Spitzensportler über Druck, Fehler und Existenzängste

Die Spitzensportler Jana Spegel, Milan Hosseini, Laura Raquel Müller, Rosina Schneider und Melanie Böhm erzählen über psychischen und finanziellen Druck im Leistungssport.

„Was kommt auf junge Sportlerinnen und Sportler und ihre Familien zu, wenn sie plötzlich im Rampenlicht stehen?“ Diese Frage wollten wir in einer abendlichen Onlinerunde klären, zu der wir Persönlichkeiten aus dem aktiven Sport sowie Wegbegleiter aus verschiedenen Bereichen drumherum eingeladen haben. Herausgekommen ist eine über zweistündige Diskussion, in der es um unterschiedlich gewichtete Sportarten, die oft unzureichende Sportförderung, Drucksituationen im Spitzensport, aber auch Existenzängste von jungen Athletinnen und Athleten ging. Jana Spegel (21, Rollstuhl-Tischtennis, TT Frickenhausen), Melanie Böhm (24, Leichtathletik, VfL Sindelfingen), Milan Hosseini (23, Turnen, TG Böckingen) und die am Olympiastützpunkt Stuttgart trainierenden Rosina Schneider (20, Leichtathletik, TV Sulz am Neckar) und Laura Raquel Müller (20, Leichtathletik, TSG Öhringen) berichteten dabei aus dem aktiven Sport. Mentorin und Mentaltrainerin Lena Backhaus (München), die Sportler-Eltern Brigitta und Harro Siegemund (Metzingen), Fußball-Spielerberater Hakan Aslan (Neckarsulm) und die Sportjournalistin und ehemalige Leichtathletin Denise Krebs (Leipzig) erzählten von ihren Erfahrungen. Einen Teil dieses spannenden Austauschs geben wir hier für unsere Leserinnen und Leser wieder.

Autor:Ralf Scherlinzky

11. Dezember 2024
Rosina Schneider

Hürdenläuferin, U20-Europameisterin, Deutsche Meisterin, EM-Teilnehmerin 2024

„Wenn du keine Leistung bringst, fliegst du aus dem Kader und erhältst keine Sporthilfe-Förderung mehr. Bei mir im Sprint können ein paar Tausendstel Sekunden über die ganze Karriere entscheiden.“

Foto: Stefan Mayer

Psychischer Druck in allen Facetten

„Die ersten neun Monate 2024 stand ich eigentlich nur unter Strom“, berichtet Weitspringerin Laura Raquel Müller. „Ich bin im Januar in der Halle 6,81m gesprungen und habe damit kurzzeitig die Weltrangliste angeführt. Ab da wurde ich bei jedem Wettkampf als diejenige angekündigt, die in die Weltspitze gesprungen ist. Die Leute wollten die 6,81 nochmal sehen und der Druck war deshalb noch größer. Mit den 6,81m war ich aber auch mitten im Rennen um die drei Olympia-Startplätze angekommen. Malaika Mihambo und Mikaelle Assani waren schon safe qualifiziert, also lief es auf einen mehr als ein Vierteljahr dauernden Zweikampf zwischen Maryse Luzolo und mir hinaus. Das war ein Kreislauf, aus dem es kein Entkommen mehr gab. Wir sind quer durch Europa gereist, um bei Wettkämpfen Punkte für die Rangliste zu sammeln. Nach jedem Wettkampf wurde neu gerechnet. Ausschlaggebend war letztlich die DM in Braunschweig. Ich wusste im Vorfeld, wenn Maryse weiter als 6,60m springt, ist sie dabei. Bei meinem zweiten Versuch bin ich schwer gestürzt. Zwar bin ich mit Schmerzen und dick bandagiertem Knie nochmal gesprungen, bin aber ausgeschieden. So musste ich mit ansehen, wie Maryse Deutsche Meisterin wurde. Ich kann nicht beschreiben, was für ein immenser Druck das war. Ich saß verzweifelt und heulend auf der Tribüne, als plötzlich der Bundestrainer zu mir kam und mir eröffnete, dass er dennoch mich nach Paris mitnimmt, weil Maryse die 6,60m nicht geschafft hatte.“

Komplett ins kalte Wasser geworfen wurde dagegen Rosina Schneider mit ihrer Nominierung zur Europameisterschaft in Rom. „Ich war eigentlich schon raus aus der Quali und saß daheim auf dem Sofa, als der Anruf kam. Eine Französin hatte zurückgezogen, weshalb ich nachgerückt und am nächsten Tag nach Rom geflogen bin. So war ich beim größten Leichtathletik-Event in Europa dabei, ohne mich mental darauf vorbereiten zu können. Das war herausfordernd“, erzählt die 20-jährige Hürdensprinterin. „Es war toll, dass ich diese Erfahrung machen durfte, es ist aber auch viel auf mich eingestürmt, was ich erst viel später zuhause verarbeiten konnte.“

Laura Raquel Müller

Weitspringerin, Dritte U20-EM, Teilnehmerin EM + Olympische Spiele 2024

„Ich wurde bei den Wettkämpfen als die angekündigt, die mit 6,81m in die Weltspitze gesprungen ist. Die Leute wollten die 6,81 nochmal sehen, alles darunter war enttäuschend. Der Druck war jedes Mal groß.“

Foto: Thomas Kircher

Im Eilzug-Tempo verlief die bisherige sportliche Karriere von Jana Spegel: Innerhalb von vier Jahren ging es von der Schul-AG über die Weltmeisterschaft 2022 und die EM 2023 zu den Paralympics nach Paris. „Das war schon eine Größenordnung, bei den Paralympics plötzlich vor 7.000 Zuschauern zu spielen“, sagt die 21-jährige Rollstuhl-Tischtennisspielerin mit viel Respekt. „Ich hatte auch erst recht knapp erfahren, dass ich tatsächlich in Paris dabei bin – insofern hatte ich bei der Vorbereitung auch nicht wirklich einen Plan. Da war es gut, dass wir einige erfahrene Sportlerinnen im Team hatten, die mich in etwa darauf vorbereiten konnten, was mich erwartet. Wenn man dann tatsächlich dort ankommt, ist es aber dennoch überwältigend. Ich hatte in Paris in jedem Fall eine schöne Zeit mit vielen neuen Eindrücken.“

Milan Hosseini hat bereits eine gute Vorstellung, was auf ihn bei künftigen Großevents im Turnen zukommt. „Bei den großen Wettkämpfen besteht das Team aus fünf Turnern plus einem Ersatzmann. Ich war sowohl bei der WM 2022 als auch bei Olympia 2024 als Ersatz dabei und konnte mir alles in Ruhe anschauen. Jetzt ist es aber an der Zeit, dass ich dort auch mal turnen darf“, so der 23-Jährige, der mit 14 Jahren von Heilbronn ans Sportinternat nach Berlin umzog und bei seiner ersten EM-Teilnahme 2023 gleich die Bronzemedaille am Boden gewann.

Melanie Böhm blieben die großen Events bisher verwehrt. „Ich bin das beste Beispiel dafür, was passiert, wenn man sich zu viel Druck macht“, schüttelt die 24-Jährige den Kopf (siehe eigener Bericht auf Seite 10). „Ich war 2021 bei der U23-EM dabei und bin bei der DM im gleichen Jahr die B-Norm für die Europameisterschaft in Rom gelaufen. Diese Zeit hätte ich 2024 nochmal bestätigen müssen, habe es aber leider nicht geschafft. Mein großes Ziel von der EM-Teilnahme war zum Greifen nahe, ich bin aber leider unter dem Druck zusammengebrochen.“

Milan Hosseini

Gerätturner, Deutscher Meister + EM-Dritter Boden, Ersatzturner Olympische Spiele 2024

Brigitta und Harro Siegemund

Eltern von Tennisspielerin Laura Siegemund

Von enormem psychischem Druck berichten auch Brigitta und Harro Siegemund, deren Tochter Laura schon als Zwölfjährige als „die neue Steffi Graf“ betitelt worden war. „Wir waren eine normale sportliche Familie und hatten mit Spitzensport noch keine Berührungspunkte. Lauras Talent war ersichtlich und sie war hoch motiviert, aber wir wussten nicht, wie man am besten vorgeht, um ihr die optimale Förderung zukommen zu lassen. Wir mussten fast alles allein stemmen und haben uns bei vielen Dingen auf den Rat von Fachleuten verlassen, was sich im Nachhinein nicht nur einmal als Fehler erwiesen hat. Als wir dann die Dinge zum Teil in die eigene Hand genommen haben, wurde uns vorgeworfen, dass wir uns zu sehr einmischen – da waren wir dann plötzlich die überehrgeizigen Eltern“, erinnert sich Harro Siegemund, und seine Frau Brigitta ergänzt: „Uns wurde unter anderem von einem Bundestrainer empfohlen, dass Laura die Mittlere Reife machen und sich dann voll auf den Sport konzentrieren soll. Sie hat dann dennoch ihr Abi gemacht, Psychologie studiert und es trotzdem in die Weltspitze geschafft.“

Finanzieller Drahtseilakt

Brigitta Siegemund hatte ihren Job aufgegeben, um ihre Teenager-Tochter zu Turnieren zu begleiten und sie bei organisatorischen Dingen zu unterstützen. „Irgendwann konnten wir das finanziell aber nicht mehr stemmen mit der Fliegerei, also bin ich wieder daheimgeblieben und habe von zuhause versucht, sie so gut wie möglich zu unterstützen“, erzählt sie. Eine der Folgen: Mit 20 Jahren hängte Laura den Schläger erstmal an den Nagel und widmete sich ihrem Studium. Gut für das deutsche Tennis, dass die momentan 82. der Weltrangliste und damit mit 36 Jahren beste deutsche Spielerin den Spaß am Tennis später wiedergefunden hat.

Für Kopfschütteln bei den Leichtathletinnen sorgt Brigitta Siegemund mit der Mutmaßung, dass der Deutsche Leichtathletik-Verband für die jungen Sportlerinnen und Sportler Reisen und Trainingslager bezahlt.

„Das ist leider überhaupt nicht so“, entgegnet Denise Krebs. „Der DLV zahlt je nach Kaderzugehörigkeit einen Zuschuss, der mal für einen Flug oder ein Trainingslager reicht. „Ich war Läuferin und wir waren immer gut ein halbes Jahr in verschiedenen Trainingslagern. Da wurde hier mal ein Flug und da mal der Physio übernommen. Um alles andere musste ich mich aber selbst kümmern. Ohne einen starken Verein oder den einen oder anderen Sponsor im Rücken ist die Leichtathletik auf Spitzenniveau ein finanzieller Drahtseilakt.“

Laura Raquel Müller berichtet, dass bei den größeren Meetings zwar die Athleten vom Veranstalter Anreise, Hotel und Physios bezahlt bekommen („je nachdem, wie sehr sie dich dabei haben wollen“), die Trainer aber für alles selbst aufkommen müssen. „Und ich als junge Athletin brauche in jedem Fall einen Trainer an meiner Seite.“

Erstaunt zeigt sich Hakan Aslan von den Einblicken, die er durch die Erzählungen der anderen Teilnehmer bekommt. „Man sieht nach außen immer nur das Endprodukt und es ist für mich sehr interessant, das alles zu erfahren“, so der Fußball-Spielerberater. „Ich bin Fußballer durch und durch, aber wenn ich das jetzt höre, herrscht ein riesiges Ungleichgewicht, was die Finanzen angeht. Wenn man auf der einen Seite sieht, was im Fußball abläuft, und nun auf der anderen Seite hört, dass andere Sportarten schon darum kämpfen müssen, dass sie überhaupt ihr Training oder ihre Reisen finanzieren können, gibt es da eine Kluft, die unglaublich ist.“

Der 49-Jährige sieht sich eher als Mentor für die Familien denn als Berater: „Im Fußball treffen viele Interessen aufeinander, die man als Eltern eines jungen Sportlers erstmal einordnen muss. Dazu kommt schon von früher Jugend an ein oft hart geführter Konkurrenzkampf, bei dem man die Eltern oft einbremsen muss. Ungefähr acht von zehn Kindern spielen Fußball und pro Team können immer nur elf auf dem Platz stehen. Da geht außerhalb vom Spielfeld recht viel ab und es werden schon bei Spielen von elf-, zwölfjährigen Kindern Dinge reingerufen, die weit unter die Gürtellinie gehen. Ich versuche hier durch Gespräche mit Eltern, Spielern und Vereinen eine gesunde Balance herzustellen, denn am Ende geht es um die Kinder und darum, dass sie Spaß haben. Und da ist es auch wichtig, dass sie Fehler machen dürfen.“

Hakan Aslan richtet sich auch an die aktiven Sportlerinnen und Sportler der Gesprächsrunde: „Auch für euch gilt: Wenn ihr in eurem Sport Fehler macht, ist das völlig okay. Das gehört zum Prozess dazu.“

Hakan Aslan

Fußball-Spielerberater mit Schwerpunkt Jugendspieler, Mentor für Eltern und Spieler

Melanie Böhm

Hürdenläuferin, 3x Deutsche Meisterin 4x400m Staffel,
DM-Dritte 400m Hürden

Wenn Fehler, Verletzungen oder Tiefs die Existenz bedrohen

Dass das Thema „Fehler machen“ in Einzelsportarten jedoch ganz andere Folgen haben kann als bei Teamsportarten, zeigen die Einwände auf seinen gut gemeinten Ratschlag. „Das klingt zwar in der Theorie gut, aber wenn du nur einen Einjahresvertrag im Verein hast und auch Leistung bringen musst, um deinen Platz bei der Bundeswehr zu behalten, können sich Fehler auf deinen Kaderstatus und damit auf die finanzielle Unterstützung durch die Sporthilfe auswirken – und plötzlich steht deine Existenz auf dem Spiel“, wirft Denise Krebs ein.

„Das ist genau das, was mir passiert ist“, stimmt Melanie Böhm zu. „Mein Fehler war, dass ich zu langsam gelaufen bin. Ich war 2024 langsamer als 2023, habe die Norm nicht erfüllt, bin aus dem Kader geflogen, habe die finanzielle Unterstützung verloren und stehe mit 24 Jahren als Studentin jetzt da und muss schauen, wie ich finanziell über die Runden komme.“

Auch bei Rosina Schneider schwelt der Gedanke an eventuelle Auswirkungen von Fehlern im Hintergrund. „Bei mir im Sprint können ein paar Tausendstel Sekunden über die Karriere entscheiden“, so die U20-Europameisterin über 100m Hürden. „Stolpere ich an einer Hürde und verpasse, überspitzt ausgedrückt, wegen einem Tausendstel die Norm, fliege ich aus dem Kader und bekomme für ein Jahr keine Sporthilfe. Wenn das dann in die Phase nach dem Abi fällt, stehen nicht wenige vielversprechende Sportlerinnen und Sportler vor der Entscheidung, ob sie sich für Sport oder Studium entscheiden. Du kannst zwar beides gleichzeitig angehen, musst aber Abstriche machen, denn sonst schaffst du es nicht.“

 

Laura Raquel Müller berichtet von ihrer eineinhalbjährigen Verletzungszeit, während der sie keinen Wettkampf bestreiten konnte: „Ich konnte nur deshalb von zuhause aus- und nach Stuttgart zum Olympiastützpunkt umziehen, weil ich im Kader war und durch die Sporthilfe meine Miete zahlen konnte. Durch die Verletzung war ich dann aber drauf und dran rauszufliegen. Da drehen sich die Gedanken plötzlich nicht mehr darum, wie ich wieder gesund werde, sondern wo ich das Geld her bekomme, um dort bleiben zu können, wo ich bin. Da geht es dann wirklich um nichts anderes als die Existenz.“

Während die Weitspringerin rechtzeitig wieder gesund wurde, um im Kader zu bleiben, hatte eine Verletzung Milan Hosseini 2022 vorübergehend seinen Kaderplatz gekostet. „Ich war in den Abiturvorbereitungen und wurde an der Schulter operiert. Es gibt 15 Kaderplätze und wenn man ein Jahr ausfällt und noch nicht zu den Topleuten gehört, ist man eben raus. So ist es mir damals ergangen und ich war sehr froh, dass meine Eltern mich unterstützt und immer die richtigen Worte gefunden haben. Ich bin trotzdem weiter in die Halle gegangen, weil das Turnen mir einfach ultra viel Spaß macht.“

Platzierungen allein sind im Parasport ausschlaggebend

Sehr hart sind die Kaderkriterien im Parasport geregelt, wie Jana Spegel weiß. Die Rollstuhl-Tischtennisspielerin berichtet davon, dass allein die Platzierungen bei Weltmeisterschaften und Paralympics über die Kaderzugehörigkeit entscheiden. „Wenn du hier nicht unter den Top Acht landest, fliegst du raus. Und wenn du dann noch als die große Nachwuchshoffnung in einer Sportart giltst, in der die älteren Sportlerinnen und Sportler langsam aufhören und nur wenige andere junge Athleten nachkommen, lastet schon ein gewisser Druck auf dir – zumal das Geld, das der Verband erhält, wiederum von den gewonnenen Medaillen abhängig ist.“

Der Deutsche Behindertensportverband übernehme zwar mehr Kosten für seine Athleten als andere Sportarten, doch habe die 21-Jährige ein ganz anderes Problem, wie sie berichtet: Sie bekommt in Stuttgart offiziell keinen eigenen Trainer. „Ich hätte die Möglichkeit, am Bundesstützpunkt zu trainieren, aber dieser ist in Düsseldorf. Ich wohne in Stuttgart mit einer 24-Stunden-Assistenz in einer eigenen Wohnung, was mir die Möglichkeit gibt, parallel Leistungssport zu betreiben und zu studieren. Ein Umzug nach Düsseldorf wäre schlichtweg nicht machbar, weshalb ich, was das Training angeht, ein bisschen improvisieren muss“, zuckt Jana Spegel mit den Schultern. „Glücklicherweise habe ich durch den engagierten Landestrainer hier trotz allem doch sehr gute Trainingsbedingungen.“

Jana Spegel

Rollstuhl-Tischtennis, Paralympics-Teilnehmerin 2024, WM-Dritte, EM-Zweite

Vergleich mit dem Fußball

Immer wieder fällt im Laufe der Diskussion der Vergleich zum Fußball, und Rosina Schneider trifft dabei den Nagel auf den Kopf: „Leider hat die Leichtathletik in Deutschland gegenüber dem Fußball nichts zu melden. Und doch muss ich mich fragen: Trainieren die jetzt mehr als ich oder vielleicht sogar weniger? Im Gegensatz zu den USA, wo ein gutes Gleichgewicht zwischen den Sportarten herrscht, sticht bei uns eine einzige Sportart heraus. Alle anderen gehen leider unter.“

Auch der leidenschaftliche Fußballer Hakan Aslan, der im Vorfeld nur wenig Einblick hinter die Kulissen von Einzelsportarten hatte, stimmt zu: „Ich bin empört und überrascht, dass der Sport in Deutschland so wenig gefördert wird und schäme mich gerade ein bisschen für den Fußball. Es ist doch ein Widerspruch in sich, dass es Förderungen nur gibt, wenn man Medaillen gewinnt. Das ist keine Förderung, sondern man unterstützt nur die Besten. Da wundere ich mich nicht mehr über den Abwärtstrend im Olympia-Medaillenspiegel.“

Denise Krebs

Ehem. Mittelstrecken-Läuferin, 11x Deutsche Meisterin,
Sportjournalistin beim MDR

„Es hat super lange gedauert, ehe ich erkannt habe, dass ich bei einer Olympia-Quali oder einer EM exakt die gleiche Aufgabe wie bei der DM habe. Erfahrungen wie diese würde ich gerne an jüngere Athleten weitergeben.“

Mentaltraining und der viel zitierte Plan B

Aus dem Handball kommt Lena Backhaus, die zwei Jahre lang Geschäftsführerin bei den Frauen der SG BBM Bietigheim war, die Diskussion interessiert verfolgt und feststellt: „Die Gegebenheiten im Einzel- und Mannschaftssport lassen sich nicht eins zu eins vergleichen. Auch wenn wir in Bietigheim nur Vollprofis im Team hatten, waren von 16 Spielerinnen nur zwei oder drei ausschließlich auf den Sport fokussiert. Alle anderen hatten sich – ob mit Studium, Polizei oder Bundeswehr – einen Plan B zurechtgelegt, da im Frauenhandball einfach auch nicht so viel Geld zu verdienen ist, wie bei den Männern.“

Generell seien die Spielerinnen von Tag eins an unter extremem Druck gestanden, so die ausgebildete Mentaltrainerin, Steuerberaterin und Mentorin weiter. „Vor allem während Corona gab es nur Einjahresverträge. Da hat schon mit dem ersten Spiel der Kampf um einen Vertrag für das nächste Jahr begonnen. Hier war die Kommunikation mit den Spielerinnen sehr entscheidend. Jede Spielerin geht natürlich auch anders mit dem Druck um und benötigt unterschiedlichen Support“, erinnert sich Lena Backhaus.

Karrierebegleitung durch Mentoren

Manchmal tue es gut, einfach mal ein Gespräch mit Personen außerhalb der Sport-Bubble zu führen und sich andere Sichtweisen anzuhören: „Bei konkreten Anliegen würde ich immer empfehlen sich mit einem ‚Mental Coach‘ auszutauschen, da dieser eine neutrale Haltung hat und jeden Sportler bei seiner individuellen Entwicklung unterstützt, ohne dass eigene Interessen einfließen. Ein vertrauensvoller Mentor oder ein Vorbild kann ebenfalls inspirierend sein.“

Lena Backhaus

Ehem. Geschäftsführerin SG BBM Bietigheim, Mentaltrainerin und Steuerberaterin

„Manchmal tut es gut, einfach mal ein Gespräch mit Personen außerhalb der Sport-Bubble zu führen und sich andere Sichtweisen anzuhören. Man muss nicht alles allein schaffen.“

Foto: @juliaMelynk

Während Lena Backhaus professionelles Mentoring im intensiven Austausch über längere Zeiträume für Sportler, Influencer und Einzelunternehmer anbietet, möchte Denise Krebs junge Athletinnen und Athleten vor allem von ihrem großen Erfahrungsschatz aus 16 Jahren Spitzensport partizipieren lassen. „Auch ich habe mich oft mit erfahreneren Sportlern zu Themen wie Leistungsdruck, Studium und Karriereende ausgetauscht“, so die 37-Jährige. „Es hat damals super lange gedauert, ehe ich erkannt habe, dass ich bei einer Olympia-Quali oder einer EM exakt die gleiche Aufgabe wie bei der Deutschen Meisterschaft habe und mir keinen extra Druck zu machen brauche. Erfahrungen wie diese würde ich gerne an jüngere Athleten weitergeben.“

Letztendlich sei es egal, welchen Weg die Sportler einschlagen, sagt Lena Backhaus abschließend: „Wichtig ist das Bewusstsein, dass es Möglichkeiten gibt, die einem gut tun können. Wie dieser Austausch heute.“

Vielen Dank an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die uns tiefe Blicke weit hinter die Kulissen des Sports gewährt haben!