Stuttgart Cricket Verein – Eine Randsportart auf dem Vormarsch

Die Herrenmannschaft des SCV beim Training im Schlagkäfig. Der Werfer (2. von rechts) hat gerade den Ball in Richtung „Wicket“ (die blaue Holzkonstruktion) geworfen. Im Vordergrund steht der Batsman auf der „Pitch“, einer 20 Meter langen und drei Meter breiten Matte, und versucht den Ball zu treffen und wegzuschlagen

Fotos: BeLa Sportfoto

Was ist Cricket und wie funktioniert es?
Dies fragen sich in Deutschland tatsächlich die meisten Menschen, wenn sie zum ersten Mal den Begriff „Cricket“ hören. Die Personen, die mit dem Spiel vertraut sind, waren meist für längere Zeit in den „Cricket-Nationen“ England, Indien, Südafrika oder Australien und haben die Sportart dort kennengelernt.

„Vom Prinzip her ist Cricket dem Baseball am ähnlichsten, wobei es doch einige große Unterschiede gibt. Die Schlag- und Wurfarten sind anders und man rennt auch nicht ringsum im Quadrat“, erklärt Yvonne Schubert. „Bei uns im Cricket gibt es zwei Mannschaften à elf Spieler:innen, die Schlagmannschaft und die Feldmannschaft. Von der Schlagmannschaft sind in der ersten Spielhälfte immer nur zwei Spieler:innen gleichzeitig auf dem Feld. Diese stehen sich gegenüber und versuchen, den Ball möglichst weit wegzuschlagen, damit sie Punkte machen können. Die Feldmannschaft steht verteilt über das Feld und versucht, den Ball so schnell wie möglich wieder in die Mitte des Spielfelds zurückzutransportieren. Zur Feldmannschaft gehört auch der Werfer, der den Ball in Richtung Schlagmann wirft und versucht, das sogenannte Wicket (eine Konstruktion aus drei Längs- und zwei Querstäben) zu treffen. Während der Ball noch nicht wieder in der Mitte angekommen ist, tauschen die Schlagmänner ihre Plätze.“

Es gibt verschiedene Szenarien, weshalb ein Schlagmann den Platz verlassen und durch einen neuen ersetzt werden muss. Zum Beispiel, wenn ein Feldspieler den geschlagenen Ball direkt fängt oder der Ball wieder in der Mitte ist, bevor die beiden Schlagmänner ihre Plätze getauscht haben. Das nennt man dann „Out“. Die wichtigste Art des „Out“ für einen Batsman ist, wenn er den geworfenen Ball nicht trifft und der Ball daraufhin das Wicket berührt. Wenn zehn von elf Schlagmännern den Platz verlassen mussten, ist die Halbzeit vorzeitig beendet und die Mannschaften tauschen. Das bedeutet, die Schlagmannschaft wird zur Feldmannschaft und umgekehrt.

Cricket steht in dem Ruf, dass die Spiele eine Ewigkeit dauern können. Ist das tatsächlich so? Yvonne Schubert: „Früher wurde sehr langsam gespielt und die Spiele streckten sich zum Teil über mehrere Tage! Als wir 2011 angefangen haben, war das sogenannte 50-Over noch das Standardformat für Ligaspiele in Deutschland. Diese Spiele gehen dann auch mal acht Stunden lang. Inzwischen konzentriert man sich in Deutschland auf das T-20, das sind dann 20 Over pro Halbzeit und somit 120 Bälle, die gespielt werden. Das dauert ungefähr drei bis dreieinhalb Stunden.“

Aktuell gibt es in Deutschland zwei nebeneinanderstehende Bundesligen im Cricket. Einmal die 50-Over und einmal die T-20.

Der Stuttgart Cricket Verein e.V.
Dass es in Stuttgart einen Cricketverein gibt, ist Roshan Ranasinghe und seinem Freund Aravinda Ruhunuhewa zu verdanken. „Ich komme ursprünglich aus Sri Lanka und habe dort lange mit einem Freund gemeinsam auf College-Ebene recht hochklassig Cricket gespielt. Als wir nach Deutschland gekommen sind, wollten wir weiterhin Cricket spielen. Aber in der Region gab es weit und breit keine Möglichkeit. Den nächsten Verein haben wir dann damals in Bonn gefunden und sind immer dort hingefahren. Da sich die Spiele ja zum Teil über acht Stunden erstrecken, sind wir morgens um drei Uhr losgefahren und nachts um elf Uhr völlig erschöpft zurückgekommen. Als dann der Moment kam, dass wir auf dem Seitenstreifen der Autobahn im Auto eingeschlafen sind, war klar, so geht es nicht weiter.

Daraufhin haben wir 2011 den Verein gegründet“, lacht der Vorsitzende des Stuttgart Cricket Vereins. Am Anfang konnten sie gerade so sieben Leute für die Vereinsgründung zusammenkratzen. Im zweiten Jahr trat das Team dann mit zehn bis elf Spielern an. Inzwischen hat der SCV zwei Herrenteams sowie zwei Kindermannschaften.

Cricket für Kinder
„Gerade die Nachfrage für das Kindercricket boomt im Moment enorm“, freut sich Yvonne Schubert. „Zu Beginn sind wir zum Teil in die Schulen gegangen und haben dort Trainings abgehalten. Mittlerweile spricht sich unser Angebot durch Mund-zu-Mund Propaganda herum und auch unsere Facebookpräsenz kommt gut an. Wir haben zum Beispiel auch als einer der ersten Vereine in Deutschland ein Turnier für Kinder ausgerichtet. Mich freut es auch ganz besonders, dass wir inzwischen auch ein paar Mädchen dabei haben.“
Waren die SCV-Macher zu Beginn die einzigen, die in der Region in der Liga gespielt haben, sind es inzwischen acht oder neun Vereine. Alleine dieses Jahr sind drei neue Vereine dazu gekommen. „Aber wir sind der einzige eigenständige Cricketverein. Die anderen gehören alle zu großen Mehrspartenvereinen“, so Roshan Ranasinghe.

Behelfs-Spielfeld auf dem Fußballplatz
Seit rund zwei Jahren trainiert der SCV auf einem öffentlichen Fußballplatz, den die Stadt zur Verfügung gestellt hat, da das angestammte Spielfeld saniert wird. „Deshalb haben wir auch seit zwei Jahren keinen Platz, auf dem wir Heimspiele austragen können“, bedauert Yvonne Schubert. „Wir haben hier in Deutschland, und ganz besonders im Süden, generell ein infrastrukturelles Problem im Cricketsport. Man benötigt ein sehr großes Feld, im Optimalfall eines, das doppelt so groß ist wie ein Fußballfeld. Außerdem bräuchte man eine feste, 20 Meter lange und drei Meter breite Laufbahn für die Schlagmänner in der Mitte des Feldes. In England ist das ein ganz spezieller Rasen, der sehr pflegeaufwändig ist und außerhalb der Spiele nicht betreten werden darf. Hier in Deutschland müssen wir behelfsweise vor jedem Ligaspiel 20-25 Holzplatten auf das Spielfeld schleppen und darauf eine dicke Kokos- oder Kunststoffmatte befestigen. Eine Alternative wäre, die Bahn zu betonieren und Kunstrasen darauf anzubringen, aber das wollen die Fußballvereine natürlich nicht auf ihren Plätzen haben.“

Sportliche erfolge
Für diese Verhältnisse ist der Stuttgart Cricket Verein sehr erfolgreich. Da durch Corona bisher kein neuer Meister gekürt werden konnte, ist der SCV aktuell noch Deutscher Vizemeister im 50-Over. Mit der T-20 spielen die Stuttgarter in der Regionalliga, die sich bis nach Rheinland-Pfalz und ins Saarland erstreckt. Für diese Spiele sind dann auch mal Anreisen zum Bodensee, nach Freiburg oder Kaiserslautern notwendig, was für den kleinen Verein finanziell und logistisch nicht einfach zu schultern ist. „Unsere weiteste Reise war bisher das T-20 Halbfinale in Berlin. Hätten wir da den Meistertitel geholt, wäre es als nächstes zu den internationalen Ausscheidungen nach Spanien gegangen“, erinnert sich Yvonne Schubert.

Kontakt zum Stuttgart Cricket Verein
Wer selbst einmal Cricket ausprobieren möchte, kann sich über www.stuttgartcricketverein.com mit dem SCV in Verbindung setzen.