Peter Salzer: Der Mann hinter den großen Würfen

Autor:Lara Auchter

11. Dezember 2024

Peter Salzer ist kein Mann, der sich ins Rampenlicht drängt. Doch wer die Erfolgsgeschichte des deutschen Wurfsports kennt, kommt an seinem Namen nicht vorbei. Über Jahrzehnte hinweg prägte der ehemalige Landestrainer Kugelstoßen der ARGE BW Leichtathletik den Wurfsport in Deutschland wie kein Zweiter – von 1981 bis 2007 ehrenamtlich, ab 2008 dann hauptberuflich.

Mit seiner klaren Philosophie, seiner unermüdlichen Arbeit und einem besonderen Gespür für Talente führte er Athleten wie Niko Kappel, David Wrobel, Alina Kenzel, Yannis Fischer und Lara Baars zu nationalen und internationalen Erfolgen. Nun, im „Fast-Ruhestand“, blickt der 66-Jährige auf eine bewegte Karriere zurück und spricht über außergewöhnliche Leistungen und emotionale Momente.

Peter Salzer erzählt von seiner Trainerkarriere und seinen Athleten. Wir hätten ihm ewig zuhören können…

Fotos: Iris Drobny

Ein Leben für den Sport

Parallel zu seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Landestrainer Kugelstoßen begann Peter Salzer 1989 am Olympiastützpunkt Stuttgart als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit den Schwerpunkten Konditionstraining und Videoanalyse. Seine Aufgabe bestand darin, Wettkämpfe zu analysieren und Athleten durch gezielte Technikverbesserung zu unterstützen. Doch er wollte mehr, als nur im Hintergrund zu arbeiten. „Ich habe schnell gemerkt, dass ich nicht nur filmen, sondern aktiv gestalten möchte“, erinnert er sich. Mit dieser Einstellung übernahm er 2008 hauptamtlich die Leitung des Wurfzentrums Bundes- und Landesstützpunkt Leichtathletik in der Molly-Schauffele-Halle. Dort baute er nicht nur Talente auf, sondern oft auch die Trainingsinfrastruktur. „Viele Kugelstoßringe hier habe ich selbst gebaut. Wir hatten oft kaum Ressourcen und mussten improvisieren. Aber das hat uns zusammengeschweißt“, erzählt der zweifache Deutsche Jugendmeister im Kugelstoßen (1975 + 1976). Einmal verwandelte er mit alten Matten, Diskusnetzen und Planen eine Lagerhalle in eine improvisierte Trainingsstätte. „Es war nicht perfekt, aber es hat funktioniert“, fügt er grinsend hinzu.

Salzer entwickelte ein System, das auf Effizienz, Individualität und Teamgeist setzte. „Ich musste lernen, viele Athleten in kurzer Zeit zu betreuen. Das war nur durch ein kluges System möglich,“ erinnert er sich. „Außerdem habe ich immer versucht, jedem gerecht zu werden. Vom Anfänger bis zum 20-Meter-Stoßer waren alle gleich wichtig.“

Erst der Mensch, dann der Athlet

Peter Salzers Philosophie unterscheidet ihn von vielen seiner Kollegen, denn der Mensch steht für ihn stets im Vordergrund. „Mir ist wichtig, dass es ein Leben nach dem Sport gibt. Persönlichkeitsentwicklung kommt vor Leistung“, sagt er. Für den 66-Jährigen ist Sport eine Möglichkeit, um Menschen zu fördern, nicht nur, um Medaillen zu gewinnen. So praktizieren er und seine Athleten eindrucksvoll Inklusion und Integration mit einer 13-köpfigen Gruppe. „Wir haben noch nie über Inklusion und Integration gesprochen, wir leben sie einfach“, sagt Salzer nicht ohne Stolz. Dabei setzt er vor allem auf einen demokratischen Umgang mit seinen Athleten. „Ich habe meinen Athleten immer zugehört und sie ermutigt, eigene Ideen einzubringen. Gemeinsam haben wir oft Lösungen gefunden, die besser waren, als wenn ich sie allein vorgegeben hätte.“ Eines war ihm schon immer besonders wichtig: Nachhaltigkeit. „Ich möchte, dass meine Athleten gesund bleiben und nach ihrer Karriere nicht körperlich oder psychisch erschöpft sind. Der Sport soll sie stärker machen – nicht zerstören.“

Die Talentschmiede Stuttgart

Peter Salzers Athletenliste liest sich wie ein „Who’s who“ des deutschen Wurfsports. Doch hinter jedem Erfolg stehen Geschichten, die zeigen, wie sehr sich der 66-Jährige für seine Schützlinge eingesetzt hat. Das erste Highlight kam im Jahr 2009: Kugelstoßerin Lena Urbaniak gewann die Jugend-Weltmeisterschaft und holte damit die erste internationale Medaille für ihren Trainer. „Lena war ehrgeizig und hat gezeigt, was möglich ist, wenn Talent und harte Arbeit zusammenkommen“, sagt er.

Freundschaftliche Umarmung mit Alina Kenzel nach dem Training.

Auch Niko Kappel, Paralympics-Sieger und Weltrekordhalter, verdankt Salzer einen großen Teil seiner sportlichen Entwicklung. Niko kam 2014 mit einer Bestleistung von 10,50 Metern zu ihm. „Innerhalb eines Jahres stieß er 12,85 Meter und wurde Vizeweltmeister“, erzählt der Trainer stolz. Besonders in Erinnerung bleibt ihm der Moment, als Niko Kappel im Trainingslager erstmals die Zwölf-Meter-Marke übertraf: „Das war pure Gänsehaut – ein Moment, den wir beide nie vergessen werden, weil er zeigt, wie weit man kommen kann, wenn man an sich glaubt.“

Die Arbeit mit Niko Kappel war der Anfang einer großen Erfolgsgeschichte für kleinwüchsige Leichtathleten am Olympiastützpunkt in Stuttgart. Peter Salzer hatte anfangs jedoch seine Bedenken: „Ich hatte, als Niko zu mir kam, noch keine Berührungspunkte mit Kleinwuchs gehabt und wusste nicht, welche Probleme die Athleten haben, was sie leisten können und wie sie trainieren sollten.“

Daraufhin hat sich der ehemalige Kugelstoßer informiert und gemeinsam mit Niko Kappel und den anderen Athleten ein System entwickelt, welches die speziellen Anforderungen des Kleinwuchses berücksichtigte. Dabei fand er heraus, dass die Kraft- und Technikübungen, die von größeren Athleten genutzt werden, auch für Kleinwüchsige adaptiert werden konnten. „Wir haben festgestellt, dass Niko viele der Übungen, die die größeren Athleten machen, auch durchführen kann, und das hat ihn weitergebracht.“ So gewann sein kleinwüchsiger Athlet neben mehreren WM-Titeln bei den Paralympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro die Goldmedaille im Kugelstoßen, stieß seither mehrfach Weltrekorde und überbot als Erster die 15-Meter Marke.

Das Erfolgskonzept lockte natürlich zahlreiche Athleten in die Landeshauptstadt. Mit Lena Urbaniak (Kugelstoßen), Tobias Dahm (Kugelstoßen), David Wrobel (Diskus) und Alina Kenzel (Kugelstoßen) holte er zahlreiche nationale und internationale Medaillen und brachte alle vier Athleten zu den Olympischen Spielen. Und mit Yannis Fischer formte Peter Salzer einen weiteren kleinwüchsigen Weltmeister in der Molly-Schauffele-Halle: „Auf Yannis bin ich tatsächlich durch Niko aufmerksam geworden“, blickt Peter Salzer zurück. „Er sagte zu mir, dass es hier in Süddeutschland einen weiteren kleinwüchsigen Kugelstoßer mit riesigem Potenzial gebe. Daraufhin habe ich ihn mir angesehen und war beeindruckt.“ Der Rest ist Geschichte, denn der 22-Jährige wurde 2023 Weltmeister und startete, genauso wie Kappel, bei den Paralympics 2024 in Paris.

Auch die Olympiateilnahme von Alina Kenzel, die er auch weiterhin betreuen wird, macht ihn stolz. „Wenn man weiß, was Alina in den vergangenen Jahren alles durchmachen musste, macht das ihre Olympiateilnahme nochmal spezieller“, erzählt der ehemalige Landestrainer. Die 27-Jährige arbeitet schon über 12 Jahre mit ihm zusammen, wurde unter anderem im Juniorenbereich Welt- und Europameisterin und war auf dem besten Wege, auch bei den Erwachsenen ihre Marke zu hinterlassen. Doch dann stellte das Post-COVID-Syndrom sie für fast zwei Jahre kalt. „Alina hat gekämpft und sich nach langer Krankheitsphase zurückgearbeitet. Allein, dass sie wieder Top-Leistungen zeigen kann, die sogar für Olympia reichten, ist ein kleines Wunder und zeigt was für ein außergewöhnlicher Athlet und Mensch sie ist“, strahlt Peter Salzer.

Höhepunkte und Herausforderungen

Das Jahr 2016 markiert einen Höhepunkt in der Karriere des ehemaligen Gruppenführers der Bundeswehr-Sportfördergruppe in Böblingen: Alina Kenzel wurde Junioren-Weltmeisterin, Niko Kappel gewann Paralympics-Gold und Lena Urbaniak und Tobias Dahm schafften es zu den Olympischen Spielen nach Brasilien. „2016 war ein Ausnahmejahr. Alles schien zusammenzukommen und wir haben gezeigt, was mit harter Arbeit und Teamgeist möglich ist“, resümiert Salzer.

Doch für den 66-Jährigen waren nicht nur die großen Titel wichtig, denn ein Tag sticht für ihn besonders heraus. „An einem Tag im Jahr 2021 haben drei Athleten an unterschiedlichen Orten Bestleistungen erzielt. Das war für mich ein unvergleichliches Erlebnis und ein Highlight, das ich nie vergessen werde,“ sagt er. Die drei Kugelstoßer – Alina Kenzel, Lea Riedel und Tizian Lauria – gewannen an diesem Tag zwar kein Olympisches Gold, machten aber ihren Trainer besonders glücklich: „Ich fühlte mich in diesem Moment in meiner Arbeit und meiner ganzen Philosophie als Trainer und Mensch besonders bestätigt.“

Doch auch Herausforderungen gab es reichlich – von begrenzten finanziellen Ressourcen über improvisierte Trainingshallen bis hin zu langen Arbeitstagen. „Die schlimmste Zeit war, als ich 15 Stunden am Tag gearbeitet habe – morgens am OSP als Jugend- und Landestrainer, abends das Stützpunkttraining mit meinen Spitzensportlern. Es war brutal und in der Nachbetrachtung natürlich zu viel, doch der Erfolg meiner Athleten hat mich motiviert,“ erinnert sich Peter Salzer. Doch all dies hielt den früheren Kugelstoßer nicht auf. Mit Kreativität und Tatendrang fand er Lösungen, die oft improvisiert waren, aber immer zum Ziel führten. „Manchmal musste man einfach anpacken. Es hat uns gelehrt, dass man mit wenig viel erreichen kann.“

Ein Vermächtnis, das bleibt

Auch nach seinem offiziellen Rücktritt als Landestrainer bleibt Peter Salzer dem Sport als Teilzeit-Trainer bei den Leichtathleten des VfB Stuttgart erhalten. Auch viele seiner ehemaligen Athleten, wie Arthur Hoppe, Markus Reichle und David Wrobel, tragen sein Vermächtnis weiter und arbeiten heute selbst als Trainer oder in anderen sportlichen Funktionen – ein Beweis für seinen nachhaltigen Einfluss. „Mir war immer wichtig, dass meine Athleten auch Trainer werden, so bleibt das Wissen erhalten. Es ist wichtig, dass der Sport durch die nächste Generation weiterlebt.“

Mit seinem E-Scooter fährt der 66-Jährige heute regelmäßig zum Training in die Molly-Schauffele-Halle – nicht mehr als Vollzeittrainer, aber immer noch als Mentor. „Ich bin entspannter denn je. Aber die Arbeit mit den Athleten macht mir nach wie vor Spaß,“ sagt er lächelnd.

 

Alina Kenzel über Peter Salzer

„Ich habe bisher mein halbes Leben in der Trainingsgruppe von Peter Salzer verbracht. Wir sind dort nicht nur ein Team, sondern eher eine große Familie. Peter hört jetzt zwar offiziell auf, ich freue mich aber, dass er Niko, Yannis, Lara und mich auch weiterhin betreut. Wir freuen uns aber auch, wenn er nicht mehr den ganzen Tag arbeiten muss und den Ruhestand mit seiner Frau und den Enkeln genießen kann.“

 

Foto: Pressefoto Rudel