Rosina Schneider: Hürden-Shootingstar & Eliteschülerin

Googelt man den Namen Rosina Schneider, stößt man auf unzählige Zeitungsartikel, die von einem kometenhaften Aufstieg berichten. Innerhalb von nicht mal zwei Jahren steigerte die 19-Jährige ihre Bestzeit über 100 Meter Hürden von 14,69 auf 13,01 Sekunden, räumte bei den U20-Europameisterschaften 2023 zwei Goldmedaillen ab und holte bei den Deutschen Hallenmeisterschaften auf Anhieb den Titel.

Die logische Konsequenz: Der Shootingstar der deutschen Leichtathletik wurde Anfang Juni als jüngste Teilnehmerin des DLV-Teams für die Europameisterschaft in Rom nominiert, wo ihr direkt der Einzug ins Halbfinale gelang. So ganz nebenbei wurde die Empfingerin, die am Olympiastützpunkt Stuttgart wohnt und trainiert und 2023 am Wirtemberg-Gymnasium ihr Abitur machte, als Stuttgarter Eliteschülerin des Sports ausgezeichnet.

Wir haben uns mit der sympathischen Athletin am Olympiastützpunkt getroffen, um mit ihr über die Vereinbarkeit von Spitzenleistungen im Sport und in der Schule, sowie über ihr besonderes Jahr 2023 zu sprechen. 

Autor:Lara Auchter

25. Juni 2024

Rosina Schneider (rechts) im Vorlauf der Europameisterschaft 2024 in Rom.              Foto: Stefan Mayer

Rosina, die Medien überschlagen sich seit geraumer Zeit mit Superlativen, wenn sie über deinen Aufstieg im vergangenen Jahr berichten. Du hast national wie international Titel geholt und deine Bestzeit mit jedem Rennen verbessert. Hast du damit gerechnet?

Rosina Schneider: Ich glaube, mit so etwas hat niemand gerechnet (lacht). Ich hatte mir nämlich vor drei Jahren einen schweren Muskelbündelriss im Oberschenkel zugezogen, der mich lange außer Gefecht gesetzt hat. Als ich dann zurückkam, hatte mich niemand auf dem Schirm und ich bin auch erstmal ohne Erwartungen gelaufen. Dass es direkt so gut lief, hätte selbst ich nicht erwartet.

 
Du kommst ursprünglich aus einem kleinen Ort nahe Horb am Neckar. Seit nun mehr als drei Jahren lebst und trainierst du aber in Stuttgart. Erzähl uns doch ein bisschen von deinem Werdegang…

Rosina Schneider: Ich komme ursprünglich aus dem 450-Seelen-Dorf Wiesenstetten, einem Ortsteil von Empfingen, und mein Heimatverein ist der TV Sulz. Als Jugendliche war ich tatsächlich nie in irgendwelchen Kadern. Ich war schon immer schnell, wurde aber nicht wirklich wahrgenommen. 2021 bin ich dann für meine beiden Oberstufenjahre hier in Stuttgart auf das Sportinternat gekommen und habe letztes Jahr am Wirtemberg-Gymnasium mein Abi gemacht. Seit ich in Stuttgart bin, konnte ich meine Zeiten stetig verbessern und auch meine großen Erfolge feiern – unter anderem, weil ich Schule und Training super miteinander verbinden konnte und hier am Olympiastützpunkt die besten Bedingungen habe.

 
Während deiner Schulzeit warst du auch sehr engagiert und wurdest im Jahr 2023 als Eliteschülerin des Sports ausgezeichnet. Was bedeutet dir diese Ehrung?

Rosina Schneider: Das bedeutet mir natürlich sehr viel, auch weil ich nicht damit gerechnet hatte. Ich war trotz meines hohen Trainingspensums und der Sportkarriere auch in der Schule aktiv, war Kurssprecherin und Mitglied in der SMV. Für die Auszeichnung wurde ich von meiner Schule nominiert, was alleine schon eine große Ehre war. Dass ich dann wirklich ausgezeichnet wurde, hat nochmal alles getoppt und ich bin echt dankbar dafür.

Foto: Sparkassenverband BW

Was muss man denn alles leisten, um Eliteschülerin des Sports zu werden?

Rosina Schneider: Also natürlich sollte man eine gute Schülerin sein, sowie aktiv Leistungssport betreiben. Aber auch das Engagement spielt eine große Rolle. Entscheidend ist der Fakt, dass man trotz der hohen Anstrengungen und des Zeitaufwandes Sport und Schule perfekt unter einen Hut bekommt und vom Konzept der Sportschulen profitiert.

 
Du wurdest vom Präsidenten des Sparkassenverbandes geehrt. Was hast du denn alles bekommen?

Rosina Schneider: Es gab ein schönes Paket, in dem u.a. Kopfhörer und ein Geldbeutel drin waren. Und ich habe für den Olympiastützpunkt Stuttgart 8.500 Euro gewonnen. Zudem habe ich ein besonderes Zertifikat erhalten, das mir für meine spätere berufliche Karriere und bei Bewerbungen künftig sicherlich viel bringen wird.

 
2023 war ein wegweisendes Jahr für dich. Als Eliteschülerin des Sports hast du dein Abitur gemacht, aber auch im Sport hast du dich durch viele Medaillen als eines der Top-Talente in Europa etabliert…

Rosina Schneider: Es war auf jeden Fall ein sehr erfolgreiches Jahr, sportlich wie privat. Zuerst wurde ich zweifache Deutsche U20-Hallenmeisterin und holte mir auch in der Freiluft einen Deutschen U20-Meistertitel über die 100 Meter Hürden. Da dachte ich schon, es kann eigentlich nicht besser laufen – bis dann die U20-Europameisterschaften in Jerusalem kamen. Mit meinen zwei Goldmedaillen dort hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Das war definitiv das Highlight meiner bisherigen Karriere.

In diesem Jahr bist du nicht mehr in der Jugend, sondern bei den Aktiven unterwegs. Und auch dort gehen die Erfolge weiter…

Rosina Schneider: Es ist schon echt verrückt. Ich bin bei meinen ersten nationalen Meisterschaften bei den Aktiven schon deutsche Hallenmeisterin über die 60 Meter Hürden geworden und bin auch sonst sehr gut in die Freiluftsaison gestartet. Ich konnte wieder eine neue Bestzeit aufstellen und habe so tatsächlich noch ein Ticket für die Europameisterschaften in Rom bekommen. Es ist alles noch so surreal.

Jetzt bist du über die Hürden erfolgreich, aber eigentlich warst du lange Zeit eine reine Sprinterin. Wie kam es zu dem Switch?

Rosina Schneider: Ich habe mich immer als reine Kurzsprinterin gesehen und hatte dort auch immer gute Zeiten. Die Hürden bin ich immer so nebenher gelaufen. Meine Trainerin hat aber gemerkt, dass ich über die Hürden eigentlich noch besser bin. Nachdem dort dann auch tatsächlich schon bald die ersten Erfolge gekommen waren, bin ich eben Hürdenläuferin geworden (lacht). Ich möchte aber definitiv auch noch den Kurzsprint laufen. Er macht mir weiterhin mega Spaß und bringt mir auch viel für den Hürdenlauf. Dass ich im Flachen auch schnelle Zeiten laufen kann, ist denke ich ein kleiner Vorteil gegenüber den reinen Hürdenläuferinnen. Ich bin da in meinem Alter schon die Schnellste, was die reinen Laufzeiten angeht, und habe noch einiges Potential nach oben, da ich an meiner Hürdentechnik noch richtig viel arbeiten kann.

Ein weiteres besonderes Erlebnis für dich im vergangenen Jahr war deine Übersee-Reise. Erzähl uns doch mal davon…

Rosina Schneider: Ich wollte unbedingt nach meinem Abitur reisen und hatte dann durch den Landessportverband Baden Württemberg die Möglichkeit, im Oktober mit einer kleinen Delegation in die USA zu fliegen. Wir waren zuerst in Phoenix, Arizona und danach in Los Angeles, was vor allem auch in Bezug auf die Olympischen Spiele 2028 spannend war. Ich bin danach dann noch ein wenig in den USA geblieben. Erst ging es nach New York City, dann nach Florida und zum Abschluss noch nach Jamaika. In Florida war ich drei Wochen und habe dort mit Olympiasieger Christian Taylor und seiner Frau Beate Schrott trainiert. Das war eine richtig tolle Erfahrung. Das sind total nette Menschen und ich konnte von dort richtig viel für mich mitnehmen. Besonders Christian hat sich mir gegenüber geöffnet und mir viele Werte vermittelt – etwa, wie man mit Druck umgeht und sich mental am besten auf die großen Wettkämpfe einstellt. Auch habe ich dort die US-Athleten Grant Holloway und Anna Hall (Weltmeister über 110 Meter Hürden und Vizeweltmeisterin im Siebenkampf) kennengelernt und gesehen, wie die besten Athleten der Welt trainieren.

 
Die besten Athleten der Welt hast du dann auch nochmal in Jamaika gesehen …

Rosina Schneider: Jamaika war eine ganz andere Welt. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich mit den schnellsten Frauen der Welt trainiert habe. Die Trainingsbedingungen und Maßnahmen dort sind so unterschiedlich zu unseren und alles ist auf den Sprint ausgerichtet. Natürlich hat Jamaika auch gute Weitspringer oder Athleten in den technischen Disziplinen, diese trainieren aber normalerweise in den USA. In Jamaika wird sechs bis acht Stunden am Tag trainiert. Ich habe in diesen paar Wochen so viel gelernt und zahlreiche neue Trainingsübungen gemacht, die ich auch schon hier implementiert habe. Besonders Shelly-Ann Fraser-Pryce, die warscheinlich beste Sprinterin aller Zeiten, hat sich Zeit genommen und mir persönlich Tipps gegeben. Das war sehr besonders. Allgemein in dieser Trainingsgruppe voller Weltklasse-Athleten gewesen zu sein und auch die Menschen hinter den Sportlern kennengelernt zu haben, war eine magische Erfahrung. Meine Zeit in Jamaika werde ich nie vergessen.

Foto: Beautiful Sports/R. Schmitt

Jetzt gerade konzentrierst du dich voll und ganz auf deinen Sport und die anstehenden Wettkämpfe. Ab Oktober möchtest du aber studieren. Hast du dir schon Gedanken gemacht, in welche berufliche Richtung es bei dir gehen soll?

Rosina Schneider: Also ich möchte dem Sport auf jeden Fall treu bleiben. Ich könnte mir gut vorstellen, irgendwann mal an einem Olympiastützpunkt zu arbeiten oder bei einem Sportausrüster Athleten zu betreuen – etwas in diese Richtung. In den Bereichen Sportwissenschaft und Sportmanagement gibt es recht gute Studiengänge für Athleten. Aktuell mache ich mir dazu aber noch keine konkreten Gedanken. Ich lasse es auf mich zukommen und mache dann das, was mir Spaß macht.

Foto: Stefan Mayer

FACTBOX

Rosina Schneider…

…ist ein stolzes Dorfkind.

…hat eine eigene Plakette mit ihren Erfolgen in ihrem Heimatdorf.

…hat bei Deutschen Meisterschaften eine Siegquote von 100%.

…wurde im August 2023 vom DLV zum „Ass des Monats“ gewählt.

…hat einen Abiturschnitt von 2,1.

…isst am liebsten Flädlesuppe und Spaghetti Carbonara.

…hatte in der Schule als Lieblingsfächer Sport und Kunst.

…spielt in ihrer Freizeit am liebsten Klavier und schaut Sonnenuntergänge.

…schaut am liebsten die Serie Prison Break.