Wide Receiver Louis Geyer: Vom Remseck über Stuttgart zum NFL-Tryout

Autor:Lara Auchter
Pass von Quarterback Reilly Hennessey, Catch von Wide Receiver Louis Geyer – Touchdown Stuttgart Surge. Wer regelmäßig im GAZi-Stadion die Heimspiele der Surge in der European League of Football (ELF) verfolgt, kennt dieses Erfolgsrezept nur zu gut: Das Duo gehört zu den besten Offensivkombinationen der Liga. Geyers Receiving Yards und Touchdowns brachten dem 23-Jährigen nicht nur die Nominierung ins ELF-Allstar-Team ein, sondern auch das Interesse der Scouts aus der National Football League (NFL). Wir haben uns mit dem sympathischen Remsecker getroffen, um mehr über den Menschen hinter der Nummer 7 zu erfahren.
Fotos: Svenja Sabatini (3)

WR Louis Geyer in Action.
Louis, du bist in der Region aufgewachsen, spielst nun für Stuttgart Surge. Wie fühlt es sich an, im eigenen „Backyard“ Profi zu sein?
Louis Geyer: Es ist wirklich besonders. Viele meiner besten Freunde stehen mit mir auf dem Feld und studieren sogar mit mir in Tübingen. Das ist schon cool – Uni, Training, Game Days, alles in einem engen Umfeld. Das hilft enorm, sich gegenseitig zu pushen, und gibt einen Zusammenhalt, den man nicht in jedem Profiteam findet. Stuttgart und die Region sind meine Heimat, und hier meinen Traum vom Football zu leben, ist sehr schön.
Wie bist du ursprünglich zum Football gekommen?
Louis Geyer: Ich bin als typischer deutscher Junge natürlich mit dem „normalen“ Fußball aufgewachsen. Mein bester Freund hat damals aber Flag Football in Ludwigsburg gespielt und mich einfach mal mitgenommen. Anfangs war ich skeptisch, gerade was den Körperkontakt angeht – ich war damals ziemlich schmächtig. Aber das Spiel mit dem Ball, die Dynamik, das hat mich sofort fasziniert und ich habe mich in den Sport verliebt. Letztendlich habe ich mich als Teenager auch gegen den Fußball und für American Football entschieden – ich glaube, bis jetzt war das eine gute Entscheidung (lacht).
Doch die Faszination brachte auch Zweifel…
Louis Geyer: Absolut. Als ich vom Flag Football zum Tackle Football gewechselt bin, war das ein harter Bruch. Ich mit meinen 60 Kilogramm sollte nun plötzlich in 130-Kilo-Männer reinlaufen, das war für mich schon eine große Hürde. Wir hatten damals auch einen sehr harten Coach – und ich gebe zu, ich habe teilweise sogar Verletzungen vorgetäuscht, nur um dem Training zu entkommen. Ich war ein Training davon weg, alles hinzuschmeißen. Wendepunkt war dann mein Wechsel von Ludwigsburg zu den Stuttgart Scorpions. Dort habe ich mit dem damaligen Coach einen Mentor gefunden, der mir beigebracht hat, wie man als Receiver spielt, ohne sich in jeden Kontakt stürzen zu müssen.
Wie hast du es geschafft, deinen Körper auf das heutige Profi-Niveau zu bringen?
Louis Geyer: Sport war schon immer ein fester Bestandteil meines Lebens – ohne das wäre ich vermutlich ein dickes Kind geworden (lacht). Aber irgendwann habe ich auch angefangen, auf Ernährung zu achten, und habe gezielt Krafttraining gemacht. Man merkt plötzlich, wie man athletischer wird, schneller, stabiler. Wenn man dann auf dem Feld sieht, dass die Arbeit im Fitnessstudio einen Unterschied macht, dann entsteht so eine positive Spirale.
Deine erste Saison im Profi-Football ist nun auch schon vier Jahre her. Wie war dieses erste Jahr?
Louis Geyer: Unvergesslich. Ich kam direkt als Starter rein und machte in meinem ersten Spiel gleich meinen ersten Touchdown. Wir sind mit Stuttgart Surge damals nach Barcelona geflogen – das war mein Profidebüt, und das sofort in einem anderen Land und in einer so coolen Stadt. Das war für mich das beste Willkommen in der ELF. Klar, die Saison für das Team war sportlich durchwachsen, aber diese Erfahrungen haben für mich den Grundstein für alles gelegt und ich wurde sogar am Ende als ELF-Rookie der Saison 2021 ausgezeichnet. Das war natürlich auch nochmal eine Bestätigung für meinen Weg und meine Entscheidung für den Football.
Nach deiner Rookie Saison bist du nach Köln gewechselt. Weshalb?
Louis Geyer: Ich hatte das Gefühl, mich weiterentwickeln zu müssen, und dachte, für den nächsten Schritt brauche ich etwas Neues. In Köln war alles sehr professionell, mit einem tollen Head Coach, der auch außerhalb des Sports für mich da war. Aber nach dieser einen Saison wusste ich: Mein Herz schlägt für Stuttgart. Als Jordan Neuman, einer der besten Coaches Europas, zur Surge kam, war klar – ich will zurück. Und letztendlich waren die folgenden Spielzeiten ja ziemlich erfolgreich.
Stuttgart Surge hat 2022 die Saison ohne einen einzigen Sieg und mit 12 Niederlagen beendet. Mit dir kam 2023 aber auch der Erfolg zurück. Wie habt ihr es geschafft, euch vom 0-12-Team zu einem ELF-Finalisten zu entwickeln?
Louis Geyer: Das war der Neuman-Effekt. Jordans Professionalität, sein Anspruch, seine Erfahrung – das hat das gesamte Teamlevel angehoben. Viele Spieler sind allein wegen ihm gekommen und haben sofort Impulse gesetzt. Plötzlich waren wir nicht mehr nur dabei, sondern richtig konkurrenzfähig. Von 0-12 auf 10-2, das war schon verrückt. Sicherlich hätten wir gerne das Finale gewonnen, und auch 2024 tat die Niederlage im Halbfinale weh. Aber ich denke wir können stolz auf unsere Entwicklung sein und darauf, dass wir nun eines der besten Teams der Liga sind.

Louis Geyer im Gespräch mit den SPORT.S-Redakteuren Lara Auchter und Ralf Scherlinzky. Foto: Linda Grof
Ihr seid nun mit hohen Erwartungen in die Saison 2025 gestartet – denn ihr wollt am 7. September im Finale in der Stuttgarter MHP-Arena dabei sein. Wie geht ihr mit dem Druck um?
Louis Geyer: Wir haben bewusst entschieden, uns nicht unter Druck setzen zu lassen. Klar, alle reden vom Finale. Aber für uns zählt jedes einzelne Spiel, um überhaupt die Chance zu bekommen, das Endspiel zu erreichen. Der erste Dämpfer kam bereits beim 0:6 in Paris am zweiten Spieltag, was aber vielleicht ganz gut so war. Diese Niederlage war schon mal ein Reality Check ganz früh in der Saison und hat uns gezeigt, dass wir fokussiert bleiben müssen. Unser Ziel ist natürlich das Finale, dafür gehen wir aber gemeinsam als Team die kleinen Schritte und sehen jedes Spiel für sich.
Wie schwer ist es, sich als Team im laufenden Spielbetrieb auf neue Spieler einzustellen, z.B. wenn sich ein Spieler verletzt und jemand nachrückt? Die vielen Spielzüge müssen ja einstudiert werden…
Louis Geyer: Die ganzen Imports die kommen, sind Vollprofis, die schon in verschiedenen Ligen und sogar der NFL unterwegs waren und die Situation kennen. Sie studieren das Playbook und wissen sofort Bescheid. Ein Neuzugang kam direkt aus Miami mit Jetlag ins Training und stand sofort auf dem Feld. Auf diesem Niveau muss das auch so funktionieren. Wir als Team haben einen unglaublichen Zusammenhalt und binden auch neue Spieler sofort mit ein.

Louis Geyer (#7) und Quarterback Reilly Hennessey (#4) – nicht nur auf dem Platz ein eingespieltes Duo, sondern auch privat „best buddies“.
Du wurdest letztes Jahr ins ELF-Allstar-Team gewählt und dein Name wurde in NFL-Kreisen gehandelt – und du hattest sogar ein Tryout bei den Jacksonville Jaguars. Wie kam es dazu?
Louis Geyer: Das war ganz kurios. Ich war mit meinen Eltern in den Bergen, denn nach dem verlorenen Halbfinale, wollte ich einfach abschalten und erstmal keinen Kontakt zur Außenwelt haben (lacht). Dann sehe ich bei Instagram eine Nachrichtanfrage, nicht mal im Hauptpostfach sondern aussortiert als „Spam“. Es war eine persönliche Nachricht von einem angeblichen Scout von den Jaguars. Ich dachte erst, das ist ein Scherz, aber es war tatsächlich echt. Drei Wochen später war ich in London beim Training der Jaguars.
Was ging dir da durch den Kopf?
Louis Geyer: Aufregung pur. Natürlich war ich nervös. Aber gleichzeitig war ich auch komplett im Reinen mit mir. Ich wusste: Ich wollte einfach nur einmal diese Chance, egal wie sie ausgeht. Und ich habe alles gegeben. Es hat zwar nicht gereicht, aber das ist total okay für mich. Natürlich waren die Umstände nicht ideal, da ich schon drei Wochen in der Offseason und meine Form nicht mehr bei hundert Prozent war, aber dennoch habe ich für mich an diesem Tag die bestmögliche Leistung gezeigt.
Aber vielleicht war das ja nicht das letzte Kapitel?
Louis Geyer: Wer weiß. Die NFL-Scouts schauen schon auf die ELF und kennen die Teams sehr gut. Ich kann nur beeinflussen, was ich kontrollieren kann: meine Leistung auf dem Feld. Der Rest kommt von allein – oder eben nicht. Aber ich bin zufrieden mit dem, was ich erreicht habe.
Wie wichtig ist für dich als Wide Receiver die Beziehung zu deinem Quarterback?
Louis Geyer: Extrem wichtig. Reilly Hennessey und ich spielen jetzt im dritten Jahr zusammen und verstehen uns auch privat sehr gut. Diese Connection auf dem Feld entsteht durch ständige Kommunikation, Vertrauen und Timing. Ich weiß genau, wann er wirft – oft bevor ich meine Route überhaupt beende. Das macht einen riesigen Unterschied und ich bin froh, eine so gute Beziehung mit ihm zu haben.
Was sind deine persönlichen Ziele für diese Saison?
Louis Geyer: Ich messe meine Saison nicht in Zahlen oder persönlichen Statistiken. Mein Ziel ist es, jedes Jahr besser zu sein als in der Saison zuvor, ob körperlich, mental oder technisch. Und natürlich den Ring am Finger zu haben und das Finale endlich mal zu gewinnen. Dafür würde ich jedes 300-Yard Spiel eintauschen.
Und was machst du, wenn du mal keinen Football spielst?
Louis Geyer: Sport bleibt meine Leidenschaft – ob Gym, Golf, Tennis oder einfach Laufen. Ich habe Meditation und Atemtechniken für mich entdeckt und bin viel mit Freunden unterwegs. Natürlich ist da auch mein Studium der Sportwissenschaften. Der Ausgleich zwischen Sport und Schule ist mir wichtig und tut mir auch mental sehr gut, das versuche ich also beizubehalten.
ELF Championship Game am 7. September in Stuttgart
Am 7. September wird die MHPArena zur Bühne für das größte ELF-Spiel des Jahres! Wenn die beiden besten Teams der European League of Football um die Krone kämpfen, blickt ganz Football-Europa auf Stuttgart.
2024 waren 42.000 Fans in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen dabei, als Rhein Fire die Vienna Vikings bezwang. Schon ein Jahr zuvor triumphierten die Düsseldorfer – damals vor 31.500 Zuschauern in Duisburg – gegen Stuttgart Surge.
Jetzt träumen die Stuttgarter Football-Fans vom „Finale dahoim“: Gelingt der Surge die Rückkehr ins Endspiel – diesmal direkt in der Heimat?
Kickoff ist am 7. September um 15 Uhr. In der Halbzeitpause heizen die Fantastischen Vier die Stimmung an.
