Meolie Jauch & Carina Kröll: Debütantinnen bei der Turn-WM

Meolie Jauch (16) und Carina Kröll (22) haben einiges gemeinsam. Sie sind nicht nur „Trainingsbuddys“ am Kunst-Turn-Forum Stuttgart, sie gehören auch zu den Top-Turnerinnen in Deutschland und posten gelegentlich das eine oder andere gemeinsame Reel auf TikTok und Instagram.

Und dann gibt es seit Oktober 2023 auch noch eine weitere Gemeinsamkeit: Die beiden haben in Antwerpen ihr Weltmeisterschafts-Debut gefeiert – Meolie für Deutschland, Carina für Österreich. Klar, dass wir mit den beiden auch im „Doppelpack“ über ihre Erfahrungen bei der WM gesprochen haben.

Autor:Lara Auchter

13. Dezember 2023
Beginnen wir mal mit dem Wichtigsten – wie war die WM für euch?

Carina Kröll: Es war ein phänomenales Erlebnis. Ich war 2018 ja schon mal bei einer WM dabei, aber nur als Ersatzturnerin, und kam deshalb nicht zum Einsatz. Aber selbst zu turnen, mit der Herausforderung und auch der Drucksituation, für sein Land bei Weltmeisterschaften anzutreten, ist nochmal was anderes. Ich habe das total genossen, habe alles aufgesaugt und hatte auch familiären Support vor Ort. Es war richtig schön.

Meolie Jauch: Ich kann mich da Carina nur anschließen. Es war mein erster großer Wettkampf bei den Senioren – und dann gleich eine WM. Das war schon überwältigend, ich habe noch nie in einer so großen Halle geturnt. Auch die ganzen Scheinwerfer und die vielen Kampfrichter, die einen beobachtet haben, das war schon krass.

 

Wie habt ihr euch vorher gefühlt? Ist man plötzlich nervöser, weil es eine WM ist, oder werdet ihr dadurch eher fokussierter?

Carina Kröll: Ich habe versucht, die WM wie jeden anderen Wettkampf zu sehen und positiv zu bleiben, mir keinen Druck und auch nicht zu viele Gedanken zu machen. Ich vertraue da auf mein Können, mein Training und meine Erfahrung aus anderen Wettkämpfen. Nach dem Wettkampf habe ich trotzdem ein wenig gebraucht, um zu realisieren was gerade passiert ist. Eine WM zu turnen und auf der gleichen Matte zu stehen wie die Besten der Welt, ist schon etwas Besonderes, und ich war danach richtig stolz auf mich.

Meolie Jauch: Bei uns hat natürlich im Hinterkopf immer mitgespielt, dass es wegen der Olympia-Qualifikation eine sehr wichtige WM fürs Team ist. Aber ich habe versucht den Gedanken wegzuschieben. Ich bin letztendlich so in den Wettkampf gegangen wie in jeden anderen auch. Meine Vorbereitung war gleich und ich habe, wie Carina auch, auf mein Können vertraut. Aber mit dem Adler auf der Brust mit Teamkolleginnen wie Sarah Voss und Pauline Schäfer-Betz zu turnen, war schon eine große Ehre.

Meolie Jauch im Gespräch.

Hättest du damit gerechnet, dass du in deinem ersten Seniorenjahr gleich mit zur WM fahren darfst?

Meolie Jauch: Ich hätte am Anfang des Jahres niemals gedacht, dass ich als unerfahrene und junge Turnerin für die WM nominiert werden würde. Durch mehrere Verletzungen sind Plätze im Team freigeworden, und durch meine guten Leistungen am Barren und Sprung beim Quali-Wettkampf in Heidelberg wurde ich für diese beiden Geräte nominiert. Gerechnet habe ich damit nicht, aber ich habe natürlich die Chance genutzt, die mir geboten wurde.

 

Ihr hattet beide eure Familien in Antwerpen dabei. Viele Sportler werden dadurch entweder motivierter und stärker oder im Gegenteil sogar nervöser. Wie ergeht es euch dabei?

Carina Kröll: Also mich motiviert das total. Das erste, was ich mache, wenn ich in die Halle reinkomme, ist meine Eltern zu suchen. Sie sind dann während der Übung immer mein Anker im Publikum, und das hilft mir sehr.

Meolie Jauch: Bei mir ist es genauso. Ich suche immer den Blickkontakt zu meinen Eltern. Sie nicken mir dann zu und zeigen mir, dass sie mich komplett unterstützen. Wenn sie mal nicht dabei sein können, fehlt irgendwas. Ich brauch meine Eltern auf jeden Fall bei mir.

Habt ihr Rituale oder bestimmte Routinen vor dem Wettkampf?

Meolie Jauch: Ich habe tatsächlich eine ziemlich abergläubische Sache (lacht). Beim Einturnen am Barren muss ich immer einmal fallen, damit ich beruhigt sein kann, dass ich im Wettkampf nicht stürze.

Carina Kröll: Rituale habe ich keine. Ich rede mir nur immer selbst positiv zu, bevor ich meine Übung turne. Aber es gibt Turnanzüge, in denen ich mich verletzt oder eine Übung verhauen habe. Die ziehe ich nicht mehr an. Ich bin davon überzeugt, da steckt Böses drin (lacht).

Carina, du hast eine schwere Verletzung hinter dir, und daraufhin hat sich viel bei dir verändert. Was ist passiert?

Carina Kröll: Es fing schon 2019 an, als ich zwei große Verletzungen an meiner Hüfte und am Knie hatte. Auch hatte ich schon eine schwere Schulterverletzung. Danach habe ich es nicht schnell genug geschafft, die Kadernorm zu turnen, wodurch natürlich die ganze finanzielle Förderung weggefallen ist und ich für mich selbst auch keine Perspektive mehr im deutschen Team sah.

 
Daraufhin hast du den Verband gewechselt und turnst seit Anfang 2022 für Österreich. Dazu kam der Vereinswechsel vom MTV Stuttgart zurück zu deinem Heimatverein TSV Berkheim. Wenn du zurückblickst, hast du die richtige Entscheidung getroffen? Und was hat sich sportlich und auch persönlich durch diesen Wechsel für dich geändert?

Carina Kröll: Es war auf jeden Fall die beste Entscheidung, die ich treffen konnte – sportlich und persönlich. Ich habe schon seit meiner Geburt die doppelte Staatsbürgerschaft, hatte aber vorher nie darüber nachgedacht den Verband zu wechseln. Rückblickend hat mir der Wechsel einen richtigen Motivationsboost gegeben. Der Wechsel zurück zu meinem Heimatverein war genauso nötig wie der Verbandswechsel. Ich brauchte einen neuen Start und wollte auch meinem Ausbildungsverein etwas zurückgeben.

 

Carina Kröll

Ihr wollt beide zu den Olympischen Spielen. Meolie, ihr habt bei der WM ganz knapp die Qualifikation verpasst und reist nicht als Mannschaft nach Paris. Wie war die Stimmungslage bei euch im Team?

Meolie Jauch: Es war ziemlich bitter, vor allem, da es nur 0,2 Punkte waren, die uns gefehlt haben. Aber man muss auch sagen, dass die Vorbereitung für uns alles andere als einfach war. Elisabeth Seitz hatte sich schwer verletzt, und einen Tag bevor wir nach Belgien geflogen sind, musste auch Emma Malewski verletzt absagen. Wir wussten also, dass es eine schwere Aufgabe für uns werden würde, waren aber überzeugt, dass wir es trotzdem schaffen können. Wir haben bis zum Ende gekämpft, alles gegeben und hatten auch keinen einzigen Sturz, waren also wirklich nahezu perfekt. Dass es am Ende so knapp war, war natürlich umso enttäuschender.

 

Nun gibt es noch einen Quotenplatz für Deutschland, und auch Österreich kann sich noch einen Startplatz für Paris sichern…

Carina Kröll: Wir haben nächstes Jahr noch Chancen, einen Quotenplatz für Österreich zu holen. Das haben wir bei der WM leider knapp nicht geschafft. Ich bin in Österreich unter den besten fünf Turnerinnen – jetzt kommt es darauf an, wer seine Übungen noch aufstocken kann und am besten performt. Ich nehme die Herausforderung an und schaue, was passiert.

Meolie Jauch: Ja, es gibt noch einen Platz. Um diesen kämpfen nächstes Jahr alle, ob bei Grand Prix Wettkämpfen oder der internen Qualifikation. Mein großes Ziel ist natürlich Olympia. Ob es Paris 2024 oder erst Los Angeles 2028 sein wird, sehen wir dann.

 

Meolie, du gehst noch zur Schule und machst erst in ein paar Jahren deinen Abschluss. Wie bekommst du Schule und Training unter einen Hut, ohne dass es dir zu viel wird?

Meolie Jauch: Ich habe dieses Jahr eine Schulstreckung, das heißt ich mache die zehnte Klasse über zwei Jahre. Das hilft mir schon enorm. Turnen ist mein Leben, ich brauche nichts anderes und vermisse somit auch nichts. Deshalb kann ich damit wahrscheinlich auch besser umgehen als vielleicht andere Topathleten in meinem Alter. Letztendlich bin ich sehr diszipliniert und habe so viel Unterstützung von meinen Eltern und der Schule, dass ich alles gut unter einen Hut bekomme.

Unterhaltsame Gesprächsrunde im Kunst-Turn-Forum mit (von links) den SPORT.S-Redakteuren Lara Auchter und Ralf Scherlinzky, sowie Meolie Jauch und Carina Kröll. 

Fotos: Iris Drobny

Carina, du bist schon ein bisschen weiter und hast im Sommer dein Studium mit dem Bachelor in Gesundheitspsychologie abgeschlossen. Es war bestimmt nicht einfach, drei Jahre lang parallel zumSport voll zu studieren. Wie hast du das durchgezogen?

Carina Kröll: Ich muss sagen, ich war richtig erleichtert und überglücklich, als ich meinen Abschluss geschafft hatte. Es war schon stressig, aber ich habe ein Fernstudium gemacht und konnte mir die Zeit mit Studium, Training und Wettkämpfen gut einteilen.

Meolie, wie ist es für dich als sehr junge Sportlerin, plötzlich selbst Vorbild zu sein und Autogramme zu schreiben?

Meolie Jauch: Ich habe ja selbst noch Vorbilder und da ist es schon surreal, wenn mich plötzlich kleine Mädels anfeuern und Fans von mir sind. Ich bekomme auch auf Instagram viele bewundernde und unterstützende Nachrichten von Fans. Das ist schon cool und fühlt sich besonders an. Gerade bei den Bundesligawettkämpfen kommen viele Fans auf mich zu oder reisen sogar extra wegen mir an. Das ist alles andere als selbstverständlich und motiviert natürlich zusätzlich.

Ihr seid beide an unterschiedlichen Punkten eurer Karriere. Gibt es neben Olympia ein bestimmtes Ziel, das ihr anstrebt?

Carina Kröll: Ich werde Ende Dezember 23 Jahre alt, und bin eigentlich schon ziemlich alt fürs Turnen. Deshalb sage ich mir immer, ich mache das noch, solange es mir Spaß macht und der Körper noch durchhält. Gerade bin ich topfit und motiviert. Ich kann an einzelnen Elementen noch an der Sauberkeit und Ausführung arbeiten und möchte einfach so nah an die Perfektion kommen, wie es für mich möglich ist. Wenn ich diese Leistungen dann noch konstant zeigen kann, erreiche ich meine Ziele hoffentlich von selber (lacht).

Meolie Jauch: Ich bin einfach froh, wenn ich verletzungsfrei bleiben kann und hoffe, dass meine Rückenprobleme der letzten Monate nicht nochmal auftauchen. Mein nächstes großes Ziel ist auf jeden Fall, bei den Europameisterschaften im Team zu sein, gute Leistungen – vor allem am Stufenbarren – zu zeigen und vielleicht sogar ins Barrenfinale zu kommen.