MTV Parasport-Akademie: Inklusion und Leistungssport vereint
Der MTV Stuttgart setzt mit der neuen Parasport-Akademie ein starkes Zeichen für die Förderung von Sportlerinnen und Sportlern mit Behinderung. Was mit dem ehrenamtlichen Engagement von Mandy Pierer und ihrem Mann im Rollstuhlsport begann, ist heute ein einzigartiges Konzept zur Inklusion und Leistungsförderung. „Wir haben früh gemerkt, dass es ein riesiges Potenzial im Parasport gibt, dass aber die Talentförderung meist den Athleten und ihren Familien überlassen bleibt“, erklärt Mandy Pierer, hauptamtliche Inklusionsmanagerin des Vereins. Die Akademie soll dies nun ändern und jungen Talenten gezielte Unterstützung bieten.

Autor:Lara Auchter
Der MTV Stuttgart hat bereits bewährte Akademie-Konzepte in Sportarten wie Volleyball oder Basketball etabliert. Dieses Modell wurde nun auf den Parasport übertragen. „Unser Ziel ist es, Talente nicht dem Zufall zu überlassen, sondern ihnen eine professionelle Förderung innerhalb eines strukturierten Vereinsumfelds zu ermöglichen“, betont Mandy Pierer.
Die Akademie konzentriert sich auf vier Kernsportarten: Rollstuhlbasketball, Blindenfußball, Paraleichtathletik und Paracycling. Doch das Netzwerk reicht weit darüber hinaus. „Wir kooperieren mit anderen Vereinen, um auch Sportarten wie Blindentennis, Rollstuhltennis, Tischtennis oder Schwimmen einzubeziehen“, erklärt die Inklusionsmanagerin.
Besonders in jungen Jahren ist eine professionelle Begleitung entscheidend, um im Leistungssport Fuß zu fassen. „Unser eigener Sohn hat mit vier Jahren mit dem Handbike angefangen, doch erst viel später wurde uns bewusst, dass eine frühzeitige, professionelle Förderung gefehlt hat“, berichtet Mandy Pierer. „Viele Parasportler haben ihre Karrieren durch familiäre Eigeninitiative aufgebaut oder sind Zufallsfunde. Ihre Eltern kämpfen sich durch ein Labyrinth aus Möglichkeiten, um ihrem Kind eine Sportkarriere zu ermöglichen. Das wollten wir ändern.“

MTV-Inklusionsmanagerin Mandy Pierer und Hannes Spranger, der Leiter der Parasport Akademie.
Foto: MTV Stuttgart
Dank der Akademie erhalten junge Athletinnen und Athleten nun eine strukturierte Ausbildung. Sie trainieren in inklusiven Gruppen und erhalten sportartenspezifische Trainingspläne. „Unsere Trainerinnen und Trainer wurden speziell für den Parasport geschult. Wir bieten professionelle Athletiktrainer und strukturierte Einheiten, die gezielt auf den Leistungssport vorbereiten.“
Ein weiteres Herzstück der Akademie ist das Sportartenkarussell, das es Kindern und Jugendlichen ermöglicht, verschiedene Parasportarten auszuprobieren. „Das Konzept stammt aus Freiburg und hat sich bewährt. Manche Kinder rotieren fröhlich durch alle Sportarten, andere finden gezielt ihre Disziplin“, erklärt sie.
Gemeinsam mit anderen Vereinen aus der Region Stuttgart können so Sportarten wie Boccia, Fechten oder Segeln getestet werden. „Das Wichtigste ist, dass wir die Sportlerinnen und Sportler erreichen. Oft wissen wir gar nicht, wie viele talentierte junge Menschen mit Behinderung es gibt, weil sie bisher kein Sportangebot hatten. Mit dem Sportartenkarussell wollen wir möglichst vielen Kindern den Zugang zum Parasport ermöglichen und erleichtern.“
Die MTV Parasport-Akademie ist europaweit einzigartig. „Wir dachten, so etwas gibt es bestimmt schon in den Niederlanden oder Großbritannien. Aber Fehlanzeige“, berichtet Mandy Pierer. „Das hat uns noch mehr motiviert, eine Vorreiterrolle einzunehmen.“
Trotz der positiven Resonanz bleibt die Finanzierung eine Herausforderung. „Es ist gerade bei der aktuellen wirtschaftlichen Lage nicht leicht, Förderer zu finden. Wir haben im Vorfeld ein Jahr lang Stiftungsgelder gesammelt, damit wir nun starten konnten.“
Die Akademie will nicht nur Talente entdecken, sondern auch deren langfristige Perspektiven verbessern. Gerade die berufliche Zukunft von Parasportlern sei eine große Herausforderung. „Viele steigen im Jugendalter aus, weil sie die Doppelbelastung von Schule und Sport nicht stemmen können. Dabei sind Parasportler genauso leistungsbereit und engagiert wie olympische Athleten. Sie bringen eine unglaubliche Arbeitsmoral mit, die auch für Arbeitgeber spannend sein sollte.“
Auch der Übergang in das Berufsleben soll erleichtert werden und die Akademie setzt sich aktiv dafür ein, Sport und Beruf miteinander zu verknüpfen. „Es können nicht alle zur Bundeswehr oder zum Zoll gehen. Wir müssen mehr Unternehmen dafür sensibilisieren, dass Sportlerinnen und Sportler mit Behinderung wertvolle Arbeitskräfte sind“, betont Mandy Pierer.
Das Projekt des MTV Stuttgart zeigt, dass Inklusion und Leistungssport kein Widerspruch sind. Die Parasport-Akademie fördert nicht nur sportlichen Nachwuchs, sondern stößt auch ein gesellschaftliches Umdenken an: Parasport ist keine Randerscheinung, sondern ein integraler Bestandteil des Sports. „Wir wollen den Parasport aus seiner Nische holen und für alle sichtbar machen“, sagt sie abschließend. „Denn Sport ist für alle da.“