als Krystal mit scherzhaftem Unterton über sich selbst als Kind spricht. Bis sie fünfzehn Jahre alt war, hatte sie schon rund zwanzig Operationen hinter sich gebracht.
„Als Kind war irgendwie alles viel normaler als es jetzt ist“, gibt die Volleyball-Spielerin mit einem Schmunzeln zu. Damals hat sie sich nur wenige Gedanken zu ihrer Gesundheit gemacht. Natürlich sind hin und wieder von ihr als Kind Fragen nach dem Wieso gekommen, wenn sie wieder ins Krankenhaus musste oder es ihr nicht gut ging. Heute, als Erwachsene, geht sie viel bewusster mit ihrer Gesundheit um. „Manchmal muss ich mir Zeit für mich nehmen und wirklich meinem Körper zuhören, damit ich weiß, was er braucht.“ Einfach ist das nicht immer. Die Profi-Volleyballerin gibt alles, sobald sie auf dem Feld steht – diese Einstellung hatte sie schon immer.
Viel wichtiger ist, dass sie außerhalb des Spielfeldes einen Ausgleich findet. Krystals Team, die Mannschaft des Allianz MTV Stuttgart, kennt ihre Situation und den Umgang mit ihrer Gesundheit. Nicht selten achten sie darauf, dass es ihrer Teamkollegin gutgeht – denn gerade nach anstrengenden Trainingsessions oder Spielen braucht die Wahl-Stuttgarterin Zeit, um zu regenerieren.
2014 erhielt Krystal die Diagnose Lymphdrüsenkrebs. Schon während der Saison mit ihrem College-Team hatte sie einen geschwollenen Lymphknoten entdeckt, der aber noch für Monate warten musste, bis die Saison beendet war. Nach ihrer Diagnose startete die damals Zwanzigjährige mit der Chemo-Therapie – und war eine der Glücklichen, deren Krebs tatsächlich geheilt werden konnte. Trotz der Chemos hat die Amerikanerin sich dazu entschieden, weiter zu trainieren.
„Das einzige Mal, dass ich mein Training verpasst habe, war, wenn ich mal parallel einen Chemo-Termin hatte“, erklärt sie. Was für andere kaum vorstellbar ist, hat Krystal bewältigt. Donnerstags erwartete die Volleyballerin die Chemo-Therapie, freitags war Training. Wie in einem Kreislauf liefen die Tage ab. Uni, Chemo, Training, Regeneration am Wochenende. Immer und immer wieder. Dabei war es nicht einmal geplant, dass Krystal einmal Volleyball-Profi werden würde.
Sie lacht etwas auf, als sie an den Zeitpunkt zurückdenkt, an dem sie den Sport für sich entdeckt hat. „Es ist zufällig passiert. Eigentlich war Tennis das, was ich die ganze Zeit gemacht habe und auch weiter machen wollte. Mit 16 Jahren habe ich mir dann ein College-Volleyballspiel angesehen. Das hat mich begeistert und ich wollte es für mich auch testen. Seit ich dann das erste Mal auf dem Volleyball-Court stand, hat mich dieser tolle Sport nicht mehr losgelassen.“ Ihre Leidenschaft für den Sport hat den Ursprung darin, dass sie immer die Beste sein wollte. „Deswegen glaube ich, wäre es egal gewesen, welchen Sport ich gemacht hätte. Meine Passion hätte mich dazu gebracht, überall die Beste zu sein“. Im Volleyball hat die passionierte Spielerin dieses Ziel erreicht. Krystal Rivers gewann im Rahmen des Pan American Cups 2018 mit der Nationalmannschaft der USA die Goldmedaille. 2019 hat sie dann auf die Olympischen Spiele hingearbeitet – wurde aber nicht nominiert.
Bevor Krystal zur Saison 2018/19 zum Allianz MTV Stuttgart wechselte, hat ihr Weg sie ins südfranzösische Beziérs geführt. Ihr Ziel war es, Europa kennenzulernen und dabei weiter Volleyball zu spielen. Die Amerikanerin stand für eine Saison in Diensten von Béziers Volley, ehe sie ein Angebot aus Stuttgart bekam. „Ein logischer nächster Schritt“ sei diese Entscheidung gewesen, sagt sie. Zwar sei das Level der beiden Ligen fast gleich gewesen, doch habe sie vor allem die Champions League-Teilnahme des deutschen Teams gereizt, zumal sie auch dessen damaligen Co-Trainer schon aus dem amerikanischen Nationalteam kannte. Krystal Rivers ist sehr glücklich in Stuttgart. Hier hat sie ihre Liebe zum Sport wiederentdeckt und noch weitere Gründe gefunden, um passioniert ihrem Sport nachzugehen. Die Fans, der Verein, und die Sponsoren sorgen weiter dafür, dass sie sich beim MTV und in der Stadt wohlfühlt.
Seit zwei Jahren beeinflusst ihre Gesundheit Krystal jedoch so enorm wie noch nie. Inzwischen weiß sie, wie sie mit ihrem Körper umgehen muss, wenn sie eine Topleistung im Training oder beim Spiel erbringen will. „Viel Wasser trinken ist wichtig“, erklärt die leidenschaftliche Spielerin, eine Hand an ihrem Kaffeebecher. Kurz davor erst hat sie einen Schluck davon getrunken. „Bis zu fünf oder sechs Liter Flüssigkeit am Tag müssen es sein.“ Inzwischen hat Krystal eine Routine: Sie widmet ihrem Körper etwa zwei Stunden am Tag.
Ihre Routine beginnt beim Aufwachen und endet beim Einschlafen, sodass sie ihre Gesundheit fest im Blick haben kann. „Meine Freunde sagen manchmal, ich mache mir zu viele Gedanken“. Die 28-Jährige hat ein Schmunzeln im Gesicht, als sie das sagt. Ihr ist es aber wichtig, immer zu wissen, wie sie sich fühlt. Da Krystal auf höchstem Niveau spielt, bringt sie oftmals Opfer und sagt auch mal private Termine ab, damit sie ihrem Körper die nötige Ruhe geben kann.
Denn Ziele hat sie noch einige: „Solange ich hier bin, möchte ich so viel wie möglich für diesen Verein gewinnen“. Ihre Stimme klingt bestimmt, als sie dies sagt. Auch wenn es Vereine und Ligen gibt, die sportlich wahrscheinlich noch besser sind, könnte sie sich nicht vorstellen, irgendwann vielleicht in die Top-Ligen in der Türkei oder Italien zu wechseln.
Die Amerikanerin fühlt sich wohl in Stuttgart. Um weiterhin ihr hohes spielerisches Level beizubehalten, hat sie sich für diese Saison entschieden, ihr Amt als Teamkapitänin abzugeben. „Ich kann trotzdem noch das Team anführen. Aber gleichzeitig kann ich mich so besser auf mich selbst fokussieren, um weiterhin Höchstleistungen abzurufen“, erklärt die ehemalige Kapitänin ihre Beweggründe, das Amt niederzulegen.
Für die 28-Jährige war es in der Vergangenheit nicht immer einfach, über ihre Geschichte zu reden. Deswegen hat sie sich entschieden, ein Buch zu schreiben. „Ich bin immer noch auf der Suche, wie ich am besten mit allem zurechtkommen und meine Geschichte erzählen kann. Aber inzwischen teile ich meine Erfahrungen gerne, weil ich weiß, dass ich anderen damit helfen kann. Selbst wenn meine Geschichte nur einer Person hilft, habe ich sehr viel erreicht. Denn ich war einst auch die Person, die genau diese Hilfe gebraucht hätte.
“ Liebe Krystal, für uns bist du eine absolute Inspiration und wir sind uns sicher, dass du mit deiner Geschichte und deinem Kampfgeist weit mehr als nur einer Person helfen kannst. Toll, dass wir dich ein weiteres Jahr in Stuttgart haben dürfen!