Lucas Lazogianis – erst Olympia in Paris, dann der Meistertitel
Stuttgart ist allgemeinhin nicht unbedingt als große Ringerhochburg bekannt. Doch da gibt es einen Stadtbezirk ganz im Nordwesten der Stadt, der die Fahnen des Ringkampfsports hochhält.
Weilimdorf ist durch die Ringer seiner SG seit jeher weit über die Stadtgrenzen hinaus ein Begriff. Seit 2024 kennt man den Stadtbezirk nun auch international. Zu verdanken hat man dies Lucas Lazogianis, der als erster Weilimdorfer Sportler überhaupt bei den Olympischen Spielen an den Start ging. Sein Einsatz für Deutschland in Paris war jedoch nicht das einzige Highlight des 23-Jährigen in der abgelaufenen Saison.
Mit seinem Bundesligateam ASV Schorndorf gewann der 98kg-Athlet Ende Januar in zwei packenden Duellen gegen den SC Kleinostheim die Deutsche Mannschafts-Meisterschaft und holte damit genau 50 Jahre nach dem ersten und bis dato einzigen Schorndorfer Titelgewinn den Pokal wieder in die Daimlerstadt. Wir haben uns mit dem sympathischen Sportsoldaten getroffen, um mehr über ihn und sein bislang erfolgreichstes Jahr zu erfahren.

Autor:Lara Auchter

Lucas Lazogianis (rotes Trikot) legte im Halbfinale gegen Burghausen mit seinem knappen Sieg gegen den ehemaligen Schorndorfer Felix Baldauf den Grundstein für den Finaleinzug. Fotos: Günter Schmid
Lucas, du hast ein bewegtes Jahr hinter dir: Erst die Olympischen Spiele in Paris, dann der Meistertitel mit dem ASV Schorndorf. Doch deine Anfänge machtest du, wie eigentlich jedes Kind, vor langer Zeit in deinem Heimatverein. Lass uns doch mal zurückblicken…
Lucas Lazogianis: Ja das stimmt. Ich bin eher zufällig zum Ringen gekommen. Meine Eltern haben damals nach einem Sport für mich gesucht, weil ich als Kind viel Energie hatte. Fußball hat mir nicht gefallen, andere Sportarten auch nicht – dann bin ich irgendwann beim Ringen gelandet. In meinem Heimatverein, der SG Weilimdorf, gab es damals kaum Strukturen für die Jugend. Ich hatte aber Glück mit meinem Trainer Kevin Strecker, der mich früh gefördert und viel Zeit in meine Entwicklung investiert hat. Trotzdem war ich nie das größte Talent, sondern musste mir alles mit harter Arbeit erkämpfen. Mein erster größerer Erfolg war der württembergische Meistertitel, aber auf deutscher Ebene dauerte es lange, bis ich mich durchsetzen konnte.
Wann kam für dich dann der Durchbruch?
Lucas Lazogianis: Ich habe fünf Jahre lang an deutschen Meisterschaften teilgenommen, ohne eine Medaille zu holen. Aber ich habe gesehen, dass ich mich von Jahr zu Jahr verbessere und gegen Gegner gewinne, die früher besser waren als ich. 2019 wurde ich dann Deutscher Meister bei den Junioren und gleichzeitig Vize-Meister bei den Männern – das war der entscheidende Moment. In diesem Jahr bin ich auch in die Sportfördergruppe der Bundeswehr gekommen, was es mir ermöglichte, mich voll auf den Sport zu konzentrieren. 2022 wurde ich dann Deutscher Meister und 2023 konnte ich die Bronzemedaille bei der U23-Europameisterschaft gewinnen.

Da ist das Ding! Lucas Lazogianis auf dem Schorndorfer Rathausbalkon mit Oberbürgermeister Bernd Hornikel.
Parallel zu deiner Karriere als Einzelsportler bist du auch in der Ringer-Bundesliga für den ASV Schorndorf aktiv, warst aber davor in der Ortenau beim ASV Urloffen…
Lucas Lazogianis: Genau. Ich habe meine ersten Bundesliga-Kämpfe für den ASV Urloffen bestritten, bevor ich nach Schorndorf gewechselt bin. Da die Bundesliga-Teams oft aus Sportlern bestehen, die aus allen Himmelsrichtungen zusammenkommen, fühlt man sich anfangs schon etwas als „Söldner“ – man kommt nur zu den Kämpfen und das Teamgefühl ist nicht dasselbe wie im Heimatverein. Das hat sich beim ASV Schorndorf dann aber sehr schnell geändert, spätestens seit wir zum ersten Mal in den Playoffs waren, um gemeinsam um den Titel zu kämpfen. Schorndorf ist für mich inzwischen schon längst zur sportlichen Heimat geworden, auch weil ich natürlich aus dem Stuttgarter Raum komme und nach den Kämpfen nach Hause fahren kann. Der Teamspirit ist grandios, und besonders in der vergangenen Saison war das unser großer Trumpf.
Dieser Teamspirit hat euch nun zum Meistertitel geführt. Wie blickst du auf die Bundesliga-Saison 2024/25 zurück?
Lucas Lazogianis: Die Saison war klasse. Wir waren die gesamte Hauptrunde ungeschlagen und sind dann natürlich als Favorit in die Playoffs gestartet. Diese haben wir teilweise sehr spannend gemacht und mussten bei einem Rückstand oder nach der ersten Niederlage im Hinkampf des Viertelfinales erstmal damit klarkommen, da wir dieses Gefühl nicht mehr kannten. Dahingehend waren die vielen Siege in der Hauptrunde vielleicht sogar von Nachteil. Wir konnten aber alles überwinden, haben zusammengehalten und mit spannenden Comeback-Siegen gegen Mainz, Burghausen und Kleinostheim den Meistertitel geholt. Am Ende sind wir den Erwartungen gerecht geworden und konnten 50 Jahre nach dem letzten Schorndorfer Titelgewinn den Pokal nach Hause bringen. Das ist ein super Gefühl, und der Teamspirit hat definitiv dazu beigetragen.
Beide Finalkämpfe gegen Kleinostheim wurden in weit größeren Hallen ausgetragen als sonst. Der Schorndorfer Heimkampf fand in der Göppinger EWS Arena statt, der Auswärtskampf in der großen Halle in Aschaffenburg. 3.500 Fans in Göppingen, über 4.000 in Aschaffenburg – das war schon großes Kino. Wie geht man als Sportler, der normalerweise vor 500 Zuschauern ringt, damit um, dass plötzlich so viele Leute da sind?
Lucas Lazogianis: Es war super, dass wir uns als Randsportart auf einer solch großen Bühne präsentieren konnten, und man hat natürlich die Stimmung genossen. Für mich persönlich macht es im Kampf aber keinen Unterschied, ob jetzt 500 oder 4.000 Leute in der Halle sitzen. Ich bin auf der Matte im Tunnel und lasse mich nicht aus dem Konzept bringen. Außerdem hatte ich ein paar Monate vorher bei den Olympischen Spielen schon Erfahrungen mit einer großen, ausverkauften Halle gemacht.
Du sprichst es an – schon vor Beginn der Bundesliga-Saison hattest du mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 dein Karrierehighlight. Eine verrückte Geschichte für dich, denn du hattest dich eigentlich ja gar nicht qualifiziert und dann doch noch einen Startplatz bekommen. Wie hast du das erlebt?
Lucas Lazogianis: Das war absolut surreal. Nach der verpassten Qualifikation war für mich Olympia eigentlich abgehakt. Doch dann gab es Gerüchte, dass Russland eventuell boykottieren könnte bzw. nicht starten darf und somit ein paar Startplätze frei werden. Da hatte ich mir aber gar nicht erst Hoffnungen gemacht und ich bin stattdessen mit meiner Freundin nach Florida in den Urlaub gegangen. Wir waren gerade in den Everglades auf einem Kajak unterwegs, als ich dann die Nachricht bekam: Ich bin bei Olympia dabei. Das war ein unglaublicher Moment!
Aber du hattest eigentlich mit einer Verletzung zu kämpfen, die dich fast die Teilnahme gekostet hätte…
Lucas Lazogianis: Ja, leider. Ich hatte vor dem Urlaub das Trainingslager mit der Nationalmannschaft in Bulgarien mitgemacht und habe mir dort im Knie das Innenband und den Meniskus angerissen – ausgerechnet im Trainingskampf mit dem kubanischen Weltmeister Gabriel Rosillo, der dann auch mein Erstrunden-Gegner in Paris war. Ich konnte deshalb wochenlang kaum trainieren. Trotzdem bin ich nach Paris gefahren, habe alles gegeben und einen sehr guten Kampf abgeliefert. Kurz vor Schluss hat mich dann in Führung liegend eine kleine Unachtsamkeit den Sieg und das Weiterkommen gekostet. Aber auch wenn ich schon in der ersten Runde ausgeschieden bin, war es eine großartige Erfahrung. Und es gibt mir Motivation für die kommenden Jahre.
Nach einem so erfolgreichen Jahr hast du plötzlich eine ganz andere mediale Aufmerksamkeit bekommen. Wie gehst du damit um?
Lucas Lazogianis: Olympia ist einfach nochmal eine andere Dimension als andere Turniere. Plötzlich schreiben dir Leute, die sich sonst nie für Ringen interessieren. Ich habe das genutzt, um ein bisschen präsenter zu sein, aber ich will mir treu bleiben. Social Media ist nicht unbedingt meine Welt. Ich denke eher darüber nach, wie ich meine Karriere nachhaltiger gestalten kann, zum Beispiel durch Partnerschaften mit Unternehmen aus der Region.
2028 stehen die nächsten Olympischen Spiele in Los Angeles an. Ist die Teilnahme dort dein großes Ziel?
Lucas Lazogianis: Definitiv! Jetzt, wo ich Olympische Spiele schon einmal erlebt habe, weiß ich, dass ich da nochmal hin will – aber diesmal noch besser vorbereitet. Die Qualifikation ist hart, aber ich bin bereit, den Weg zu gehen. Ich habe jetzt erst richtig Blut geleckt.

Echter Teamspirit, fotografisch eingefangen von Günter Schmid nach dem gewonnenen Schorndorfer Meistertitel in Aschaffenburg: Lucas Lazogianis (rechts) mit seinen „Buddys“ Jello Krahmer (links) und Georgios Scarpello.