Bietigheim wartet zu Hause weiter auf den Befreiungsschlag
Auch im Derby gegen den TVB Stuttgart reicht es für den Aufsteiger nicht zum ersten Heimsieg. Die SG BBM unterliegt durch einen Buzzer-Beater von Lenny Rubin mit 29:30 (15:14) Toren. Während der Abstand des Aufsteigers auf die Abstiegszone auf nur noch drei Punkte schrumpft, steht Stuttgart nach dem zweiten Erfolg hintereinander jetzt über dem Strich.
Bietigheim muss zunächst einen Verletzungsschock verarbeiten. Tom Wolf, in den letzten Partien einer der Leistungsträger bei der SG BBM, landet bereits im ersten Angriff im Gegnerkontakt auf der Hand. Dem Rückraum-Shooter droht mit einer Handverletzung ein längerfristiger Ausfall. Doch die Jungs von Iker Romero zeigen eine Trotzreaktion, machen ihre Abwehr dicht und führen nach 21 Minuten durch den Treffer von Jonathan Fischer bereits mit 13:6 Toren. Stuttgart ist unter Druck, TVB-Coach Jürgen Schweikardt bringt früh den zusätzlichen Feldspieler, um den Knoten im Angriffsspiel zu lösen.
Das zeigt durchschlagenden Erfolg, weil die Hausherren nicht konsequent genug bei ihrer Anfangsphase bleiben. Das Pendel neigt sich viel schneller, als es SG BBM-Coach Iker Romero lieb sein kann, in Richtung der Gäste. Der Vorsprung ist unversehens wieder aufgebraucht, Stuttgart steht jetzt in der Abwehr stabiler und Bietigheim beißt sich im Positionsangriff fest. Technische Fehler häufen sich bei den Hausherren. Bezeichnend ist für diese Phase, wie noch vor der Pause der Anschlusstreffer des TVB fällt. Bietigheim verliert Sekunden vor der Halbzeit den Ball, Daniel Fernandez startet durch und trifft zum 15:14.
Halbzeitübergreifend ist es ein 2:10-Lauf, der Stuttgart beim 15:16 die erste Führung bringt. Ein zähes Ringen um jeden Ball begleitet die zweite Hälfte. Stuttgart kann sich auf nicht mehr als zwei Tore absetzen (16:18, 22:24). Bietigheim strahlt weiter zu wenig Gefährlichkeit aus dem Rückraum aus, dafür stechen die Außenspieler. Gonzalo Pérez ist mit neun Toren der erfolgreichste Werfer auf dem Platz, verwandelt zudem drei Bälle vom Siebenmeterpunkt. Auf der linken Außenbahn steuert Till Hermann fünf Tore bei. Und die beiden Kreisspieler Jonathan Fischer und Fabian Wiederstein glänzen mit einer perfekten Wurfquote.
Stuttgart legt bis zur Schlussphase meist vor, hat in Kai Häfner und Daniel Fernandez seine erfolgreichsten Werfer. Und dennoch liegen ganz am Ende alle Chancen beim wacker kämpfenden Aufsteiger. Nach dem 29:29 bietet sich der SG BBM zweimal die Wurfchance auf den Führungstreffer. Am Ende jubelt Stuttgart im Lokalderby über den Siegtreffer, den Rubin praktisch mit dem Schlusspfiff versenkt.
Letzte Ausfahrt für den ersten Heimsieg
Eine Gelegenheit bleibt dem Aufsteiger noch für den ersten Heimsieg im Jahr 2024. Am Samstag (19 Uhr) empfängt die SG BBM Bietigheim den Handball Sport Verein Hamburg. Bis zur WM-Pause stehen nur noch die Auswärtspartien bei den Top-Teams in Kiel und Flensburg auf dem Hinrundenspielplan.
Ein klein wenig scheint es schon wie verhext. Die Jungs von Iker Romero holen sieben ihrer acht Punkte in fremden Hallen. In der heimischen EgeTrans Arena aber können sich die Bietigheimer Handballer einfach nicht belohnen. Den einzigen Punkt erkämpften sich die Spieler um Kapitän Paco Barthe beim 28:28 gegen den TSV Hannover-Burgdorf. Auch im Derby gegen den TVB Stuttgart ging es am vergangenen Montag zum wiederholten Male ganz eng zu. Der Aufsteiger unterliegt durch ein Gegentor in letzter Sekunde mit 29:30. Auch im Heimspiel zuvor gegen den SC DHfK Leipzig steht am Ende eine ganz knappe 28:29-Niederlage. Und im rechten Lichte betrachtet wäre auch bei den beiden Unentschieden der Bietigheimer in dieser Saison mehr drin gewesen. Die Abstiegszone rückt näher für den so furios gestarteten Neuling. Will man am Ende der Hinrunde nicht doch noch unterm Strich stehen, wäre es am Samstag höchste Zeit für den ersten doppelten Punktgewinn vor den heimischen Fans.
Die Derbyniederlage rückte durch die Verletzung von Tom Wolf am Montagabend zunächst in den Hintergrund. Der erfolgreichste Bietigheimer Torewerfer hatte sich bereits nach 40 Sekunden eine schwere Handverletzung zugezogen. Der 30-jährige Rückraum-Shooter wurde bereits am Dienstag operiert. Die medizinische Abteilung der SG BBM rechnet mit einer Ausfallzeit von mindestens 10 Wochen. Tom Wolf, der gerade in den letzten Partien mit herausragenden Leistungen auf sich aufmerksam gemacht hatte, wird damit auch den Auftakt der Rückrunde Anfang Februar verpassen.
Iker Romero muss nach dem Ausfall seines Top-Werfers Taktik und Spielidee anpassen. Der Spanier macht das mit einer für ihn typischen Ansage: „Wenn ein Spieler ausfällt, müssen die anderen näher zusammenrücken. Jeder muss einen Schritt nach vorne gehen und noch ein paar Prozente mehr aus sich herauskitzeln, um den verletzen Spieler zu ersetzen. Dabei setzen wir nicht auf einen Spieler, sondern auf die Leistung des gesamten Teams.“ Also wird von Julius Kühn, Fynn Nicolaus, Juan de la Peña & Co., aber auch vom bislang meist nur in der Defensive eingesetzten Nikola Vlahovic mehr gefordert sein.
Eines muss man den Hanseaten lassen: Ihren Fans wird es nie langweilig. Der Handball Sport Verein Hamburg beschäftigte schon weit vor dem Saisonstart die Öffentlichkeit. Bis ein Schiedsgericht den Lizenzentzug der Handball-Bundesliga wieder aufgehoben und Hamburg auch die letzte an die Lizenzerteilung geknüpfte Bedingung erfüllt hatte, war es Anfang Juni geworden. Der HSVH hatte wenige Tage zuvor die Runde auf einem hervorragenden 9. Rang abgeschlossen.
Die Hanseaten liegen nach 14 Spieltagen mit 13 Punkten aktuell auf dem 11. Rang. Damit stellt die Mannschaft von Trainer Torsten Jansen – einem der deutschen Weltmeister von 2007 – wie auch in der letzten Saison unter Beweis, dass sie das Drumherum im sportlichen Bereich wunderbar ausblenden kann. Hamburg hat nach der vergangenen Saison einige Spieler ziehen lassen. U21-Weltmeister Moritz Sauter und der ägyptische Torsteher Mohamed El-Tayar (HBW Balingen-Weilstetten) sind die prominentesten Neuzugänge. Sportlich läuft es in Hamburg mit sieben Punkten aus fünf Spielen zuletzt hervorragend. Erst am Mittwoch fand die kleine Hamburger Erfolgsserie mit der 35:28-Niederlage bei Tabellenführer MT Melsungen ihr Ende. Die Leistung von Spielmacher Leif Tissier, mit 70 Toren erfolgreichster Werfer des Teams, wurde mit der Berufung in den deutschen 35er-Kader für die bevorstehende WM belohnt.
Der HSVH spielt unter Torsten Jansen einen selbstbewussten temporeichen Handball. Viel geht über die Außenpositionen, über Fredrik Bo Andersen (rechts) und Casper Mortensen (links). Neben Tissier sorgt Jacob Lassen für viel Torgefahr aus dem rechten Rückraum. Andersen, Mortensen und Lassen entstammen alle drei übrigens der feinen dänischen Handballschule.
Worauf die SG BBM vorbereitet sein muss, ist das Spiel über den Kreis. Niklas Weller und Andreas Magaard werden von ihren Mitspielern erstklassig in Szene gesetzt. Nachdem im Tor der Norweger Robin Haug und Neuzugang El-Tayar jetzt dauerhaft im Kader stehen, hat Johannes Bitter mitten in der Hinrunde seinen Rücktritt erklärt. Der 42-Jährige soll – so ist der Plan – gegen die SG Flensburg-Handewitt sein Abschiedsspiel machen. Der frühere deutsche National-Keeper wird zukünftig als Sportdirektor die Geschicke des Vereins lenken.
Berichte: Bernhard Gaus