Stuttgart Giants: Aussie Rules Football in Feuerbach

Das Spielfeld ist so oval wie der Ball, die Zweikämpfe sind so hart wie fair und es steckt jede Menge Leidenschaft dahinter. Die Rede ist von Australian Rules Football, einem Sport, der sich in Deutschland am äußersten Rand des Nischensports befindet, in Australien aber im Schnitt 30.000 Zuschauer in die Stadien lockt. Dass auch in Stuttgart „Footy“ gespielt wird, ist bisher nur Insidern bekannt. Und wäre beim Bundesliga-Brunch der SportRegion Stuttgart Anfang Mai nicht Jack Murfett, Australier, Trainer, Spieler und Motivator der Stuttgart Giants in Personalunion, unser Tischnachbar gewesen, hätten vielleicht auch wir nie davon erfahren. So aber konnten wir der Australian Football-Abteilung der Sportvereinigung Feuerbach beim Bundesliga-Spitzenspiel gegen den Titelverteidiger Berlin Crocs einen Besuch abstatten und dabei feststellen: Hier wird mit echtem Herz gespielt – und das auf einem der besten ovalen Sportplätze Deutschlands. Zwar waren wir bis auf vier weitere Fans die einzigen Externen am Spielfeldrand und auch die Regeln haben sich uns nicht immer erschlossen, aber die Begeisterung der Akteure war ansteckend und wir waren mit Sicherheit nicht zum letzten Mal dabei. Nach der 31:60-Niederlage der Giants hat uns Jack Murfett einige Einblicke in die faszinierende Welt des Aussie Rules Football gegeben.

Autor:Lara Auchter

30. Juni 2025

Beim Aussie Rules Football geht es hart zur Sache. Foto: Linda Grof

Australian Football – was ist das eigentlich?

„Footy ist einzigartig. Es ist wie kein anderer Sport“, schwärmt Jack Murfett. Wer ihn erlebt, merkt sofort: Für ihn ist Australian Football mehr als nur ein Spiel. Der Australier, den sein Job 2019 nach Stuttgart verschlagen hat, fand in der Landeshauptstadt über den Sport ein Gefühl von Heimat und er wurde 2022 Trainer der Stuttgart Giants: „Im ersten Jahr in Deutschland habe ich nicht gespielt – aber irgendetwas hat mir gefehlt. Dieses Mannschaftsgefühl und der Teamgeist, das hat mich dann wieder gepackt. Jetzt ist das hier mein Zuhause.“

Australian Rules Football – auch „Aussie Rules“ oder „Footy“ genannt – ist eine der beliebtesten Sportarten Australiens. Gespielt wird mit einem eiförmigen Ball auf einem ovalen Spielfeld, das deutlich größer ist als ein Fußballplatz. Zwei Teams mit jeweils 18 Spielern treten gegeneinander an. Ziel ist es, durch präzise Pässe, schnelle Läufe und wuchtige Kicks den Ball zwischen die vier Torpfosten zu befördern. Für einen Treffer durch die mittleren Stangen gibt es sechs Punkte, für Tore zwischen den beiden äußeren Pfosten einen. Sobald ein Spieler im Besitz des Balles ist, darf er vom gegnerischen Team zu Boden gebracht werden.

Klingt wie eine Mischung aus Rugby, Fußball und American Football? Ist es irgendwie auch – aber doch ganz anders. „Es ist ein einzigartiger Sport“, sagt der 33-Jährige. „Man kann ihn mit nichts wirklich vergleichen. Von allem ein bisschen, aber nichts ganz.“

Footy in Deutschland auf kleinen Feldern

Da echte Ovalstadien wie in Australien fehlen, passen sich die Regeln hierzulande an. Gespielt wird oft mit kleineren Mannschaften auf zwei zusammengelegten Fußballfeldern. Dennoch bleibt der Sport intensiv, dynamisch und taktisch anspruchsvoll. „Wir haben zwar keine fest einstudierten Spielzüge wie im American Football, aber sehr wohl Taktiken, die wir je nach Gegner und Spielsituation anpassen. Der Sport ist aber immer dynamisch, schnell, körperlich – und sehr fair“, erklärt Jack Murfett.

Die Giants: international, familiär, ehrgeizig

Die Mannschaft entstand 2017 aus dem Zusammenschluss zweier kleinerer Teams, den „Stuttgart Emus“ und den „Freiberg Taipans“. Der Name: Württemberg Giants, mittlerweile einfach Stuttgart Giants. Seit dem Umzug zur Sportvereinigung Feuerbach 2023 sind die Giants nicht nur offiziell eine Abteilung, sondern auch sportlich richtig angekommen. „Die Entscheidung für Feuerbach war das Beste, was wir je gemacht haben. Die Platzqualität ist hier einzigartig. Jede Gastmannschaft sagt: Euer Platz ist unglaublich. Die Markierungen, die Qualität des Rasens – alles top. Das ist der schönste Platz in Deutschland“, schwärmt auch der Wahl-Stuttgarter.

Auch das Team ist besonders. Obwohl der Sport australische Wurzeln hat, sind die meisten Spieler Deutsche – ergänzt durch Australier, Brasilianer, Spanier und internationale Expats. „Die kommen nach Stuttgart, kennen niemanden und suchen Anschluss. Meistens bleiben sie dann bei uns hängen, weil sie ihn hier finden. Es geht bei uns um Sport, aber auch um Zugehörigkeit. Wir sind eine richtige Familie.“

Ein Sport, der Herz und Geld kostet

Die Giants spielen in der höchsten deutschen Liga als Teil der Australian Football League Germany, dem offiziellen Verband unter dem Dach der AFL Europe. Acht bis neun Teams messen sich regelmäßig – von Berlin über Frankfurt und Dresden bis Kiel. Die Saison dauert bis September und das Liga-Finale findet am 20.09.2025 in Stuttgart statt. „Letztes Jahr waren es beim Finale 200 Zuschauer. Das war schon großartig. Dieses Jahr hoffen wir auf mehr – und darauf, selbst im Finale zu stehen.“

Doch der Weg dahin ist hart – nicht nur sportlich. Aussie Rules ist ein reiner Amateursport, es gibt keine Bezahlung. „Jeder von uns zahlt drauf. Reisen, Unterkunft, Ausrüstung – das sind schnell 300 bis 500 Euro im Jahr.“ Dank einiger weniger Sponsoren kann ein Teil der Kosten gedeckt werden. „Das meiste läuft jedoch über Mitgliedsbeiträge, Events und viel Eigeninitiative“, verrät der Headcoach.

Jack Murfett (links) in seinem Element.

Vision: Sichtbarkeit und Begeisterung

Trotz sportlicher Erfolge sind die Zuschauerzahlen noch überschaubar. Meist kommen Freunde und Familie. „Wenn die Frauenmannschaft am gleichen Tag spielt, haben wir doppelt so viele Fans“, sagt Murfett und lacht. „Aber wir arbeiten daran und bemühen uns um mehr Sichtbarkeit. Social Media, Plakate, Banner, lokale Berichterstattung – alles hilft.“ Doch das beste Mittel? Einfach die Leute mitbringen, besonders junge Menschen, die Lust auf diesen einzigartigen Sport haben. „Wer einmal da war, kommt fast immer wieder. Das Spiel ist mitreißend.“ Und wer einmal ein Match live sieht, merkt schnell: Das ist mehr als nur ein Spiel. Das ist Herzblut.

Für Jack Murfett steht fest: Stuttgart ist sein Lebensmittelpunkt – beruflich als auch sportlich. Dass er fast akzentfrei Deutsch spricht, ist Ergebnis harter Arbeit: „Zweimal die Woche jeweils drei Stunden Einzelunterricht. Ich wollte nicht nur klarkommen, sondern wirklich dazugehören.“ Und so geht es auch seinem Team: Sie gehören dazu – und sind Vorreiter für eine wachsende, internationale Nischensportkultur mitten in Baden-Württemberg.

Alle Termine der Stuttgart Giants gibt es unter www.aflg.de oder auf dem Instagram-Kanal des Teams @stuttgart_giants. Auch ein Probetraining ist jederzeit möglich – ob bei der Herren- oder Damenmannschaft. Sportliche Vorkenntnisse sind nicht nötig.

Gruppenbild mit Gegner: Die Stuttgart Giants (grüne Trikots) mit den Berlin Crocs.